Primrue Mellark 2 | Kapitel 19

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Natürlich konnte ich die ganze Nacht kein Auge zu machen. Ich wälzte mich in den großen Bett hin und her und dachte daran, wie ich das letzte mal in so etwas gelegen war. Damals war mein kleiner Bruder noch an mich gekuschelt gewesen. Hatte mir Vertraut, dass alles irgendwie gut werden konnte. 
Frustriert schlug ich die Augen auf und schaute zu Caleo auf, die am Fussende meines Bettes mit verschränkten Armen stand. Ich hatte nicht einmal gehört, wie sie herein gekommen war. Eindeutig musste ich noch herausfinden, wie ich meine Wohnung abschließen konnte. Bei meinem Anblick zuckte ihre rechte Augenbraue nach oben.
„Du bist nackt.“, stellte sie trocken fest.
„Und du angezogen.“, gab ich zu bedenken.
„Da ist aber jemand ein Morgenmuffel.“, grinste sie und ich ließ mich zurück in meine Kissen fallen. 
„Was willst du?“, fragte ich genervt.
„Dich fertig machen, für die erste Ratssitzung.“
„Ich denke, dass ich es gerade noch so schaffe, mich selber anzuziehen.“, murmelte ich aus meinem Bett heraus.
„Wenn es damit auch schon geschafft wäre.“, erklärte meine Stylistin, „Schließlich müssen wir dich herrichten, damit du auffällst.“
„Warum das?“ Ich schaffte es gerade so meinen Kopf zu heben.
„Weil wir hier nun mal nicht in Distrikt Zwölf sind, sonder im Kapitol. So ist das hier nun mal.“, konterte Caleo und schrie nach ihrem Team, wodurch ich nur schmerzhaft das Gesicht verzog. 
„Ach du Schreck, wie siehst du denn aus.“, begrüßte mich Gaea charmant wie immer. Nur das es dafür wirklich noch zu früh war.
„Nicht heute Gaea, nicht heute.“, warnte ich sie knurrend und die kleine rundliche Frau schreckte zurück. 
Anscheinend wirkte mein wütender Blick wunder, denn zum ersten mal konnte ich, umhüllt von einem schweigenden Vorbereitungsteam, duschen und eingecremt werden. 
Als wenn damit das Schlimmste nicht schon geschafft wäre, stand Caleo jedoch schon mit einen kompletten Kleiderständer im Wohnbereich, als ich aus dem Bad kam.
„Dann schauen wir mal, welches am Besten aussieht.“, freute sie sich meiner Meinung nach viel zu viel.
Die nächste Stunde bestand daraus, das ich von links, nach rechts vor ihr, hin und her lief, und alle möglichen Kleider an hatte. Keines schien es ihr wirklich Recht zu machen und bei dem Gedanken, dass mich das jetzt jeden morgen erwartete, hätte ich mich am liebsten wieder in meiner Bettdecke verkrochen.
Natürlich hatte mein Team aber keinen erbarmen mit mir. Nachdem ich keine Ahnung wie viele Kleider an hatte, entschied Caleo sich für ein langes schwarzes, welches dem Kleid vom Abend zu vor sehr ähnelte. Anstatt der Diamanten, die den Sternenhimmel darstellten, waren sie hier nur in die linke Seite eingenäht und ergaben zusammen eine Blumen ranke. Dazu war es noch keines der Outfits, die ich zuvor an versucht hatte und ich fragte mich ob meine Stylisten mich mit Absicht schon vorher wütend machen wollte.
Zumindest war ich schon mehr als genervt, als wir uns endlich zum gehen bereit machten. Zu allem Übel, ging Catos Tür genau im gleichen Moment auf und er kam, gefolgt von seinem Team uns entgegen. 
Unsere Blicke trafen sich und auch wenn ich die Schuld, die ihn quälte, regelrecht in seinen Augen sehen konnte, so konnte ich doch nicht stand halten. Die Worte, so leichtsinnig am Abend ausgesprochen, kamen mir wieder in den Kopf und Tränen wollten sich in meinen Augen bilden. Wütend blinzelte ich sie weg und versuchte mich auf dieses neue Gefühl zu konzentrieren. Zorn und Frust vermischten sich mit Scham und ließen mich den Blick senken, bevor ich Richtung Aufzug ging. Cato folgte mir und blieb kurz hinter mir stehen, wie ich in der Spiegelung der Fahrstuhltüren, die sich noch nicht geöffnet hatten, sehen konnte. Vielleicht war er mir gerade nah aber er fühlte sich so weit entfernt, wie noch nie in meinem Leben. Selbst als ich noch fürchtete, dass mein Mentor versuchen würde, mich und meinen Bruder noch vor der Arena zu töten, schien er mir näher zu sein, als jetzt. Damals hatte ich zumindest seine Wut verstanden und konnte sie einschätzen. 
Tief einatmend trat ich in den Aufzug, als er endlich da war und stellte mich in die Ecke, ohne jemand bestimmten anzusehen. Ich war froh, dass unsere Teams auch mit nach unten fahren, wodurch ich nicht mit ihm alleine sein musste. Trotzdem konnte man die Spannung in der Luft spüren. Es schien fast, als könnte man sie zerreißen, wenn man sich nur falsch bewegen würde. 
Erst als wir unten ankamen und die Türen wieder aufgingen, schien es wieder besser zu werden und jeder von unserem Team atmete unauffällig auf. 
Effie erwartete uns und half mit ihrem Geplappere zumindest das Schweigen zu unterbrechen. Auf der Fahrt zum Ratsgebäude versuchte sie uns, ihrer Meinung nach, Dinge beizubringen, die wichtig wären und schlichte Etikette im Kapitol waren. Nach der fünf minütigen Fahrt durch die Stadt war ich mir sicher, das alle hier einen leichten Knacks brauchten, um solche Dinge, wie das richtige sitzen, als wichtig zu erachten.
Am Ratsgebäude angekommen, hatte ich von ihrem Geschnattere zu allen Überfluss auch noch Kopfschmerzen aber immerhin musste ich mich nicht Cato stellen. 
Dafür aber Trius, seinen Betreuern und den anderen Diplomaten und das alles, ohne die Sicherheit von Cato an meiner Seite, der mich vor Dummheiten bewahren würde.
Nervös betrat ich hinter Effie, den Raum in dem die Versammlung sein sollte. Der Raum wirkte klein, gegenüber den riesigen Tisch, der in der Mitte stand. Drumherum waren insgesamt 35 Stühle, von denen die meisten schon besetzt waren, aufgestellt.
Effie zeigte uns unsere zugewiesen Plätze und verschwand dann überschwänglich winkend. Sie wirkte, als hätte sie gerade ihre Kinder zu ihrem ersten Schultag gebracht. Irgendwie fühlte es sich auch so an. 
Wenn das alles nicht schon genug wäre, war es Distrikt Elf der kurz nach uns kam. Daphne lächelte breit über das ganze Gesicht und sie trat in den Raum wie eine Königin. Ich konnte nicht abstreiten, dass alle Blicke kurz auf sie fielen. Ihr Lächeln wurde sogar noch breiter, als sich herausstellte, dass sie das Glück hatte, mit ihrem Distriktpartner genau neben Cato zusetzten. Bei mir löste diese Neuigkeit eher einen Brechreiz aus, vor dem mich Bryony rettete. Die hübsche Diplomatin aus Distrikt Zwei hatte gerade ihr Gespräch mit einem mir unbekannten Mann beendet, als sie sanft lächeln auf mich zu kam.
„Hallo Primrue“, begrüßte sie mich freundlich, „Ich wollte mich noch einmal bedanken, dass du dich gestern so wundervoll um Navet gekümmert hast.“
„Er hat sich wohl eher um mich gekümmert.“, gab ich zurück und musste bei den Gedanken, an den kleinen Jungen leicht schmunzeln, „Er hat mir wirklich den Abend versüßt.“
„Das freut mich zu hören. Denn er hat schon heute früh nach dir gefragt.“ Bryony lächelte mich entschuldigend an, „Irgendwie hat er einen Narren an dir gefressen.“
„Und ich an ihm.“, erklärte ich und ignorierte dabei das gestellte kichern von Daphne, welches durch den ganzen Raum halte. 
„Vielleicht könntest du ja in den nächsten Tagen einfach mal bei uns mit zu Abend essen?“, fragte sie freundlich. Ich fühlte mich gerührt. Auch wenn sie es wahrscheinlich nur für ihren Sohn tat, konnte sie ja nicht wissen, was mir so etwas bedeutete. Mich hatte noch nie jemand zu irgendetwas eingeladen. Wenn, war es immer Haymitch gewesen, der Beliebt und Charmant genug war, dass andere Eltern sich nur so um ihn gerissen hatten. Selbst mit seinen vierzehn Jahren hatte die Leute sich schon darum bekämpft in seiner Gunst zu stehen und eventuelle Töchter mit ihn anzufreunden. Ich war dabei immer nur schräg von der Seite angesehen wurden. 
„Gerne.“, erwiderte ich deswegen ehrlich erfreut. Auch Bryonys Lächeln wurde noch etwas breiter und die Frau begann mir, ebenfalls wie Shade und ihr Sohn sympathisch zu werden. 
Gerade als sie noch etwas erwidern wollte ging die Tür auf und Distrikt Neun kam, gefolgt von Distrikt Vier, in den Raum, wodurch alle komplett waren.
Karlic warf mir ein kurzes Lächeln und Augenzwinkern zu, welches ich, wie immer, automatisch erwidern musste. Ich konnte bei ihm einfach nicht anders.
Finn hingegen schaute, als wäre er definitiv mit dem falschen Fuß heute früh aufgestanden. 
Sein Blick blieb auf mir hängen und seine Miene verfinsterte sich um eine weitere Nuance. Warum? Was hatte ich ihn den getan? Bevor ich wirklich darüber nachdenken konnte, fiel mir jedoch auf, dass er nicht wirklich mich, sondern Bryony, die ihren Blick gesenkt hatte, anstarrte. 
„Wir sehen uns dann bald.“, verabschiedete sie sich, ohne jedes Lächeln. Kurz drückte sie fast mütterlich meine Schulter und ging mit hängenden Schultern, unter Finns Augen, zu ihrem Platz. Ich folgte ihr mit den Augen ebenfalls und sah Shade, der ihr den Stuhl zurecht rückte und dabei den Diplomaten aus Distrikt Vier gerade mit seinem Blick umbrachte.
Hatte ich da irgendetwas verpasst? Ich schaute zwischen den drei Gestalten hin und her. Bryony, die immer noch jedem Blick auswich, Finn der sie taxierte und Shade, der wiederum das gleiche, mit ihm machte.
Irgendetwas stimmte da nicht aber ich hatte niemanden, den ich fragen konnte. Vor wenigen Monaten wäre ich noch einfach zu Finn gegangen, aber da er jetzt nicht einmal mehr ein Wort mit mir wechseln wollte – geschweige denn, dass ich wollte – viel diese Version wohl aus.
Vielleicht war es auch besser so. Schließlich hatte ich meine eigenen Probleme...
Ich schielte kurz zu Cato, der sich immer noch freundlich mit Daphne unterhielt. Sie hatte eine Hand auf seinen Oberschenkel gelegt, gegen die er nichts tat. Entweder aus Höflichkeit oder weil er es wollte.
Oh ja. Ich hatte wirklich mit meinen eigenen Dämonen zu kämpfen. Einer schrie gerade laut, dass ich mich auf die dunkelhäutige Schönheit, aus Distrikt Elf, stürzen sollte.

Primrue Mellark 2 | Ungewolltes SchicksalWo Geschichten leben. Entdecke jetzt