Primrue Mellark 2 | Kapitel 5

1.6K 127 16
                                    

Ich stand immer noch wie angewurzelt auf ein und derselben Stelle. Zerquetschte Catos Finger, während ich krampfhaft versuchte, einen Ausweg zu finden. Konnte ich vielleicht einfach weglaufen? Würde mich jemand aufhalten?

Verdammt nochmal ich hatte das doch nur aus Wut gesagt und nur weil es auch das Richtige war, musste er ja nicht gleich mich als Diplomatin wollen! Besonders mich. Ich und Diplomatie? Ich trat doch jetzt schon in jedes Fettnäpfchen, was man mir vor die Füße legte! Und war es wirklich nötig, dass ganze fast wie eine Ernte und die Spiele aufzuziehen? Wer kam denn auf diese hirnrissige Idee?

Meine Gefühle spielten regelrecht verrückt. Wut, Angst und Verzweiflung kämpften mit einander, um die Vorherrschaft aber keiner konnte wirklich gewinnen.

„Primrue Schatz? Komm doch bitte vor damit dich alle sehen.“ Effies Stimme klang wie immer wie ein aufgesetzter, lieblicher Singsang. Selbst nach all den Jahren, konnte sie es einfach nicht abschaffen. Erst vor wenigen Monaten hatte sie mit genau der gleichen Stimme zu mir und meinen Bruder geredet und jetzt stand sie da oben, als wäre es nie passiert. Ich wusste, dass Effie ebenfalls unter den alten Präsidenten gelitten hatte. Fast alle hatten zumindest in ständiger Angst gelebt, irgendetwas falsch zu machen und dadurch bestraft zu werden. Ihre Art damit umzugehen, war es eben es zu überspielen. Ob sie auch nachts von Alpträumen heimgesucht wurde und schreiend aufwachte? Mein Blick fiel auf ihre gestelltes Lächeln und ich bezweifelte es. 

„Primrue?“, fragte sie noch einmal und die ersten Köpfe drehten sich zu mir herum. Schüchtern, manche ängstlich. Sie wussten nicht, wie ich darauf reagieren würde. Immerhin war ich also nicht allein mit dem Problem.

„Schatz...“, begann mein Vater neben mir.

„Schon okay.“, unterbrach ich ihn. Ich wandte meinen Blick zu ihm und unsere Augen trafen sich. Er sah genau so besorgt aus, wie ich mich fühlte. 

„Ich schaff das schon.“, erklärte ich sanft lächelnd, auch wenn ich innerlich mich hysterisch selbst auslachte. Genau. Du schaffst das. Alleine ins Kapitol gehen, um Diplomatien für einen Präsidenten zu spielen, der anscheinend seinen Beratern hörig war... na wunderbar.

Cato drückte kurz sanft meine Hand, bevor er sie losließ. Seine rechte Hand löste sich ebenfalls von meiner Schulter. Ohne ihn anzusehen, wusste ich, dass dies ein Zeichen für mich war, hinzugehen, wo ich wollte. Wenn ich lieber wegrannte, würde er mich nicht Aufhalten. 

Konnte ich das aber wirklich? Würde es Konsequenzen für den Distrikt geben, wenn ich einfach weglief oder ablehnte? Hätte ich überhaupt die Möglichkeit abzulehnen? Die Gewissenheit mit der Effie meinen Namen ausgesprochen hatte, schien „nein“ zu sagen. 

Vorsichtig machte ich meinen ersten Schritt nach vorne. Weg von der Sicherheit und Wärme meines ehemaligen Mentors. 

Ein zweiter Schritt folgte.

Ein Dritter.

„Da ist sie ja.“ Effies Stimme klingelte laut in meinen Ohren. Nun drehte sich wirklich der gesamte Distrikt zu mir und ich spürte wie alle Kameras auf mich gerichtet waren. 

Wie sollte ich das überleben?

War das die Strafe dafür, dass ich mich gegen die Regierung aufgelehnt hatte?

Ich wollte meinen Fuß zwingen einen weiteren Schritt nach vorne zu gehen, doch alles in mir weigerte sich dagegen. Das zittern begann wieder stärker zu werden, genau wie die Last auf meiner Brust zurück kam. Am liebsten hätte ich mich umgedreht und wäre zurück zu Cato gerannt. Alles in mir wollte sich an seine starke Brust werfen, sich in seiner sicheren Umarmung verstecken. Tränen verschleierten mir die Sicht und ich kämpfte angestrengt gegen sie an.

Primrue Mellark 2 | Ungewolltes SchicksalWo Geschichten leben. Entdecke jetzt