Primrue Mellark 2 | Kapitel 14

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Caleo gab mir keine Zeit um wirklich darüber nachzudenken, was gerade alles hier passierte. Sie nahm einfach meine Hand und schob mich in die rechte Tür herein, wo ich erstaunt stehen blieb. 
Die Wohnung war riesig. Nirgendwo waren Türen zu sehen, dafür ging über die hintere komplette Länge der Wohnung ein Panorama Fenster. Alles war offen gestaltet. Im vorderen Bereich war ein eigener Küchenbereich, während im hinteren der Wohnbereich eingerichtet war. Seitlich von mir, war ein leicht abgegrenztes Zimmer, in dem ein riesiges Bett stand und dahinter, ebenfalls etwas abgegrenzt ein Ankleidungszimmer, aus dem mein Vorbereitungsteam herausgestürmt kam und mich kichernd und kreischend in die Arme schlossen.
Sie schnatterten wild durcheinander und ich sah nur noch blau und grün. Ich hoffte nur das Aeolus seinen Schnabel... ich meinte Mund, weit genug von mir weg hielt. Ein ausgestochenes Auge, war wohl nicht so der Hit.
„Ja jetzt lasst sie halt erst mal ihr neues zuhause betrachten, bevor ihr sie erwürgt.“; rügte Caleo die drei liebevoll. 
Sie ließen mich wieder los und ich schaffte es endlich, auch noch den Rest der Wohnung zu betrachten. Eigentlich war da nicht mehr viel. Nur noch eine verschlossene Tür, die nach Bad nur zu schrie. 
„Schön euch wiederzusehen.“ Ich meinte es sogar ernst. Wenn ich etwas in den vier Monaten am Kapitol vermisst hatten, war es mein verrücktes Stylingteam. Sie waren eindeutig nicht alle ganz richtig im Kopf aber trotzdem liebenswert. Tränen spiegelten sich in ihren Augen, als ich sie nacheinander anschaute.
„Wir dich auch kleines, wir dich auch.“, gab Aeolus zurück und tätschelte meine Schulter. Die Situation wäre eigentlich perfekt gewesen, wenn Gaea in dem Moment nicht entsetzt hinter mir aufgeschrien hätte. Kampfbereit wirbelte ich herum und starrte in ihr goldenes und grünes Auge.
„Was ist?“, fragte ich geschockt.
„Was hast du mit deinen Haaren gemacht?“ Im ersten Moment war ich mir nicht sicher, ob ich die kleine pummelige Frau auch richtig verstanden hatte. Als ich ihren Satz jedoch noch einmal im Kopf durchging, wurde auch nichts besseres daraus. Ich schaute sie nur weiter verwirrt an.
„Meine Haare? Was soll ich damit gemacht haben? Und warum kreischt du deswegen so?“
„Welche Lotion, Spülungen und Kuren hast du verwendet Kind“
„Äh...“, meinte sie diese Frage wirklich ernst? „Keine“
Wieder kreischte sie im gleichen Ton auf und ich schreckte zusammen.
„Beruhige dich Gaea“, sprang Caleo mir zur Hilfe. „Das kriegen wir schon wieder hin.“ 
Das ich fand, dass meine Haare perfekt so aussahen wie sie waren, behielt ich für mich. Genau wie meinen Unmut, dass mich die grüne Frau wegen so etwas sinnlosen erschrocken hatte. Zweimal! 
Wenn das so weiter ging, würde ich noch an einem Herzinfarkt sterben.
„Dann lass uns anfangen Primrue, okay?“, fragte mich Caleo aber ihr Blick sagte mir eindeutig, dass ich nicht wirklich eine Wahl hatte. 
Also ergab ich mich seufzend meinem Schicksal, was die drei Gestalten um mich herum, freudig aufquitschen ließ.
„Wir haben dir ein schönes Schaumbad eingelassen, damit wir dich erst mal richtig einweichen lassen können.“, erklärte Nilus hinter mir freudig. 
Ich war mir nicht so sicher, ob mir der Gedanke genau so gefiel, wie meinem Team, aber ich ließ mich von ihnen ins Bad schieben, wo ich erstaunt stehen blieb. Es war riesig.
In dunklen Stein gehalten, wurde alles nur durch indirektes Licht beleuchtet. Eine riesige Dusche, in die mindestens fünf Menschen passen durften und eine Badewanne, vor der ich befürchtete, dass man da drinnen ertrinken konnte. 
„Ist es nicht traumhaft.“, schwärmte Nilus. Ich beschloss meine Gedanken für mich zu behalten und lächelte nur verkrampft. Natürlich war es schön aber unglaublich unnötig. Ein Viertel davon hätte es auch getan und nicht so viel Material wäre verschwendet wurden. Aber so dachte man wohl nur, wenn man aus einen der Distrikte kam. Im Kapitol galt nun mal: Um so größter, um so besser. 
Ohne auf die Anderen zu achten, zog ich meine Sachen aus. Alle vier hatten mich schon mehr als nur einmal nackt gesehen. Seit meinen letzten Aufenthalt im Kapitol kannte ich, zumindest in dieser Hinsicht, das Wort „Scharm“ nicht mehr. Schnell kletterte ich in die Badewanne und konnte ein aufseufzen nicht unterdrücken, als das warme Wasser um meinen Körper spülte. 
Mein Team gab mir zehn Minuten, für die Entspannung, bevor auch schon der erste nach meinen Füßen griff. Der nächste war in der Weile mit meinen Fingernägel beschäftigt, während Aeolus mir anscheinend sämtliche Haut von den Knochen schruppen wollte. 
Das hatte ich eindeutig nicht vermisst...
Es dauerte Stunden, bis sie endlich wieder von mir abließen. Von dem erholsamen Schaumbad spürte ich zu dieser Zeit überhaupt nichts mehr. Ich hatte aufgegeben zu zählen, wie oft ich mich duschte um irgend welche Gels, Tinkturen und Lotions von meiner Haut und aus meinen Haaren zu spülen. Am Anfang waren sie nur kernig, dann begannen die nächsten unangenehm zu zwicken. Aber am schlimmsten waren die Dinge, die brannten. Mit zusammengebissenen Zähnen, ließ ich es über mich ergehen und war froh, als sie endlich eine Lotion auftrugen, die meine beleidigte Haut kühlte und wieder entspannte.
Natürlich war dies erst der Anfang. 
Wieder einmal trocken gepustet, wurde ich eingecremt und eingepudert. Schließlich durfte man im Kapitol nicht glänzen.
Wieder waren vier Paar Hände an mir an unterschiedlichen Stellen beschäftigt, so dass ich den Überblick verlor, wer wo war. Sie schnatterten alle wild durcheinander aber das störte mich nicht. Im Gegenteil. Endlich war wieder etwas so, wie ich es vom Kapitol kannte. Durch ihr Gerede über die neusten Modetrends konnte ich mich entspannt zurück lehnen. Vielleicht war ich auch kurz eingeschlafen, denn als ich die Augen wieder öffnete, lächelte Caleo und ihr Team mich an. Ich konnte es gerade so verhindern aufzuschreien.
„Perfekt.“, kommentierte meine Stylistin und ihre Anhänger nickten eifrig.
„Darf ich auch sehen?“, fragte ich vorsichtig. Caleo gab mir einen Spiegel und ich erkannte das Mädchen darin kaum mehr wieder. Nichts war mehr zu sehen, von der anstrengenden Nacht geschweige denn, dem halben Nervenzusammenbruch, den ich dabei erlitten hatte.
Sie hatte das Make up wie immer dezent gehalten. Nur die Augen waren leicht rauchig geschminkt, was das blau, nur um so mehr betonte. Meine Lippen glänzten nur durch einen durchsichtigen Gloss, damit sie nicht von den Augen ablenkten. Die Katastrophe, laut Gaea, die ich meine Haare nannte, hingen in weichen Wellen über meine Schultern und glänzten bei jeder Bewegung. Jedes Haar wusste anscheinend auf einmal wo es zu stehen hatte. Keines lugte frech aus der Reihe.
„Ich würde behaupten, ich sehe wieder wie ein Mensch aus.“; beurteilte ich das Werk.
„Na dann las uns dich auch noch wie einen anziehen.“, konterte Caleo scherzhaft. 
Schweigend folgte ich ihr ins Ankleidungszimmer und stellte keine Fragen. Ich wusste, dass das Kleid wunderschön sein würde. So war es immer gewesen.
Natürlich enttäuschte sie mich auch dieses mal nicht, als sie einen schwarzen Traum aus Stoff und Diamanten hervorholte. 
Das Schulterfreie schwarze Kleid war an sich, bis auf den Schlitz an der linken Seite, der das komplette Bein frei ließ, nichts spektakuläres. Aber es war über der Brust über und über mit Diamanten besetzt, die sich in einem Muster, bis zum Bauch zogen und elegant den Schlitz betonten. Im unteren, weich fallenden Bereich des Kleides, waren die Diamanten Einzeln verteilt, so dass es wie ein wolkenfreier Sternenhimmel wirkte.
Silberne Schuhe und dezenter passender Schmuck, rundeten alles ab. 
Ich stand vor dem Spiegel im Zimmer und war wie immer sprachlos als ich das Gesamtwerk sah. Dies war nicht mehr ich. Dies war nicht, dass kleine Mädchen, was Angst vor Stürmen hatte und kaum mehr wusste, wie sie ihr Leben nach den Spielen regeln sollte. Die sich am liebsten in irgend ein Loch verkrochen hätte und nie wieder dort herauskommen wollte. Deren Gefühle so verrückt spielten, dass sie sie manchmal selbst ängstigten. 
Nein. Das hier war eine junge Frau, die wusste was sie wollte und die sich von niemanden einschüchtern lassen würde. Selbst wenn diese Person, der Präsident von ganz Panem persönlich war. 
Dies war das Mädchen, welches vor vier Monaten auf der Bühne stand und Paylor ihre Meinung sagte. Die sich für die Distrikte und ihre Menschen einsetzte und nicht zu lassen würde, das so etwas, wie vor vier Monaten, noch einmal passieren würde.
Ein sanftes Lächeln, spielte um die Gesichtszüge meines Spiegelbildes, als Caleo ebenfalls an mich herantrat. Im Spiegel trafen sich unsere Blicke und auch sie lächelte, als sie sanft erklärte: „Da ist ja wieder meine mutige und stolze Prinzessin der Nacht.“

Primrue Mellark 2 | Ungewolltes SchicksalWo Geschichten leben. Entdecke jetzt