»Die Medizinstudenten schmeißen heute Nacht die Party des Todes – Ich scherze nicht, so heißt sie wirklich«, erzählte Kaya. »Überall auf den Gängen und in der Mensa hängen seit Tagen die Plakate, sie machen ein richtig großes Ding draus. Warum gehen wir nicht zusammen hin? Ein paar andere Leute vom Kunstzug wollen auch kommen. Und so ein bisschen Ablenkung würde dir bestimmt gut tun, oder?« Sie grinste Alice erwartungsvoll an.
In Alices Gedanken flimmerten Fragmente der letzten Nacht auf und ein unangenehmer, frostiger Schauer durchlief sie, die Panik erfasste sie wieder, schnürte ihr allüberwältigend die Luft ab, legte sich wie ein zu schwerer Stein in ihren Magen. »N-nein, lieber nicht- Ich glaub nicht, dass ich das kann.«
»Ach Alice«, fing Kaya an und klopfte ihr beruhigend auf die Schulter. »Das wird bestimmt lustig. Und ich bin ja immer bei dir! Studenten sind nicht so schlimm wie –« Sie unterbrach sich selbst, doch Alice wusste genau was sie sagen wollte. Und sie hatte ja auch recht, Studenten waren niemals annähernd so schlimm wie Ryus Familie. Oder reiche Leute im Allgemeinen.
»Hmm, aber heute? Das ist so ... spontan, irgendwie.«
Kaya zuckte mit den Schultern. »Klar. Ein paar Cocktails, ein paar hübsche frische Medizinstudenten, damit du mal den Kopf von der ganzen Tragödie mit ich-spreche-seinen-Namen-nicht-aus hast. Das tut dir doch bestimmt gut.«
Alice lächelte ein wenig, erinnerte sich daran, dass die Partys doch eigentlich immer ganz nett gewesen waren. Außerdem konnte sie sich da endlich wieder wohlfühlen und vielleicht einige ihrer Kommilitonen treffen, welche sie nun so lange nicht gehen hatte. »Na gut. Aber davor muss ich unbedingt duschen und meinen Kleiderschrank durchforsten. Und etwas essen wäre vielleicht auch ganz gut«, merkte sie an, realisierte erst jetzt, wie leer ihr Magen war.
»Kein Stress, Allie, die Party startet eh erst um 21 Uhr, was heißt wir gehen um 23 Uhr hin. Es ist erst 10 also können wir gaaaaanz entspannt an die ganze Sache rangehen.« Kaya streckte sich genüsslich und verzog dann das Gesicht, als etwas knackste. »Gott, ich bin auch nicht mehr die Jüngste. Hophop, geh du unter die Dusche und in der Zeit mache ich uns Pfannkuchen zum Frühstück.«
Alices Lächeln wurde breiter, die Vorfreude durchströmte sie und ließ sie ganz quirlig zurück. Mein Gott, wie hatte sie das vermisst! Das alles, Kaya, die kleine WG, der Geruch von Pfannkuchen und Waffeln und das tägliche Getratsche mit ihr.
Schnell stieg sie in die Dusche und versuchte zu verhindern, dass das arschheiße Wasser mit dem sie sich die Kälte abwusch auf ihre Wunde am Nacken kam. Als sie aus der Dusche stieg duftete es schon nach Pfannkuchen und in der Küche standen bereits zwei Teller und eine Flasche Ahornsirup. Kaya stand immer noch am Herd und machte die Pfannkuchen. »Fang ruhig schon mal an«, trällerte sie und stellte die überlaute Musik etwas leiser.
Als Kaya endlich fertig war und sich auch an den Tisch hockten aßen sie die Pfannkuchen, die förmlichst im Ahornsirup schwammen und Kaya erzählte über Klassenkameraden, über Dinge, die sie verpasst hatte und sie lachten und aßen gemeinsam. Hach, wie sie das vermisst hatte.
Nachdem sie aufgeräumt hatten inspizierten sie zusammen Alices Kleiderschrank und stellten fest, dass die Klamotten doch alle recht passabel waren. Alice ließ sich den Stoff eines kurzen schwarzen Kleides durch die Finger fahren und war überrascht, wie rau ihr die Textur vorkam. Mein Gott, sie war einfach durch Ryu verwöhnt wurden! Sie musste sich daran gewöhnen, dass sie in Zukunft keine 300 Euro teuren Alltagskleider mehr tragen würde. Was allerdings auch nicht schlimm war. Viel schlimmer war morgens ohne ihn aufzuwachen, wie sie heute Morgen festgestellt hatte ... Gott, es war nicht mal mehr ein Tag vergangen und sie fühlt sich jetzt schon schlecht. Sie vermisste ihn einfach ... aber sie konnte nicht mehr bei ihm sein. Nicht nach all dem. Wie sollte es denn noch weitergehen? Innerhalb kürzester Zeit war sie zweimal entführt und einmal fast vergewaltig worden. Sie hatte nicht die geringste Ahnung, ob sie das nochmal aushalten könnte.
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Malice
RomanceEine seltsame Begegnung mit einem zwielichtigen Jungen führt Alice und ihre Freundin Kaya an einen gefährlichen Ort. Kaum waren sie angekommen, schlossen sich auch schon alle Türen vor ihren Augen - Sie sind gefangen. Und jeder Fluchtversuch bringt...