Mit großen und schnellen Schritten lief sie einfach weiter, dachte nicht einmal daran sich umzudrehen. Sie lief bis sie an einer Bushaltestelle ankam. So spät war es gar nicht, sie bekam sogar noch den letzten Bus für heute. Mit Hilfe von Google Maps schaffte sie es dann auch alleine zu Hause anzukommen, ohne dass etwas passierte. Doch als sie dann im Bett lag, einsam und allein, ohne eine laute Kaya in der Wohnung und ein Ryu, der sie ständig mit diesen Blicken ansah, kam ihr Leben ihr plötzlich so ... langweilig vor.
Lange lag sie einfach nur im Bett und starrte nachdenklich die Decke an, dachte natürlich an die schönen Zeiten mit Ryu, an sein typisches schelmisches Grinsen, an seine Art sie immer beschützen zu wollen, an Paris, und den Heiratantrag ... Irgendwann kamen ihr die Tränen, weil sie dachte, sie machte den größten Fehler ihres Lebens, doch in diesem Moment öffnete sich die Haustür.
Ein Schlüsselbund klirrte und Kaya fragte laut: »Allie, bist du hier?«
Alices Herz hatte einen Schlag aussetzt. Ihr dummes Herz hatte doch tatsächlich geglaubt, nein, gehofft, er könnte es sein. Sie schüttelte den Kopf. »Ja, ich bin hier«, sagte sie dann und wenige Sekunden später wurde auch schon ihre Tür aufgerissen und Kaya stand mit verstrubbelten Haaren und gerötete Wangen vor ihr, in der Hand ein Handy, welches gerade ein Telefonat anzeigte.
»Sie ist hier, Ian. Du kannst heimfahren. Danke fürs Warten«, sprach sie hinein und legte dann auf. »Mensch, Allie, du kannst doch nicht einfach so verschwinden, was hast du dir dabei nur gedacht? Ian und ich haben uns solche Sorgen gemacht, wir haben überall nach dir gesucht! Schließlich hat irgendein Mädchen gemeint, sie hätte gesehen, wie du nach einem Streit mit einem großen Typen abgehauen bist. War das etwa Ryu? Hat er dir nachspioniert?«
Alice brauchte erstmal einige Sekunden, um die Fragen in ihrem übermüdeten und alkoholisiert Gehirn zu verarbeiten. »Ja, so in etwa«, sagte sie, nickte leicht und ließ ihren schweren Kopf dann wieder ins Kissen sinken. Sie war viel zu kraftlos für solche Gespräche.
Kaya hockte sich seufzend an ihre Bettkante. »Geht's dir gut?«, fragte sie und rüttelte sanft an ihr, damit sie nicht sofort einschlafen würde. »Brauchst du irgendwas? Ein Glas Wasser, vielleicht?«
Alice schüttelte den Kopf, ohne auch nur die Augen zu öffnen. »Nur Schlaf«, murmelte sie leise und fügte ein paar Sekunden ein noch viel leiseres, unverständliches »und Ryu« hinzu. Kaya schüttelte den Kopf, stand vom Bett auf und deckte sie zu, doch das alles bekam sie schon nicht mehr mit und war schon eingeschlafen.
In ihren verwirrten Träumen tauchte immer und immer wieder Ryu auf, er war alles, ohne ihn schien die Welt keinen Sinn mehr zu machen. Am Morgen erwachte sie mit einem klebrigen Gefühl im Mund und bohrenden Kopfschmerzen. Verdammmmmt. Was hatte sie sich nur dabei gedacht, so viel zu trinken?!
Sie seufzte leise und richtete sich schwerfällig auf, scheinbar jeder Knochen in ihrem Körper schmerzte. Das kam davon wenn man soviel trank. Ryu hatte recht. Das war unvernünftig gewesen – eine Sekunde mal, er hatte ebenfalls getrunken! Hmph. Sie schlug die Bettdecke zurück und stolperte ins Bad. Von ihm würde sie sich gar nichts mehr sagen lassen.
Die Tage vergingen langsam ohne Ryu und wurden zu Wochen. Es wurde umso schwerer, wenn sie nichts mehr von ihm hörte, selbst wenn das genau das war, was sie von ihm verlangt hatte. Am Ende hatte Ryu vielleicht auch Recht damit gehabt, dass sie nicht wusste, was sie wollte. Doch vielleicht brauchte sie genau deswegen diese Pause von ihm, die jetzt doch so viel schwerer war, als sie es sich vorgestellt hatte.
Nach einiger Zeit fing die Uni wieder an und sie erinnerte sich immer wieder daran Ryu davon erzählt zu haben, als noch alles gut war. Doch Alice hatte mittlerweile gelernt solche Gedanken zu verdrängen. Sie war nun wieder in ihr früheres Leben zurück, als wäre Ryu nie dagewesen und manchmal, wenn sie morgens aufwachte fragte sie sich, ob es nicht doch alles nur ein Traum gewesen war. Doch wenn sie dann den Ring auf ihrem Nachttisch liegen sah wusste sie, dass es kein Traum war. Dass sie Ryu wirklich fast geheiratet hätte, dass Ryu vielleicht am Ende der Stadt darauf wartete, dass sie ihn wiedersehen wollte oder sich längst mit jemand anderen vergnügte. Würde er? Aber nein, diese Gedanken musste sie doch verdrängen.
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Malice
RomanceEine seltsame Begegnung mit einem zwielichtigen Jungen führt Alice und ihre Freundin Kaya an einen gefährlichen Ort. Kaum waren sie angekommen, schlossen sich auch schon alle Türen vor ihren Augen - Sie sind gefangen. Und jeder Fluchtversuch bringt...