Primrue Mellark 2 | Kapitel 15

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Die Sonne war schon seit einer Weile untergegangen, als wir endlich aus der Wohnung traten. Mein Team hüpfte aufgeregt um mich herum, wodurch ich kaum gemerkt hätte, wie sich ebenfalls die gegenüberliegende Tür öffnete. Dort strömten ebenfalls als erstes drei wirre Gestalten heraus und von hinten hörte man Quintus fast verzweifelt sagen: „Lächeln Cato. Lächeln.“
„Ich geb dir gleich Lächeln.“ Catos knurren ging in dem ganze Geschnatter der beiden Vorbereitungsteams fast komplett unter und doch hörte ich es stechend klar heraus.
Unsere Blicke trafen sich, trotz der Menschen zwischen uns. Es war als würden sie einfach verschwinden und nur noch er war da. Ein Lächeln zauberte sich wie von selber auf mein Gesicht, als ich ihn, mit grimmigen Gesicht, dastehen sah. Sein Haar wirkte sanfter und glänzender als sonst. Der schwarze Anzug und das dazu passende Hemd saßen an ihn wie eine zweite Haut und betonten seine breiten Schultern. Die Knöpfe waren mit Diamanten besetzt und an der rechten Seite zogen sie sich in einer Spur, die vom Muster her meinem ähnelte, von ihnen über das Jackett. 
Er kämpfte sich zu mir durch, wie ich zu ihm. Wir trafen uns irgendwo in der Mitte, immer noch die anderen ignorierend. 
„Du siehst gut aus.“, brachte ich schmunzelnd hervor. 
Cato starrte mich nur weiterhin an. 
„Ist es so schlimm?“, fragte ich besorgt, als er immer noch nicht antwortete. Doch dann bildete sich endlich auch auf seinen Gesicht ein Lächeln.
„Wer hätte gedacht, dass da so eine wunderschöne junge Frau drunter steckt.“
„Ja, ich sollte vielleicht nicht immer durch gefroren und durch genässt vor deiner Tür stehen. Verheulte Augen tragen auch nicht gerade zur Schönheit bei.“, konterte ich frech, wobei ich selber nicht wusste, woher ich den Mut nahm. Mein Herz hatte einen regelrechten Sprung gemacht, als seine Lippen sich endlich zu einen Lächeln verzogen hatten und umso schneller weiter geschlagen, mit jedem seiner Worte. 
„Du siehst immer bezaubernd aus, egal was ist.“ Catos Stimme war mehr ein flüstern, dass ich kaum wahr nahm, wodurch ich mir danach nicht einmal mehr sicher war, ob er es wirklich gesagt hatte. Ich konnte ihn jedoch nicht noch einmal danach fragen, da Effie in dem Moment aus dem Aufzug trat und entzückt aufquitschte.
„Ihr zwei seht ja wundervoll aus. Und so passend zu einander. Perfekt. Caleo und Quintus. Ihr habt euch wieder einmal selber übertroffen.“, lobte sie ausholend alle Anwesenden. Sie hatte für meinen Geschmack eindeutig schon wieder zu gute Laune.
„Unten ist alles schon vorbereitet. Die Diplomaten werden pro Distrikt in den Ballsaal eintreten, damit sie noch einmal öffentlich vorgestellt werden können. Danach kommt der Eröffnungstanz, wo ihr gemeinsam sein werdet und darauf tanzt ihr mit denen die wollen. Ob aus dem Kapitol oder den Distrikten ist vollkommen egal.“, erklärte sie aufgeregt. Ihr Blick fuhr plötzlich zu mir herum, „Und Schatz. Versuch bitte niemanden irgendetwas zu brechen. Egal was jemand sagt, wir antworten höflich und lächelnd, verstanden? Nicht treten, beißen oder zustechen.“
Für wen hielt sie mich eigentlich? Ich war doch keine Wilde! Nur weil ich das ein oder andere mal, auch hier im Kapitol, versucht hatte jemanden zu erstechen, hieß das nicht, dass ich dies immer tat.
Wie so oft an diesen Tag, verkniff ich mir jegliches Kommentar und schluckte meine bissigen Wörter herunter. Ich machte mir eher sorgen darüber, dass ich tanzen sollte. 
Wir wurden aber auch schon zum Aufzug befördert und bevor ich mich versah, waren wir auf dem Weg nach unten.
Alle plapperten aufgeregt durcheinander aber ich hörte sie nur wie aus einer weiten Entfernung. 
Selber war ich nicht wirklich hier.
Ich spürte nur Cato neben mir … 
und auf meiner anderen Seite Haymitch, auch wenn er nicht wirklich da war.
Alles fühlte sich wie damals an, als wir zum Interview nach unten fuhren. Mein Bruder hatte neben mir gestanden und wiedermal den Puffer zwischen mir und Cato gespielt. Dieses mal, war mein ehemaliger Mentor, der einzige Grund, warum ich nicht einfach zusammenbrach.
Die fahrt nach unten schien endlos zu sein und ich atmete erleichtert auf, als der Fahrstuhl endlich mit einen „Bing“ stehen blieb. Die Türen öffneten sich und mein Team strömte nach draußen, gefolgt von Cato. Meine Beine wollten sich jedoch nicht bewegen. 
Cato blieb außerhalb des Fahrstuhls stehen und wartete bis die anderen sich etwas entfernt hatten. Erst dann drehte er sich zu mir um und schaute mich an. 
„Kommst du?“ Seine Stimme war unglaublich sanft. Da war kein Drängen. Kein Druck. Cato streckte die Hand aus. Hielt sie mir als Hilfe hin. Dann wartete er. Wartete, bis ich bereit war, diesen Schritt zu machen. 
Es fühlte sich an, als wäre Haymitch immer noch neben mir. Als würde er versuchen, mir zu helfen. Mir war jedoch klar, dass wenn ich diesen Fahrstuhl verlassen würde, wäre er weg. Für immer. 
Ich atmete tief ein und aus. Erinnerte mich noch einmal an seine letzten Momente in der Arena. An seinen Blick. Er wollte, dass ich lebte und kämpfte. 
Schweren Herzens machte ich die ersten Schritte. Weg von Haymitch, hin zu Cato. Meine Finger glitten in seine und er gab mir den Halt, den ich brauchte um die endgültigen Schritte zu machen. 
„Geht es?“ Catos Stimme war leise. Sie war wieder nur für mich bestimmt. Kurz lehnte ich mich an ihn, um etwas von seiner Stärke zu bekommen.
„Ich bin okay.“, brachte ich leise hervor. Innerlich wünschte ich, dass wir einfach hier stehen bleiben konnten, doch nicht einmal etwas Ruhe war uns gegönnt.
„Navet! Komm sofort zurück!“ Brüllte eine tiefe Stimme durch den Raum und ich schreckte nach oben. Die Stimme klang nicht wütend, eher besorgt und so suchte ich meine Umgebung nach etwas ab, was er suchen konnte. 
Der kleine Junge rannte genau auf uns zu. Der Junge auf Distrikt Zwei.
Cato reagierte schneller als ich und packte das Kind, als es an uns vorbeirauschen wollte. Auch wenn die Füße des Jungen immer noch rannten, hob Cato ihn unbeeindruckt hoch und packte ihn einfach unter seinen Arm. Bei dem Anblick musste ich einfach lachen. 
„Das ist nicht lustig.“, beschwerte sich der Junge in seiner Querlage. Ich beugte mich grinsend zu ihm runter.
„Doch ist es schon.“, schmunzelte ich. Kurz versuchte er sein schmollendes Gesicht beizubehalten, aber dann musste er auch lächeln.
„Vielleicht ein bisschen.“
„Du bist Navet?“, fragte ich, als die Männerstimme wieder den Namen brüllte.
„Wie kommst du denn darauf?“, konterte der kleine Junge, der mir sofort sympathisch wurde. 
Ich zwinkerte ihm kurz zu, bevor ich mich wieder aufrichtete und rief: „Er ist hier drüben.“ 
Es dauerte nicht lange, bis der männliche Diplomat aus Distrikt Zwei mit grimmigen Gesicht auf uns zu kam. 
Wow. Der war wirklich angst einflößend.
Doch Navet schien keine Angst zu haben. Er begann in Catos Armen zu strampeln, woraufhin dieser ihn runter ließ. 
Als der Mann bei uns ankam und den Jungen sah, entspannten sich seine Gesichtszüge schlagartig und wurden fast liebevoll. Fest schloss er Navet kurz in die Arme, bevor er ihn auf Armeslänge von sich schob. 
„Ich hab dir doch gesagt, du sollst nicht weglaufen.“, rügte er leise die Junge. Nichts erinnerte mehr an den autoritären Ton, den er wenige Sekunden zuvor noch angeschlagen hatte.
„Aber hier ist es so langweilig.“
„Wem sagst du das.“ Der Mann lächelte und ich erkannte, von wem der Junge seinen Humor hatte. 
Mein starren schien ihn endlich auch auf uns aufmerksam zu machen, denn er schaute zu mir herauf mit seinen hellblauen Augen, bevor er sich wieder aufrichtete.
„Danke das ihr ihn eingefangen habt.“, bedankte er sich.
„Schon mal an eine Leine gedacht.“, knurrte Cato und ich boxte ihn reflexartig mit dem Ellbogen in die Seite, was ihn nur kurz zusammenzucken ließ. Als er nur noch brav lächelte, wand ich mich an den anderen Diplomaten.
„Kein Problem.“, brachte ich verspätet hervor.
„Ich bin Shade.“, stellte er sich vor und hielt mir seine Hand hin. Schnell griff ich danach. 
„Primrue“, als Cato nicht reagierte, übernahm ich „und das ist Cato.“
„Distrikt Zwölf, ja ich weiß. Ganz schön imposanter Auftritt.“, grinste Shade und ich merkte wie ich rot wurde. 
Gott sei Dank blieben mir weitere Peinlichkeiten erspart, als Shade die Frau aus seinen Distrikt sah und nach ihr rief: „Bryony. Hier drüben. Ich hab ihn.“
Auch über ihr wunderschönes, exotisches Gesicht zog sich eine Spur von Erleichterung, als sie auf uns zukam. 
Ich konnte nicht leugnen, dass ich neidisch auf sie war. Alle Männerblicke schienen ihr zu folgen. Sie hatte eine Eleganz an sich, die mich aussehen ließ, als hätte ich zwei linke Füße. Ihr Körper war dazu perfekt. Ich fühlte mich auf einmal, als würde ich einen Kartoffelsack tragen.
Sie lächelte uns entwaffnend an. Oh ja. Diese Frau war perfekt für den Job. Binnen fünf Minuten würden ihr alle Berater, inklusive Trius, zu Füßen liegen.
„Danke.“, flötete sie zu uns und dieses mal, war es Cato der Antwortete. Mit einem charmanten Lächeln wiederholte er das Gespräch mit ihr welches, ich gerade mit Shade geführt hatte. Ihn so zu sehen, versetzte mir einen Stich und gleichzeitig hätte ich mir am liebsten selber eine Ohrfeige verpasst. Schließlich gehörte er mir nicht.
Shades Blick zu urteilen, gefiel es ihm aber eben so wenig. Unsere Blicke trafen sich wieder und es schien, als würden wir sofort verstehen, was der andere dachte. Zu gleich lächelten wir. Der Mann, höchstens ein oder zwei Jahre älter als Cato, wurde mir immer sympathischer. 
Bevor Bryony und Cato auch noch ihre Schuhgrößen auswechseln konnten, kam Effie und ein anderer Mann, der sich als Betreuer für Distrikt Zwei herausstellte, auf uns zu und erklärten, dass wir uns aufstellen mussten.
Die Aufregung kam zurück und dieses mal war es Navet, der sie mir nahm. 
Vorsichtig zog er an meinen Kleid, damit ich mich zu ihm herunter beugte.
„Reservierst du mir einen Tanz?“, flüsterte er in mein Ohr und alle Aufregung war vergessen.
„Für dich doch immer.“

Primrue Mellark 2 | Ungewolltes SchicksalWo Geschichten leben. Entdecke jetzt