Kapitel 30

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Alice sagte gar nichts, starrte nur zu Ryu, welcher sie ansah. Dann legte der Typ erneut den Finger auf den Abzug, richtete die Waffe auf Alice und drückte ab.

»NEIN!!!«, brüllte Ryu und wehrte sich stark, wollte zu ihr hin, um alles in der Welt, doch die zwei Typen, die ihn festhielten waren stärker als er. Einer der Polizisten rannte auf sie zu, doch der, der sie angeschossen hatte schoss ihm ins Bein und die anderen Polizisten blieben wie versteinert stehen. Alice fiel sofort auf den Boden, als der Schuss sie in den Bauch traf und vor ihren Augen wurde alles unscharf.

»Waffen. Runter«, sagte einer der Polizisten nochmal. Sie waren deutlich in der Überzahl, weshalb die Typen kurz sogar darüber nachdachten wirklich die Waffen fallen zu lassen, doch sie regten sich nicht. Der Typ, der immer noch neben Alice stand wusste genau, dass sie es sonst überleben könnte. Er zögerte so lang wie möglich. Doch der Raum war innerhalb von Minuten mit Polizisten gefüllt, sodass sie gar nicht anders konnten, als sich zu ergeben, aber das bekam Alice schon gar nicht mehr mit. Ihr Bewusstsein hatte sie längst verlassen, als sie Ryu endlich losließen und er sich vor sie hinkniete.

»Alice«, flüsterte er, nahm sie in den Arm. »Kleines, alles wird gut, hörst du mich? Alles wird gut.« Sein Herz und sein Atem stoppten, als er bemerkte, wie flach sie atmete. »Alice??« Seine Augen wurden feucht, als er in ihr bleiches Gesicht sah, die blauen, zitternden Lippen. Das Blut, welches langsam aus ihrer Wunde sickerte. Er würde sie verlieren. Er sah alles nur noch verschwommen als ein Mann sich neben ihn kniete und Alice auf eine Trage hob.

»Nein«, sagte Ryu. »Nehmen Sie sie mir nicht weg.« Er fühlte sich merkwürdig. Als wäre er gar nicht hier. Als würde das alles gar nicht geschehen. Vielleicht war es nur ein böser Traum. Vielleicht ...

»Monsieur, möchten Sie mit? Sind Sie mit ihr verwandt?«, fragte einer der Sanitäter ihn. Er konnte nur schwach nicken, ohne wirklich eine Antwort zu geben. Benommen ging er neben den Sanitätern her, hielt die ganze Zeit über ihre Hand. Im Krankenwagen musste er sie loslassen, durfte nur daneben stehen und zusehen, wie ihr mit jedem zittrigen Atemzug das Leben entschwand.

Im Krankenhaus angekommen, erlaubten sie ihm nicht einmal mehr an ihrer Seite zu bleiben.

»Sie dürfen nicht in die OP«, hatte einer von ihnen flüchtig gesagt, bevor er den anderen hinterhergerannt war und jetzt hockte er hier wie eine leere Hülle, seit mehreren Stunden und wartete nur darauf, dass sich diese verdammt Tür wieder öffnete und der Arzt ihm endlich sagen würde, ob sie es schaffte oder nicht. Wäre er doch vorhin nur nicht eingeschlafen ... Er hätte wachsam bleiben sollen. Er hätte sich doch denken können, dass sie ihm bis ins Hotel folgen würden. Als hätte ein einfaches Hotel sie beschützen können!

Er raufte sich die Haare und atmete tief durch. Wie lange konnte so eine OP denn gehen? Noch mehr als nur ein paar Stunden? Vielleicht sogar Tage? Er schüttelte den Kopf. Und dann öffnete sich endlich die Tür. Er sprang vom Stuhl auf. Der Arzt trat aus der Tür und sein Blick glitt suchend durch den Raum. Etwas an seinem Blick gab ihm ein unangenehmes Gefühl. Als wollte er gar nicht hier sein und, als wollte er diese Nachricht eigentlich gar nicht überbringen. Sein Herz klopfte schneller vor Angst, als er mit großen, schnellen Schritten auf ihn zuging. Seine Augen waren riesig als er vor ihm stand und er wartete auf eine Antwort, als hätte er schon eine Frage gestellt.

Der Arzt presste seine Lippen zusammen, zu einer feinen Linie und mit einem Mal wichen alle Farben aus Ryus Gesicht. Bitte nicht ... Doch im nächsten Augenblick zog sich die feine Linie zu einem Lächeln. »Sie schafft es.«

Ryu fühlte wie etwas von ihm abfiel, etwas schweres, düsteres und er sah den Arzt an. »Danke.« Er konnte sich nicht daran erinnern, jemals solch eine Dankbarkeit und Erleichterung verspürt zu haben.

MaliceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt