Primrue Mellark 2 | Kapitel 24

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Keiner im Raum traute sich etwas zu sagen.
Jeder schien auf Finns Reaktion zu warten. 
Angespannt, war gar kein Ausdruck für Bryonys Gesichtsausdruck und Shade schien es auch nur gerade so noch auszuhalten, nicht irgendetwas zu zerschlagen.
„O...kay...“ Catos Stimme war leise hinter mir und doch schien es für mich so laut wie ein Kanonenschlag zu sein. Hilfesuchend schaute ich ihn an, da ich nicht wusste, ob ich etwas tun sollte und wenn ja, was. 
Kurz erwiderte er meinen Blick, bevor er mit seinen Augen weiter wanderte. Ich folgte ihnen und sah, dass er auf den kleinen Navet schaute, der immer noch unbeeindruckt fernsehen schaute. 
Lange würde es nicht mehr dauern, bis er mitbekam, dass etwas nicht stimmte und die drei anderen hatten definitiv Gesprächsbedarf. 
Deswegen schlich ich in seine Richtung und kniete mich neben ihm. Im ersten Moment schien er mich immer noch nicht zu bemerken und ich war wieder einmal fasziniert wie sehr Kinder in ihrer eigenen Traumwelt verschwinden konnten.
„Navet“, gab ich leise und vorsichtig von mir. Endlich schaute der Junge mich an und ein Lächeln erstrahlte auf seinen Gesicht.
„Primrue!“, rief er laut aus und ich zuckte dabei regelrecht zusammen. Während er sich um meinen Hals warf, horchte ich auf eventuelle Kampfgeräusche hinter mir. Nicht das Shade und Finn, Navets Aufschrei, als Grund nahmen, um sich aufeinander zu stürzen.
Da es ruhig blieb, löste ich die kleinen Ärmchen von meinen Nacken und lächelte ihn zurück an.
„Wie wäre es, willst du ein Eisessen gehen unten in der Cafeteria?“, fragte ich. Sein Kopf hüpfte erfreut auf und ab und ich musste mir ein Lachen verkneifen.
„Kommt Onkel Cato auch mit?“ Wieder schaffte ich es nur gerade so nicht aufzulachen. Ich traute mich nicht einmal zu Cato umzudrehen, um festzustellen, was er von seinen neuem Beinamen hielt.
„Ja, er kommt auch mit.“, brummte der angesprochene hinter mir. 
Breit Lächelnd nahm der kleine Junge meine Hand und gemeinsam standen wir auf. 
Mein Blick huschte zu den drei Streithähnen, die sich noch keinen Millimeter verändert hatten. Nur Bryony schaute zu uns, während Finn so aussah, als würde er gleich in Ohnmacht fallen und Shade, als würde er nur darauf warten, damit er dafür sorgen konnte, dass der andere Mann dabei auch ja sich dabei kräftig den Kopf anschlug.
Die Frau aus Distrikt Zwei lächelte ihren Sohn kurz an, bevor sie mir zunickte und mit den Lippen „Danke“ formte. 
„Na komm kleiner Mann. Sonst läuft das Eis weg.“, lenkte Cato die Aufmerksamkeit von Navet auf sich. Ohne weitere Anstrengungen hob er den Jungen hoch und setzte ihn sich auf seine Schultern, wo Navet sich lachend festhielt. Mein ehemaliger Mentor schaute keinen der Anderen an, als er mit dem Kind einfach nach draußen marschierte, und mich damit regelrecht zwang ihm zu folgen. 
Mit dem Aufzug fuhren wir nach unten in die Cafeteria. Wenn ich bedachte, dass hier einst der Speisesaal für die Tribute in der Mittagspause war, lief mir ein kalter Schauer über den Rücken. Für Navet machte ich jedoch gute Miene zum bösen Spiel. Zwischen uns, jeweils eine Hand mit den Fingern von mir bzw. Cato verschränkt, laufend, hörte er gar nicht mehr auf zu reden.
Gott sei Dank war nicht viel los, wodurch niemanden der kleine Junge auf die Nerven gehen konnte und er freie Tischwahl hatte. Nachdem er sich nach gefühlten Stunden endlich einen ausgesucht hatte, erbarmte Cato sich, das Eis zu besorgen. Ich vermutete, dass er bereits eine Auszeit von dem quirligen Jungen brauchte und versuchte mir meinen ehemaligen Mentor, als Vater vorzustellen.
„Warum lächelst du?“, riss Navet mich aus meinen Gedanken und ich spürte regelrecht wie ich rot wurde. „Du bist hübsch, wenn du lächelst?“
„Flirtest du schon wieder kleiner Mann?“ Ich schaute auf und suchte den Besitzer der Stimme. Der Diplomat aus Distrikt Drei wuschelte dem Jungen gerade durch die Haare, als er mich anschaute.
„Hallo Primrue. Wollte dich nicht erschrecken.“
„Hallo“, kurz musste ich überlegen, wie er gleich noch hieß, „Aaron. Du hast mich nicht erschreckt.“ 
Er grinste und setzte sich neben Navet mir gegenüber. 
„Ja dafür bin ich wohl kaum die richtige Erscheinung. Was macht ihr zwei hier?“
„Onkel Cato holt Eis!“, antwortete der Junge schneller als ich konnte.
„Onkel Cato?“, Aarons linke Augenbraue ging nach oben, als er mich anblickte. „Aha“
„Du kennst Navet schon länger?“, versuchte ich das Thema zu wechseln.
„Jap.“, ging Aaron darauf ein, „Ich kannte Bryony, noch aus ihrer Zeit in Distrikt Vier. Meine Mutter kam von dort, also haben wir oft meine Großeltern besucht.“
„Dann kennst du also auch Finn?“
„Wer kennt ihn nicht?“ Wieder wurde sein grinsen breiter, doch ich stimmte nicht ein. Er brauchte ein paar Sekunden, doch wie ich mir schon gedacht hatte, war er ein schlauer Junge und zählte eins und eins zusammen. Sein lächeln verschwand.
„Und du und Cato seit mit Navet hier unten, weil Finn gerade bei Bryony ist.“, stellte er fest.
„Du hast es also gewusst?“ Mein Blick viel dabei auf den Jungen, da ich nicht sagen konnte, wie viel er wusste. War ihm bewusst, dass sein Vater nicht Shade war? Wenn ich mich zurück erinnerte, hatte er ihn nie Dad oder ähnliches in meiner Gegenwart genannt, aber das konnte auch Zufall sein.
„Was soll ich sagen“, druckste Aaron herum, „aber Bryony ist ein gutes Herz. Sie wollte Finn nicht belasten. Lange Geschichte. Sie wusste, dass er seine Mutter nicht im Stich lassen würde und es hätte sein Leben nur noch härter gemacht, wenn er wusste, dass er ein Kind bekommt.“ 
„Und Shade?“, fragte ich weiter und erinnerte mich an den Blick von dem Diplomaten von Distrikt Zwei. Er liebte Bryony, dass sah man ihm an. 
Aaron seufzte.
„Shade ist der dritte tragische im Bunde. Er scheint Bryony wirklich zu lieben. Als sie nach Distrikt Zwei kam, nahm er sie bei sich auf. Alle waren sicher, dass es sein Kind war, also fragte niemand nach und die Beiden haben auch nie etwas anderes behauptet. Aber er weiß genau so gut wie ich, dass Bryonys Herz nie aufgehört hat für Finn zu schlagen.“
Meine Aufmerksamkeit viel auf Cato, der in dem Moment, mit zwei riesigen Eisbechern kam, die Navets Augen leuchten lies. Schelmisch grinste er dem kleinen Jungen zu und ich fragte mich wieder einmal, was ich eigentlich fühlte. 
Eins stand fest. Ohne Cato konnte ich nicht mehr existieren. Ohne ihm, war ich einfach nur noch eine leere Hülle, die nicht akzeptierte tot zu sein. Erst mein ehemaliger Mentor hatte mir wieder leben eingehaucht. Hatte mir einen Grund zum weiterleben gegeben. 
Konnte ich irgendwann jedoch Dillian vergessen. Er war der erste Mensch, bei dem ich mich besonders gefühlt hatte. Sein Leben hatte er geopfert, damit ich nachhause konnte. Durfte ich ihn überhaupt vergessen?
„Und deswegen bleibe ich bei meinen Computern.“, hole mich Aaron ein weiteres mal aus meinen Überlegungen. Sein Blick bohrte sich in meinen und ich hatte das Gefühl, dass er mehr über meine inneren Konflikte wusste, als ich selber. „Sie sind loyal aber verlangen keine Liebe. Mann kann sich nicht in etwas verlieben, was nicht lebt. Mit Menschen jedoch“,er seufzte theatralisch, „immer nur ärger und am Ende hat jemand ein gebrochenes Herz.“ Sein Blick huschte zu Cato, der nun fast da war. 
„Ich bin dann mal weg und lass euch allein.“ , gab Aaron von sich und erhob sie gerade, als mein ehemaliger Mentor wieder da war.
„Alles okay?“, fragte dieser argwöhnisch während er den anderen Mann hinter her sah.
„Ja, alles bestens.“, log ich. Natürlich merkte er es, aber Navet forderte seine Aufmerksamkeit bzw. besser gesagt, das Eis in seiner Hand. Während der Junge um den zweiten Eisbecher, den Cato anscheinend für uns mitgebracht hatte, verhandelte starrte ich in die Richtung in die Aaron verschwunden war.

Primrue Mellark 2 | Ungewolltes SchicksalWo Geschichten leben. Entdecke jetzt