Kapitel 3 ✔️

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Was gab es Schöneres, als an einem Freitagnachmittag durch die Braunschweiger Innenstadt von einem Klamottenladen zum nächsten zu rennen? Soweit Lexa es beurteilte, so einiges. Mit einem mitreißenden Buch im Bett zu liegen fiel ihr prompt als Alternative ein. Warum? Weil sie es weitaus gemütlicher fand. Es gab obendrein andere Gründe, die gegen Shoppingtouren sprachen. Zum einen die Menschen, die stur ohne Rücksicht auf Verluste einen anrempelten oder einem den Weg abschnitten. Innerhalb einer Stunde war sie zweimal gegen jemanden geknallt, weil die Person urplötzlich vor ihr stehengeblieben war, um aufs Smartphone zu glotzen. Was war so schwer daran, die Scheißdinger mal warten zu lassen? Der zweite schräge Vogel hatte das Mädchen obendrein blöd angemacht, ob sie keine Augen im Kopf hätte. Hallo? Das war ja fast so, als wenn jemand beim Autofahren absichtlich ruckartig bis zum Stillstand abbremste und dann dem Auffahrenden die Schuld in die Schuhe schob. Volltrottel. Dank ihm war Lexas Puls auf hundertachtzig.

Abgesehen von solchen Vollidioten liefen für ihren Geschmack zu viele Leute in der Stadt herum. Hatten die kein Zuhause? Kauften doch sonst so gern via Internet ein, wodurch es seit ihrer Geburt zu einem Massensterben der Geschäfte gekommen war. Dank Amazon, Wish und anderen Internetplattformen war der lokale Handel immer weiter verdrängt worden. Bequemlichkeit hatte Hochkonjunktur. Dennoch gab es genug Läden, die zum Bummeln einluden. Sonst würde Emma ihre Freundin nicht in diesem Moment in das zehnte Geschäft schleppen. Drei Tüten trug sie mit sich herum und es sah nicht danach aus, dass sie sich bald geschlagen geben würde. Na ja, sie hatte Lexa vorgewarnt. Widerstrebend folgte diese Emma durch die Gänge, zwängte sich zwischen Kleiderständern und Podesten hindurch, nur um wieder in einer Ecke mit Kleidern zu landen, die für ihren Geschmack zu freizügig waren. Ungeachtet dessen hatte sie ferner nichts vorzuweisen, das in ihnen groß zur Geltung käme.

„Guck mal, wäre das nicht mal ein Kleid für dich?" Emma hielt Alexandra einen schwarzen Stofffetzen vor die Nase, der mit etwas Fantasie das genannte Kleidungsstück darstellte. Lexa fehlte es eindeutig an Stoff. Als längeres Shirt ging das Teil womöglich so durch. Aber als Kleid? Niemals!

„Nein danke. Du erinnerst dich sicher, dass ich sowas nie trage." Doch spätestens für den Abiball brauchte sie eins. Ihre Mutter akzeptierte es nicht, dass ihre Tochter in einem Hosenanzug hinging. Lexa hatte ihr sogar angeboten, gänzlich zu Hause zu bleiben. Sie fragte sich, warum der Mutterdrache das komischerweise für keine geniale Idee hielt.

„Ach komm schon. Gönne dir ausnahmsweise mal etwas Schönes." Bettelnd sah Emma ihre Freundin an. Die hatte doch mal wieder irgendetwas vor. Skeptisch schaute Lexa die Blondine an, stemmte dabei ihre Hände in die Seiten, was ihr Gegenüber zum Lachen brachte. Genau genommen prustete diese los, wobei kleine Tröpfchen die nähere Umgebung besprühten. Na wie vorteilhaft, dass keine Grippesaison war.

„Ich finde meine Shirts und Hoodies halt schön." Lexa zuckte mit den Achseln. Das Thema war für sie damit erledigt. Genauso wie das Shopping. Der Vater hatte ihr zweihundert Euro in die Hand gedrückt, doch hatte sie bis zu diesem Zeitpunkt keinen Cent davon ausgegeben. Etwas brauchte sie fürs Abendessen. Apropos Essen, ihr Magen verlangte wieder eine Kleinigkeit. Prompt knurrte er wie ein mürrischer Kater. Somit relativ leise. Doch bekam er nicht bald etwas zu futtern, würde er sich lautstark bemerkbar machen. Nun schaute Emma ihre Freundin skeptisch an.

„Sag mal, kannst du das Raubtier da drinnen," sie pikste der Brünetten in den Bauch, „noch eine Weile zähmen, oder greift es gleich jemanden an?"

„Ein Laden noch und dann etwas essen?" Hoffnungsvoll schaute die Angesprochene ihre beste Freundin an, wohlwissend, dass diese, wenn sie Nahrung im Magen hatte, selbst keine Lust mehr haben würde, stundenlang in irgendwelchen Läden Klamotten zu suchen.

Der BasterianerWo Geschichten leben. Entdecke jetzt