Kapitel 15

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»Wo gehen wir hin?«, fragte sie vorsichtig.

»Mein Zimmer. Da sieht uns keiner«, entgegnete er. »Ich will nicht das Risiko eingehen, dass Ryu dich verletzt, wenn er spitz kriegt, dass du mit jemand anderem abhängst als ihm.«

»Ich glaube nicht, dass ihn das noch weiter interessiert ...«, murmelte sie und dachte daran, wie froh sie gewesen war, als er sie heute Morgen in Ruhe gelassen hatte.

Lui gab ein kurzes sarkastisches Lachen von sich. »Da glauben wir aber das Gegenteil.« Er schaute sich um, bevor er in die Gänge ging und auch bevor er seine Zimmertür öffnete.

»Ich glaube es wird besser«, meinte Alice, als Lui die Tür hinter sich schloss und zu einem Schrank lief, aus dem er eine Wolldecke rauszog.

»Ich hab kein gutes Gefühl bei der ganzen Sache. Ryu gibt nicht so schnell auf«, erklärte er und legte die Wolldecke auf ihre Schultern. Sie zog die warme Decke sofort enger um sich und setzte sich seufzend auf die Bettkante.

»Ich hoffe einfach, dass er bei mir eine Ausnahme macht.«

Er hockte sich neben sie und sah auf seine Hände. »Ich hoffe es auch.«

Ihr Herz machte einen Satz. »D... Danke, das ist nett von dir. Wenn wir zusammen hoffen, bringt es vielleicht sogar was«, meinte sie nervös. Er sagte das nur so. Jeder würde es sagen. Das hatte keinerlei tiefere Bedeutung. Sie machte sich unnötig Hoffnungen auf etwas, das sie niemals haben könnte.

Er musste lächeln. »Bestimmt«, sagte er. »Ist dir noch kalt? Wenn du willst, kann ich dir schnell einen Tee machen und hoch bringen.«

Sie schüttelte schnell den Kopf. »Nein nein, alles gut. Du musst nicht extra ...« Sie verstummte, als er ihre Hände nahm. Seine Hände waren um einiges wärmer als ihre. Ihre zitterten immer noch.

»Du bist aber immer noch eiskalt.«

»Es war wirklich kalt im Keller«, flüsterte sie. »Vielleicht solltet ihr euren anderen Gefangenen mal lieber ein paar Heizdecken bringen bevor sie erfrieren.«

»Ich sag den anderen Bescheid, die machen das sofort«, sagte er sehr ernst. Und dann sah er sie einfach nur an. Ihr Herz klopfte immer schneller. Und sie wusste, dass er ebenso fühlte wie sie. Sie sah es in seinen Augen. Sah sie es?

Langsam hob er eine Hand und strich ihr über die Wange. »Hier bist du auch ganz kalt«, wisperte er.

Alices Atem stockte. Sie würde noch ersticken oder an einem Herzinfarkt sterben wenn er so weitermachte. »E... Echt?«, sagte sie ein wenig verwirrt, als sein Blick, wenn auch nur für eine Millisekunde auf ihre Lippen huschte. Seine Hand wärmte ihre kalte Wange, die gerade wieder mit Hitze überflutet wurde, weil ihr Herz so verdammt schnell klopfte. »D... Du«, fing sie brüchig an, »bist aber auch so warm.« Am liebsten hätte sie sich selbst geschlagen, weil sie sich einfach nicht zusammenreißen konnte.

Er schmunzelte nur darüber und strich mit dem Daumen über ihre Wange. Sein Daumen wanderte weiter, strich die Konturen ihrer Lippen nach.

Lui beugte sich vor zu ihr. »Ich helfe dir, damit dir auch schnell warm wird.« Sein warmer Atem streifte sie.

»M... Muss sagen, mir wird schon wärmer ...«

»Etwa schon warm genug?«, fragte er leise und rutschte beinahe unmerklich noch ein Stück näher.

»Bisschen mehr Wärme könnte ich schon noch vertragen«, gab sie wispernd zu.

Seine andere Hand legte sich auch auf ihre Wange und er beugte sich noch weiter vor, so weit, dass seine Lippen über ihre streiften, als er weitersprach. »So besser?«, hauchte er leise und küsste sie. Ein leichter Kuss nur, zuerst.

MaliceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt