Sie liefen wortlos durch die Gänge. Sein Griff um ihr Hand war zu fest, doch sie sagte nichts. Sie lief viel zu langsam für ihn, doch er sagte auch nichts. Erst als sie in Ryus Zimmer ankamen und er die Tür hinter sich schloss, atmete er tief durch.
»Was hat er getan?«, fragte er kalt. Alice blieb unsicher an der Tür stehen, senkte den Blick und spielte nervös mit dem Saum ihres Kleides. »Alice«, warnte er und ging auf sie zu.
»E-Er hat nichts gemacht. Wirklich nicht.«
»Warum zitterst du dann so?«, fragte er und legte eine Hand auf ihren Arm.
»Keine Ahnung«, sagte sie, wissend, dass Ryu ihr genauso Angst gemacht hatte wie Lui.
Vorsichtig strich er über ihren Arm. »Du bist kalt. Ich lass dir ein Bad ein.«
»N-nein, es ist viel zu spät um jetzt noch zu baden«, murmelte sie abwehrend, doch er hatte sich schon der Verbindungstür zum Bad zugewandt und war hineingestapft. Unsicher ging sie ihm hinterher, er stellte gerade an einem digitalen Display die Temperatur ein. Dann durchsuchte er ein Regal voller Döschen und Badebomben.
»Willst du was davon?« Er schenkte ihr ein Lächeln, die Kälte aus seiner Stimme war wieder verschwunden. Hatte er gemerkt, dass er ihr Angst bereitet hatte, und versuchte das auszugleichen? Sie biss sich auf die Unterlippe um sich ein Grinsen zu verschlagen, endete aber trotzdem in einem breiten Lächeln. Sie nahm eines der Döschen aus dem Regal und suchte sich eine runde, rosa Kugel aus.
»Warum hast du sowas überhaupt?«, grinste sie. »Passt irgendwie gar nicht zu dir.«
Er zuckte mit den Schultern. »Entspannt die Seele.« Alice musste kichern, woraufhin er sich mit verschränkten Armen zu ihr drehte. »Lachst du mich aus?«, fragte er leicht grinsend.
»Nein, das ist nur wirklich ... unerwartet«, gluckste sie und ließ die Badekugel ins Wasser plumpsen. Sie blubberte auf und ein Duft nach Rosen und Vanille breitet sich aus, winzige Blütenblätter kamen zum Vorschein und ein samtiger Glitzer verteilte sich ebenfalls in der Wanne. Er beobachtete amüsiert, wie fasziniert sie auf all die kleinen Details achtete und sie aufnahm.
»Das sieht wunderschön aus«, sagte sie. »Und wie das duftet!« Alice grinste freudig und Ryu verschlug sich den kitschigen Kommentar, dass sie in ihrer kindlichen Begeisterung noch viel schöner war. Nur denken tat er sich's.
»Ich hab noch was besseres«, fiel ihm ein und er kramte ein Feuerzeug hervor, um all die kleinen Kerzen anzuzünden, welche auf dem Fensterbrett und in der Nähe der Wanne standen.
»Mensch, das wird ja hier immer romantischer«, staunte sie und schenkte ihm endliche ihr niedliches Grinsen.
Ryu steckte das Feuerzeug wieder ein als alle Kerzen im Raum brannten und blieb vor ihr stehen. »Alice«, sagte er und legte eine Hand auf ihre Wange. »Schau mich nicht so an.«
»Wie?«, fragte sie verwirrt.
»Du weißt genau was ich meine, Kleine.« Sie legte den Kopf schief. Er drehte sich um und ging aus dem Raum, um gleich danach wieder mit einem Duschtuch wiederzukommen und legte es neben die Wanne. »Ich warte draußen«, sagte er dann und ging.
Lächelnd blieb sie alleine zurück und spürte beinahe sofort, wie sie sich entspannte. Vorsichtig schälte sie sich aus ihrem Kleid und seufzte glücklich, als das warme Wasser sie umfing. So könnte sie den Rest ihres Lebens verbringen, wohlig warm wie in einer Umarmung, inmitten eines duftenden Rosenfeldes, und es regnete Glitzer und die Welt war in Ordnung ...
Sie schloss die Augen und bemerkte, wie ihr Bewusstsein ihr entschwand.
Als sie von einem beengenden Gefühl im Hals aufwachte umhüllte das lauwarme Wasser ihren ganzen Körper und nahm ihr die Luft zu atmen. Die Wasseroberfläche glitzerte vor ihren Augen als Panik durch ihre Adern fuhr und ihre Muskeln lähmte, als hätte sie die Kontrolle über ihren Körper verloren, als wäre sie noch im Halbschlaf. Doch gerade als sie dachte, sie konnte nicht mehr, dass sie aufgeben und das Wasser einfach ihre Lungen füllen lassen würde, packten sie zwei starke Arme an Arm und Taille und zogen sie hastig hoch, woraufhin sie sofort nach Luft schnappte.
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Malice
RomanceEine seltsame Begegnung mit einem zwielichtigen Jungen führt Alice und ihre Freundin Kaya an einen gefährlichen Ort. Kaum waren sie angekommen, schlossen sich auch schon alle Türen vor ihren Augen - Sie sind gefangen. Und jeder Fluchtversuch bringt...