Ich fühlte mich wie in einem Traum.
Die Menschenmengen standen wieder am Bahnhof. Genau wie vor wenigen Monaten, warteten sie jubelnd und erwartungsvoll, um uns zu sehen.
Krampfhaft hielt ich mich an Catos Fingern fest und versuchte mich darauf zu konzentrieren, bei ihm zu bleiben.
Erleichtert fiel ich in den Sitz des Autos und atmete langsam ein und aus, als wir losfuhren.
„Das waren aber viele.“ Ich hatte Effie noch nie so glücklich und strahlend gesehen. Am liebsten hätte ich ihr das Lächeln aus dem Gesicht geschlagen, aber ich fühlte mich zu erschlagen. Die wenigen Meter vom Zug, bis zu dem Auto hatte mir sämtliche Kraft gekostet, die ich davor mühsam aufgebaut hatte.
Ich lehnte meine Stirn gegen das kühle Glas und schloss die Augen, um die Welt vor der Scheibe nicht sehen zu können. Nur noch auf mich und meine Atmung konzentriert blendete ich alles anderen aus. Nichts zählte mehr. Nur noch der Sauerstoff, der durch meinen Körper pumpte und alles am Laufen hielt. Nichts hören. Nichts sehen. Ich wünschte ,es konnte ewig so sein.
Natürlich wurde mir dieser Wunsch nicht erfüllt.
Viel zu schnell spürte ich Catos schwere Hand auf meiner Schulter.
„Wir sind da.“, erklärte er leise. Am liebsten hätte ich geschrien, dass ich nicht da sein wollte. Das ich einfach nur hier sitzen und nie wieder aufstehen wollte. Aber das wäre unfair gewesen. Cato konnte genau so wenig für unsere Situation, wie ich.
Also zwang ich meine Augen dazu, sich zu öffnen. Sich wieder der grausamen Welt, die vor dem Glas tobte, zu stellen.
Wir standen vor dem Trainingscenter
…
Das war nicht wirklich ihr ernst?!
Wutentbrannt sprang ich nach draußen und hätte Effie erwürgt, wenn mich Cato nicht gepackt hätte. Gefangen von seinen starken Armen blieb mir nichts anderes übrig, als wie eine Furie um mich zu treten.
„Wollt ihr mich unnötig quälen ihr verdammten Sadisten?“, schrie ich Effie aus nicht mal zwei Meter Entfernung an. Wenn Cato nur etwas lockerer lassen würde, könnte ich sie mit meinen Füßen sogar erreichen.
Ihr ängstlicher Blick war nur ein Tropfen auf den heißen Stein, der meine Wut darstellte.
„Kind was ist denn in dich gefahren?“, fragte sie mit blassen Gesicht.
„Was in mich gefahren ist? Fragst du das wirklich? Das Trainingscenter? Warum hasst du mich so Effie?“
„Na na na. Jetzt beruhige dich mal wieder.“ Eine weitere Stimme gesellte sich dazu. Sie kam mir bekannt vor aber im ersten Moment, von meinem Zorn geblendet, konnte ich sie nicht einordnen. „Effie kann genau so wenig dafür wie du oder ich. Du kannst dich ja bei Trius beschweren aber erst mal hätte ich gerne eine Umarmung.“
Mein Blick fiel auf die Person, die zu mir sprach. Groß, dunkle Haut, Langes Feuerrotes Haar in verschiedenen Nuancen und Augen, die wirkten als würden sie wie Glut glühen.
Caleo.
Meine Wut verpuffte regelrecht beim Anblick ihres Lächelns. Tränen stiegen mir in die Augen und zum ersten mal seit langen, waren es keine der Trauer oder Wut, sondern einfach Freude
„Caleo.“ Es war nur ein Flüstern welches über meine Lippen kam aber sie hörte es und lächelte sanft.
„Denkst du ich würde die Party hier verpassen und einen anderen an mein Meisterwerk ran lassen? Nur ich style Primrue Mellark.“
Sowie Catos Arme lockerer ließen, rannte ich zu der großen Frau und sprang ihr in die Arme.
„Die anderen?“, fragte ich atemlos nach ein paar Sekunden in denen sie sich nur lachend mit mir im Kreis gedreht hatten.
„Du meinst Aeolus, Gaea und Nilus? Natürlich sind sie da. Sie warten oben auf dich, genau wie Quintus und sein Team auf unseren ehemaligen Distriktmentor hier.“ Sie ignorierte gekonnt Catos Hustenanfall, „Ich dachte mir aber schon, dass du nicht so begeistert sein würdest von deinem neuen Quartier. Deswegen wollte ich dich lieber gleich hier unten empfangen.“ Ihr Blick huschte zu Effie die immer noch einige Nuancen weißer war, als normal, „War anscheinend eine weiße Idee. Dein Temperament scheinst du in den vier Monaten zumindest nicht verloren zu haben.“
Caleos Lächeln war ansteckend. Auch wenn ich es nicht erwidern konnte, fühlte ich mich zumindest nicht mehr ganz so verloren in dieser neuen Situation.
„Und jetzt lasst uns nach oben gehen und anfangen. Du wirst es lieben, ich verspreche es dir.“, versprach meine Stylistin. Sie drückte mich noch einmal kurz an sich, bevor sie wieder auf das Gebäude zu marschierte. Ehe ich ihr folgen konnte, stand aber auch schon Effie vor mir.
„Manieren!“, beschwerte sie sich und stolzierte ebenfalls davon.
Ich blieb verwirrt zurück, bis Cato neben mich trat. Kurz starrten wir beide auf das Gebäude, in dem wir uns an sich kennengelernt hatten. Er hatte am ersten Abend ein Messer auf mich und meinen Bruder geworfen. Ich wollte ihm, im Gegenzug, dafür am selbigen Tag erstechen. Man kann nicht sagen, dass wir einen guten Start hatten.
Cato brach zu erst die Stille.
„Du denkst doch nicht wirklich, dass sie diesen Verrückten und sein Team auf mich loslassen oder?“
„Quintus? Er ist nicht... nun ja... zumindest ist er nicht gefährlich.“, versuchte ich ihn zu beruhigen. Cato schien nicht sehr überzeugt.
„Keine Angst großer Mann.“ Ich konnte mir ein schmunzeln nicht verkneifen, als ich losging und ihn stehen ließ, „Ich beschütze dich schon vor ihm.“Die Fahrt mit dem Aufzug brachten wir schweigend hinter uns. Ich wusste nicht wie ich darauf reagieren sollte, wieder in diese Räumlichkeiten zu treten. Das letzte mal als ich hier war, war Haymitch noch bei mir gewesen. Damals war ich sicher wenige Wochen später tot zu sein und er wieder zu hause im Distrikt. Nichts war so gekommen wie ich gedacht hatte.
Ich schaffte es nur aufrecht stehen zu bleiben, nur weil Cato an meiner einen, und Caleo an meiner anderen Seite war. Natürlich wollte ich es nicht zu geben, aber der Gedanke wieder im gleichen Bett schlafen zu müssen, wie vor vier Monaten sorgte dafür, dass ich am liebsten kreischend Zusammengebrochen wäre.
Als die Nummern der Zwölf jedoch immer näher kamen, verspürte ich eine tiefe Unruhe. Es war nicht genug Platz, um auf und ab zu gehen, also tat ich das einzige was mir einfiel.
Ich griff nach Catos Hand.
Wie immer ergriff er sofort meine Finger, so wie er sie an meinen spürte. Wir schauten uns nicht an und sagten auch nichts. Aber diese kleine Nähe, die er noch etwas vertiefte, in dem er unauffällig noch ein paar Millimeter an mich heran rutschte, so das unsere Arme sich komplett berührten, war alles was ich brauchte, um mit hoch erhobenen Kopf dazustehen, als die Aufzugtüren aufgingen.
Damit ich gleich mit offenen Mund stehen bleiben konnte.
„Ich hab dir doch gesagt, dass es dir gefallen wird.“, kicherte Caleo neben mir. Ihr Blick blieb kurz an meinen mit Catos, verschränkten Fingern hängen. Dies ebenfalls ignorierend trat sie an Effie vorbei und sagte noch einmal lauter: „Hab doch gesagt, dass es ihr gefallen wird.“
An sich war noch nicht wirklich viel da, was uns gefallen konnte, was an sich das schönste war, was mir jemals passieren konnte.
Wir standen nicht, wie vor vier Monaten noch, gleich im Wohnbereich unserer Etage, sondern vor uns erstreckte sich einfach nur ein langer Gang, an dessen Ende ein riesiges Fenster war.
Auf jeder Seite des Korridors, ging nur jeweils eine Tür ab. Der Gang war, anders als für das Kapitol übrig, aus Holzmaterial gefertigt und erinnerte somit eher an die Distrikte. Ein einzelnes weißes Sofa stand im Flur, sonst nichts.
„Na jetzt kommt schon, oder seit ihr beide erstarrt?“, riss Caleo mich aus meiner Begutachtung. Cato neben mir schien genau so Buff und beurteilte das Ganze einfach nur mit einen Schulterzucken.
„Die Etagen wurden in zwei Wohnungen aufgeteilt.“, erklärte derweil Effie voller entzücken. „Somit hat jeder von euch, seinen eigenen Rückzugsort aber alle anderen Diplomaten sind auch in der Nähe, wenn etwas sein sollte. So lernt ihr euch alle einfach schneller kennen. Da wo die Trainingshalle war, ist an sich ein Fitnessbereich. Dort könnt ihr trainieren, kämpfen, schwimmen. Eben was man auch immer so macht, um überschüssige Energie abzubauen. Wir sind uns klar, dass keiner von euch bis jetzt einen Beruf hatte, der erforderte, dass man still sitzt. Deswegen diese kleine Annehmlichkeit als Zeitvertreib.“
Ich verkniff mir ihr zu sagen, dass unsere Betätigungen meistens eher daraus bestanden, unter lebensfeindlichen Bedienungen Materialien für ihr schönes Kapitol heranzuschaffen. Natürlich waren die Sicherheitsvorkehrungen erheblich erhöht bzw. in manchen Distrikten überhaupt erst eingeführt wurden, aber das hieß nicht, dass alle Arbeiten ungefährlich waren.
„Nun. Ich werde mit den anderen Betreuern alles weitere wegen des heutigen Ablaufes besprechen gehen. In der weile könnt ihr euch ja schon einmal etwas einleben.“, verabschiedete sich Effie und ließ uns mit Caleo allein zurück.
Uns blieb jedoch keine Zeit um zu verschnaufen, da in dem Moment auch schon die linke der beiden Türen aufging und Quintus herausgestürmt kam.
Aufquitschend kam er auf mich zugelaufen und nahm mich fest in den Arm. Ich erwiderte die Umarmung, auch wenn es etwas schmerzhaft war, denn ehemaligen Stylisten meines Bruders wiederzusehen. Jedoch konnte Quintus nichts dafür, das Haymitch gestorben war und ich wusste, dass er immer gut zu ihm gewesen war.
Er wand sich an Cato und schaute ihn mit einem schiefen Lächeln an.
„Da ist ja unser Goldstück. Na dann komm mal gleich mit. Erstens, deine Wohnung wartet auf dich und zweitens, dein Team.“
Meinen ehemaligen Mentor blieb nicht viel anderes übrig, als Quintus zu folgen, da er den Stylisten schlecht verprügeln konnte.
Bevor sie jedoch in der Tür verschwanden, wand Cato sich an mich und spaßte: „Wolltest du mich nicht beschützen oder so was in der Art?“
„Das schaffst du schon Cato.“, mischte sich Caleo grinsend ein, „Schließlich bist du doch ein großer Junge.“
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Primrue Mellark 2 | Ungewolltes Schicksal
FanfictionTeil 2 (Teil 1 hier: http://www.wattpad.com/story/14799951-primrue-mellark-ungewolltes-erbe) Mein Name ist Primrue Mellark und ich habe meine Spiele gewonnen, doch nicht ohne einen furchbaren Preis dafür zu zahlen. Zurück in meinem Distrikt will ich...