Kapitel 36

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Vor der Schlafzimmertür blieb sie kurz stehen, wischte sich noch einmal übers Gesicht und hoffte nur, dass man ihr nicht ansah, dass sie geweint hatte. Als sie eintrat lag Ryu auf dem Bett, mit dem Rücken zur Tür gedreht und sie hörte ihn laut und gleichmäßig atmen, als hätte er dieses Bett schon lang nötig gehabt.

»Ryu?«, fragte sie leise, ohne überhaupt eine Antwort zu erwarten. Wahrscheinlich hätte er nicht einmal geantwortet, wenn er wach gewesen wäre. Alice hockte sich an die Bettkante und atmete tief und leise durch, ehe sie ihn an der Schulter antippte.

»Ryu«, sagte sie immer wieder und rüttelte irgendwann sogar an ihm, bis er sich verschlafen umdrehte, mit einem Blick, der sie fast wieder zum Weinen brachte.

»Was willst du?«, fragte er und sie senkte den Blick. Plötzlich wusste sie gar nicht mehr, was sie überhaupt sagen sollte. Entschuldigt hatte sie sich schon. Sie hatte selbst versucht normal mit ihm zu reden, aber das hatte ihn nur noch wütender gemacht.

Ryu setzte sich irgendwann seufzend auf, als würde er die Einladung für ein Gespräch annehmen, ohne dass sie überhaupt was gesagt hat. Er schüttelte den Kopf und sprach mit einer leisen, kratzigen Stimme. »Komm her«, sagte er und zog sie an sich ran.

Jetzt weinte sie wirklich wieder und vergrub ihr Gesicht an seiner Brust. »Es tut mir leid dass ich unseren Urlaub versaut habe«, schluchzte sie leise.

Er strich ihr über den Rücken und legte sein Kinn auf ihrem Kopf ab. »Wir holen es nach.« Trotzdem schwang immer noch etwas mit in seiner Stimme, was sie nicht so wirklich identifizieren konnte. War es Enttäuschung?

»Was ist denn nun der Grund, weshalb wir nach Paris geflogen sind?«, fragte sie und lauschte auf seinen sich beschleunigenden Herzschlag. »War es wirklich nur wegen den Drogen?«

»Nein«, sagte er leise, während seine Hand ihr jetzt beruhigend durch die Haare fuhr. Er nahm tief Luft. »Ich wollte mit dir allein sein«, sagte er bloß. »Im Grunde ... ist das auch schon alles.«

Sie schaute an seiner Brust gedrückt zu ihm hoch. »Im Grunde? Bist du noch sauer?«

»Ja«, sagte er angespannt. »Ich bin verdammt sauer. Aber ... du kannst nichts dafür.«

»Also ... alles wieder gut?«, fragte sie vorsichtig und wagte es gar nicht zu hoffen.

»Ja«, bestätigte er und lächelte sie sogar etwas müde an.

»Wir können ja auch hier alleine sein?«, schlug sie vor und knabberte an ihrer Unterlippe.

Er lachte leise. »Das geht letztendlich nicht auf das Gleiche hinaus, aber es wäre wirklich schön, wenn man hier mal alleine sein könnte.«

Alice kuschelte ihr Kopf wieder in seine Halsbeuge. »Aber alles was wir im Paris machen könnten, können wir auch hier machen«, meinte sie und drückte ihn ganz fest.

»Du hast mir jetzt das dritte Versprechen gegeben«, merkte er schelmisch lächelnd an und strich ihr über den Rücken. »Ist dir das klar?«

»Was?«, fragte sie verdutzt. »Was meinst du?«

»Du kannst auch mit mir machen was du willst, hast du gesagt«, grinste er sie an, als er sich ein wenig von ihr löste. »Und dein Kleid konnte ich dir immer noch nicht ausziehen.«

Sie wurde rot. »A-aber Ryu«, stotterte sie überrumpelt. »Ich bin verwundet.«

»Scheint nicht so als hättest du Schmerzen«, entgegnete er und sah sie herausfordernd an.

»Oh - Au. Auauauau. Jetzt wo du's sagst - mein Gott, mir tut alles weh! Gosh, hat meine Wunde etwa wieder angefangen zu bluten?« Ablenkend sah sie auf ihr Kleid hinab, welches sich frisch und ohne jegliche Blutflecken an ihren Körper schmiegte.

MaliceWo Geschichten leben. Entdecke jetzt