Alice wachte am nächsten Morgen so früh auf, dass noch nicht mal die Sonne aufgegangen war. Ihr Bauch tat furchtbar weh, sie musste sich zusammenreißen, um nicht zu weinen. Wo war sie? Alles war dunkel, sie spürte, wie die Panik aufkam. War sie tot? Aber nein, neinneinnein, dann wäre alles weiß und ... neben ihr atmete jemand leise und sie spürte einen warmen Körper. Ryu? War das etwa Ryu? Sie versuchte sich zu rühren, doch ihre Glieder fühlten sich an wie Blei. In ihrer Hand steckte eine Schlauch. Sie versuchte, nicht vollkommen in Panik zu geraten. Alles war gut, sie war in einem Krankenhaus ... was war passiert? Sie erinnerte sich an einen Schuss, dann Schmerz, Stimmen ... Ryus Stimme. Immer Ryus Stimme. Er war am lautesten gewesen, seine Stimme war das einzige, woran sie sich klar erinnern konnte.
»Ryu?« Sie wollte laut sprechen, aber ihre Stimme wurde erst zu einem Krächzen, dann zu einem schwachen Flüstern. »Ryu?«, flüsterte sie nochmal. Sie spürte zuerst schwach, dass seine Arme fest um ihre Taille, fast schon um ihre Hüfte geschlungen waren und sein Kopf neben ihrer Schulter, beinahe auf ihrem Dekolleté, in ihrer Halsbeuge lag und dann spürte sie seinen warmen Atem, wie schon so oft. Und als sie sich klar und deutlich an diesen lauten schmerzerfüllten Schrei nach ihr von ihm erinnerte, bekam sie eine Gänsehaut und wollte nur noch weinen. Hatte er gedacht, dass sie tot wäre?
Sie hatte kurz Angst, dass sie aus einem langen Koma erwacht war und die Zeit gar nicht mehr einschätzen konnte. »Ryu?«, wimmerte sie jetzt endlich mit lauter Stimme und er fing an verschlafen vor sich hin zu nuscheln.
Innerhalb von Sekunden war sein Kopf in die Höhe gesprungen. »Alice«, sagte er. »Bist du wach?« Sie wollte sich aufsetzen, doch er hielt sie unten. »Bleib liegen! Oh Gott, Alice ...«
»Was ... Was is passiert?«, nuschelte sie, doch da drückte er schon seine Lippen auf ihre zu einen tiefen, innigen Kuss, in dem so viele Gefühle steckten, dass sie doch ein paar Tränen verlor.
Irgendwann dann lehnte er seine Stirn gegen ihre. »Ich dachte ... ich dachte wirklich für einen Moment, ich hätte dich verloren«, murmelte er und wischte ihr die Tränen ab. »Du kannst dir gar nicht vorstellen, was für eine verdammte Angst ich hatte. Ich schwöre dir, du wirst niemals wieder irgendwo alleine hingehen. Wenn es sein muss, sperre ich dich in einen Käfig.«
Sie lachte leise, auch wenn seine letzten Worte ihr ein wenig Unbehagen bereiteten, welches sich aber sofort wieder verflüchtigte, als sie in seine dunklen Augen sah. »Was ist denn passiert?«, wiederholte sie vorsichtig.
»Dieser Mistkerl hat in letzter Sekunde auf dich geschossen. Wir können froh sein, dass er nicht dein Kopf getroffen hat.«
»A-Aber er hat doch auf meine Schläfe gezielt«, sagte sie verdutzt und versuchte ein weiteres Mal sich aufzusetzen, hielt aber sofort inne, verzog das Gesicht und zischte scharf die Luft ein. »Ahh, verdammt!« Sie hielt sich die Hand an der Stelle, an der sie getroffen wurde.
»Ich hab gesagt du sollst liegen bleiben«, sagte er sanft und drückte sie zurück auf die Matratze.
»Aber ich will nicht mehr liegen!«, meckerte sie, und ihre Stimme brach, umso länger sie redete. »Ich ... Ich will doch nur meinen Freund umarmen, der in der ganzen Zeit, in der ich weg war wahrscheinlich eine Menge durchgemacht hat und dringend eine Umarmung nötig hat. Und ich übrigens auch ...«
Sie hörte ihn in der Dunkelheit lächeln. »Dein Freund ist einfach nur glücklich deine Stimme zu hören, Kleines.«
»Hmph!«, machte sie deutlich laut und drehte den Kopf beleidigt weg, was sie eigentlich nur tat um die Tatsache zu verstecken, dass sie wieder weinen musste, um nicht wie eine Heulsuse dazustehen.
»Jetzt ist alles gut«, sagte Ryu, denn natürlich konnte sie nicht vor ihm verbergen, dass sie weinte. »Hast du Schmerzen? Soll ich eine Krankenschwester rufen?«
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Malice
RomanceEine seltsame Begegnung mit einem zwielichtigen Jungen führt Alice und ihre Freundin Kaya an einen gefährlichen Ort. Kaum waren sie angekommen, schlossen sich auch schon alle Türen vor ihren Augen - Sie sind gefangen. Und jeder Fluchtversuch bringt...