Kapitel 16

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»Ryu«, begann sie vorsichtig. »Es ist nicht Luis Schuld. Ich hab mich gefürchtet und geweint und um Hilfe gerufen und er ist nunmal gerade da vorbeigelaufen. Er war nur nett, wirklich.«

»Das ist mir egal. Wenn ich dich in einem Keller einsperre hast du da zu bleiben.« Seine Hand schloss sich fester um ihre und sie war es mittlerweile einfach nur leid.

»Warum bist du so?«

Er drückte ihre Hand ein wenig fester. »Was glaubst du?«, fragte er, klang dabei aber weniger wütend als eher enttäuscht.

»Ich weiß es nicht. Was glaubst du warum ich frage?«, fragte sie und verdrehte die Augen.

Ryu blieb mitten im Gang stehen, drehte sie an den Schultern zu sich und musterte sie von oben bist unten. »Was hat Lui mit dir gemacht?«, fragte er jetzt wieder wütend. »Wollte er dir etwas tun?«

»Was? Nein! Lui war sehr nett zu mir, im Gegensatz zu ...« Sie unterbrach sich selbst, um zu verhindern, dass er wieder ausrastete. Sie schluckte schwer, als er sie warnend anstarrte.

»Im Gegensatz zu mir, hm?«, sagte er leise. »Ich weiß schon. Ich bin der verdammte Antagonist, der dich schlägt, der dich einsperrt ...« Ryu lachte trocken. »Lui muss dir ja vorkommen wie ein strahlender Ritter, so, wie er dich befreit hat.«

Sie zuckte zusammen, in seinen Augen stand plötzlich eine so tiefe Traurigkeit dass sie bereute, Lui geküsst zu haben. »Das ist nicht wahr«, flüsterte sie und wollte ihre Hand heben, doch sie ließ es bleiben.

»Ist es nicht? Lüg mich nicht an, Alice. Ich merke doch, wie er dich anschaut.«

»Was?«, fragte sie verwirrt. »Aber warum denkst du dann, dass er mir etwas tun würde?«

Ryu sah sie eine Weile nachdenklich an, biss sich dann auf die Lippe und drehte sich dann wieder um, um weiterzugehen. »Vergiss es«, sagte er und zog sie wieder hinter sich her, doch Alice blieb fest entschlossen stehen, woraufhin sich Ryu wieder umdrehte. »Alice«, sagte er kalt.

»Warum?«, wiederholte sie.

»Ich hab gesagt vergiss es. Jetzt komm.« Er wechselte seinen Griff von ihrer Hand zu ihrem Handgelenk und zog sie stärker hinter sich her, sodass sie stolperte und fast auf den Boden knallte.

»Ryu, nie redest du mit mir! Wie soll das dann klappen zwischen uns? Konversation ist wichtig! Communication is the key!«, beschwerte sie sich und betonte den letzten Satz extra, weil dies einer ihrer Lieblingssätze war.

Er stoppte wieder, drehte sich aber nicht um. »Soll ich dir sagen, warum ich Angst hatte, er könnte dir was tun? Er war es.«

»War was?«, fragte sie deutlich verwirrt und fühlte einen dumpfen Schlag der Angst, als sie begann zu verstehen.

»Er hat Kaya umgebracht.« Jetzt dreht er sich um. »Verstehst du? Er hat sie umgebracht. Sie getötet. Nur weil ich es ihm gesagt habe.«

Sie starrte ihn fassungslos an. »W... Was?«, lachte sie ungläubig. »Nein. Lui kann doch nicht ...« Sie verstummte.

»Hör zu«, sagte er und nahm jetzt auch ihre andere Hand. »Lui mochte Kaya. Sehr. Aber seine Schwester schien ihm wichtiger zu sein, verstehst du?« Sie starrte ihn immer noch stumm an, während sich Tränen in ihren Augen sammelten. Er hatte etwas mit Kaya, was auch immer es war, am Ende hat er sie trotzdem umgebracht. War sie sein nächstes Ziel gewesen? Sie schauderte und ihr wurde leicht übel, als sie dachte, dass das alles nur ein Spiel für ihn gewesen sein könnte. Nur um am Ende seine Schwester zu beschützen.

»A... aber ... Es ist Lui! Er würde so etwas nicht tun. Er ist lieb. Er hat mir geholfen, mich getröstet. Er war doch so ... sanft. Alles an ihm. Wie er mich angelächelt hat. Sein ... sein Kuss. Alles. Ich verstehe es nicht. Er ist doch einer von den Guten ...« Ryu verschwamm vor ihren Augen und ihre Beine zitterten so sehr, dass sie unter ihr nachgaben und sie zu Boden rutschte. »Er sollte doch einer von den Guten sein ...«

MaliceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt