Das war … interessant.
Ich konnte nicht beschreiben, wie ich auf Nexs Aussage reagierte.
Schock?
Wahrscheinlich traf es dies am Besten.
Zumindest starrte ich ihn geschlagene Sekunden an, ohne irgendwie reagieren zu können, bis ich endlich meine Sprache wiederfand.
„Okay...“
Nicht gerade eine sehr ausgefallene Aussage aber immerhin etwas, mit dem Mann anfangen konnte.
„Nio, der Gewinner der Kapitolspiele ist dein Vater?“ Nex nickte, „Und er hasst meinen Vater, weil...?“
„Er ist irre, war es schon immer. Die Spiele haben es eben nur ein wenig gezeigt und selbst da hat er sich noch zurück gehalten. Er brauchte jemanden, den er die Schuld dafür geben konnte, warum also nicht Peeta Mellark und seiner bezaubernden Freundin. Als er an sie nicht mehr ran kam, dachte er sich etwas neues aus.“, erklärte Nex.
„Uns.“, brachte ich leise hervor, „Haymitch und mich.“
Der Gedanke an meinen kleinen Bruder schmerzte mehr, als ich zugeben wollte, in diesem Moment.
Es war ungerecht, wie er gestorben ist, aber nun zu wissen, dass er wegen eines einzigen verrückten Mannes sterben musste, machte es schwer.
„Tut mir Leid.“ Nex Finger berührten meine Wange und ich schaute ihn verwirrt an. Erst jetzt merkte ich, dass eine Träne sich aus meinen Augen gestohlen hatte, die er aufgefangen hatte.
Schnell schaute ich zur Seite und unterdrückte weitere davor, herauszukommen.
„Er hat also Paylor umgebracht?“
„Ziemlich sicher aber wir können es ihn nicht beweisen.“
„Wir?“, fragte ich leise.
„Denkst du ein zwei Jahre altes Baby kann alleine überleben? Als er offiziell starb, war ich gerade einmal ein paar Monate alt. Meine Mutter wollte anscheinend nicht glauben, dass er einfach so gestorben war. Hielt das Kapitol auf Trab, ihn zu suchen, was es schwerer für ihn machte, unentdeckt zu bleiben.“
„Also hat er sie umgebracht.“, vermutete ich.
„Ja.“, seufzte Nex, „Er wollte mich auch umbringen, aber wie gesagt, hat einer seiner Freunde mich gerettet. Er kannte den Plan und hat versucht ihn zu verhindern aber er kam zu spät. Den einzigen den er retten konnte, war mich.“
„Wo habt ihr euch versteckt?“
Die Frage entlockte Nex ein Schmunzeln.
„Glaub mir, Unterirdisch gibt es unter den Kapitol mehr, als das Kapitol weiß, oder mein Vater. Wir hatten immer wieder Rückschläge, besonders als Dess, der Mann der mich gerettet hatte, starb, aber dank seinen Sohnes und anderer Verbündeter haben wir überlebt und langsam alles ausgebaut.“
„Rebellen.“, flüsterte ich, da mich dies alles doch sehr an die Geschichten aus Distrikt Dreizehn erinnerte.
„Ja. Wir warteten darauf, dass Nio seine Züge machte und versuchten sie, dank Spionen, zu vereiteln. Meisten schafften wir es, aber er hat auch seine Anhänger und sie wurden immer mehr. Das hier.“ , er deutete einmal um sich herum, „Hatten wir nicht voraus gesehen.“
„Ohne euch wäre das hier alles schon früher passiert.“, versuchte ich ihn zu ermutigen, während ich seinen Körper musterte.
Die Narben.
Nex Leben bestand nur aus Kampf und Tod. Ständig auf der Flucht, weil einen der eigene Vater töten wollte.
Vielleicht hatte ich ein paar Probleme in meinem Leben gehabt aber damit war es nicht zu vergleichen.
„Und doch haben wir es nicht verhindern können, genau wie was wohl als nächstes passiert.“
„Was passiert als nächstes?“
Die Worte kamen wie von selber aus meinem Mund, auch wenn ich es nicht wirklich wissen wollte.
„Er war und ist größenwahnsinnig.“, erklärte Nex mir nichts Neues, „Eine Weile schien er zufrieden damit zu sein, nur die rechte Hand von Paylor zu sein, aber damit wollte er uns wohl nur ablenken. Vielleicht reichte es ihm wirklich. Ich hab keine Ahnung aber eins steht fest, jetzt will er mehr.“
„Mehr? Das einzige was er nicht hat, ist … Panem... Er will Präsident sein?“
Nex nickte.
„Niemand wird ihn wählen.“, lachte ich auf. Trius war nicht perfekt, aber er war Paylors Sohn und alle liebten ihn.
„Glaub mir, dass ist ihm nur zu bewusst. Deswegen sammelt er seit damals Anhänger und er hat viele. Alle stillschweigend im Kapitol und in den Distrikten, bis er ruft. Und in der Weile...“ Wieder sah er sich vielsagend um.
„Veranstaltete er Spiele für sie?“ Mir wurde fast schlecht bei dem Gedanken.
„Noch nie so ausgefallene wie diese aber ja, scheint so.“, gestand Nex.
Frustriert rieb ich mir über die Augen. Ich war komplett überfordert.
Warum musste dies alles passieren? Warum mir?
Auf einmal gefiel mir der depressive Gedanke, in den Spielen zu sterben, wieder um so besser aber aufgeben war nun mal noch nie meine Art.
„Und was jetzt?“, fragte ich deswegen, um mich abzulenken.
„Jetzt? Jetzt ruhen wir uns aus und versuchen noch weiter hier drinnen zu überleben und beten, dass in der Zeit da draußen nicht die Welt untergeht.“ , schlug Nex vor.
Mein Blick flog automatisch zur Stelle zurück an der Cato lag. Er schlief immer noch tief und fest, genau wie Karlic und Hannah an ihren jeweiligen Stellen.
„Ich kann nicht schlafen.“, gestand ich. „Mir geht zu viel durch den Kopf.“
„Wem nicht von uns. Aber du bist uns keine Hilfe, wenn du dich wegen Müdigkeit nicht konzentrieren kannst.“, erklärte Nex, ganz der Krieger, der er anscheinend war.
Er wartete erst gar nicht auf eine Antwort, sondern drehte sich wieder herum und verschwand im Dämmerlicht.
Im ersten Moment, wusste ich nicht, was ich machen sollte.
War es seine Art, das Gespräch zu beenden? Sollte das bedeuten, ich sollte wieder gehen und ihn in Ruhe lassen?
Wieder schaute ich in Richtung Cato, als ich Nexs Stimme wieder hörte.
„Kommst du?“
Verwirrt schaute ich nun wieder in seine Richtung; konnte ihn aber nicht wirklich sehen.
Ein paar wenige Sekunde wartete ich, doch dann folgte ich seiner Stimme ins Dämmerlicht.
Im ersten Moment konnte ich nur seine Umrisse sehen, ehe sich meine Augen langsam an die Dunkelheit gewöhnten.
Am Boden lag eine Art Isolationsmatte und ein Schlafsack darauf.
„Außer du willst lieber zu ihm zurück?“ Nex Stimme war für seine Verhältnisse fast sanft und ich wusste sofort, dass er Cato meinte. Trotz der Dunkelheit schüttelte ich den Kopf. Ich war mir sicher, dass er es sah, trotzdem ergänzte ich.
„Es ist kompliziert.“
„Du musst nichts erklären. Das ist nur der letzte Schlafsack, den wir haben.“, gestand er und ich konnte sein schmunzeln regelrecht spüren. „Ich versprech auch brav zu sein.“
„Ich tret in der Nacht um mich.“, versuchte ich ebenfalls zu spaßen. Ich tat es nicht oft, aber ich war mir sicher, dass dies bei Nex genauso war und er mich nur ablenken wollte. Also ging ich darauf ein.
„Das nehm ich dann wohl in Kauf. Was wäre das Leben schon ohne ein bisschen Risiko?“
Geschmeidig ging Nex in die Knie und legte sich mit den Rücken an die Wand, worüber ich schmunzeln musste.
Vielleicht war hier alles sicher, aber trotzdem traute er niemanden außer sich selber. Einfach weil er es nicht anders in seinem Leben gelernt zu haben schien.
Trotzdem ließ er mich in seiner eigenen, kleinen, dunklen Ecke schlafen.
Dieser Gedanke war es eigentlich, der mich dazu brachte, ebenfalls auf die Isomatte zu klettern und mich an ihn zu kuscheln.
Sein Körper fühlte sich anders an als Dillians oder Catos. Härter, unnachgiebiger und trotzdem war seine Hand, die mich noch etwas näher zog, damit wir beide komplett zugedeckt waren, unglaublich sanft, fast ängstlich. Als wusste er genau, wie viel Kraft er hatte und wollte damit nicht verletzten.
„Okay so?“
Seine Stimme an meinen Ohr ließ einen Schauder durch meinen Körper gehen und doch war es anders, als bei Cato. Wir waren Verbündete. Er der Anführer, der wusste was wichtig war und nicht seine Ziele aus den Augen verlor. Der mir sein Leben anvertraut hatte.
Mein Körper passte sich meinen jedoch in den ersten Sekunden, nicht wirklich an seinen an. Es war, als wenn er zu Cato zurück wollte und nicht gewillt war, hier hin zu passen.
Doch er gab nach ein paar Minuten nach, passte sich an.
„Schlaf.“, erklärte Nex leise, „Wir werden es brauchen.“
Ich war mir seines Körpers hinter mir nur zu bewusst und auch den Unterschieden.
Seine Hand hing nur locker über meinen Körper, einfach weil sie irgendwo hin musste. Nex drückte mich jedoch nicht an sich, wie Cato. Er lag locker hinter mir, so wie es für ihn am bequemsten war und nicht, wie sein Körper es wollte, damit kein Millimeter zwischen uns passte.
„Kann ich dir vertrauen?“, murmelte ich, ehe ich wusste, das ich es laut aussprechen wollte.
„Kann ich dir vertrauen?“, antwortete er nur leise. „Mein Feind ist mein eigener Vater. Vertrauen ist nicht meine Stärke. Aber er hasst dich wohl genau so wie mich, was uns zu den perfekten Verbündeten macht. Die Frage ist, wie sehr ist dir klar, wie wichtig du bist, damit wir diesen Kampf gewinnen. Also frage ich dich wohl eher, bist du bereit dafür?“
In meinen Kopf schien es, als wenn mein Leben in Schnelldurchlauf vorbeirauschte. Meine Kindheit, das Leben in Distrikt Zwölf, meine Familie, Die Hungerspiele, Dillian, Cato, Gale, die Reise ins Kapitol. Alles.
Ich hatte genug davon. Ich wollte niemanden mehr verlieren. Um das zu verhindern, musste ich aber wohl oder übel kämpfen, ob ich wollte oder nicht.
Nun war ich es, die sich etwas fester an Nex drückte; die Trost suchte. Instinktiv schien er zu verstehen und sein Arm spannte sich beschützend um mich.
Es half, gegen die Angst, die ich verspürte, als ich meine Entscheidung traf.
„Ich bin bereit.“
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Primrue Mellark 2 | Ungewolltes Schicksal
FanfictionTeil 2 (Teil 1 hier: http://www.wattpad.com/story/14799951-primrue-mellark-ungewolltes-erbe) Mein Name ist Primrue Mellark und ich habe meine Spiele gewonnen, doch nicht ohne einen furchbaren Preis dafür zu zahlen. Zurück in meinem Distrikt will ich...