Primrue Mellark 2 | Kapitel 4

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Es dauerte nicht lange, bis meine Eltern in mein Zimmer kamen. Sie versuchten ihre Anspannung nicht anmerken zu lassen aber auch bei ihnen waren die Erinnerungen an die Ernte noch zu frisch. 

Meine Mutter zwang sich ein krampfhaftes Lächeln ins Gesicht. 

„Lasst uns gehen. Wir sollten den Bürgermeister nicht warten lassen.“, erklärte sie sanft. Ihre Finger waren mit denen meines Vaters verschränkt und die Knöchel traten weiß hervor. Ich erwiderte ihr Lächeln, auch wenn ich am liebsten schreiend weggelaufen wäre.

„Geht ruhig schon mal vor.“, sagte ich leise, „Ich warte noch auf Cato. Kann ja sein, dass er es nicht von Distrikt Zwei weiß, was dies bedeutet.“ Uns war allen klar, dass es in Distrikt Zwei genau so war wie hier, doch niemand hatte Einwände. Im Gegenteil. Haymitch meinte ebenfalls, dass er mit Gale zusammen gehen würde und sich noch schnell umziehen wollte.

Ohne meine Eltern anzusehen, ging ich an ihnen vorbei, die Treppe hinab und trat wieder aus dem Haus. Ich versuchte meine Schritte zu verlangsamen, doch sie beschleunigten sich wie von alleine. 

Kurz vor Catos Tür rannte ich schon und konnte so nicht mehr abbremsen, als mein ehemaliger Mentor hinaus getreten kam. Mit voller Wucht rannte ich in ihn. Seine Arme schlangen sich reflexartig um mich, damit ich nicht hinfiel. Diese Situation hatten wir schon einmal gehabt. Nachdem ich zur Siegerin der Spiele gekürt wurden war, hatte ich die Feierlichkeiten unterbrochen und den Präsidenten beschuldigt. Mein Abgang war denkwürdig aber hinter der Bühne war ich in Cato gerannt. Genau wie heute, blieb er auch damals stehen, als würde er den Zusammenstoß überhaupt nicht spüren und griff nach mir, damit ich nicht umfiel. Der Unterschied zu damals war nur, dass ich dieses mal auch nach ihm griff.

„Hey ist schon gut.“, begann er beruhigend auf mich einzureden, als ein unkontrollierbares zittern durch meinen Körper schoss. „Es hat bestimmt nichts zu bedeuten.“

„Ich weiß... es ist nur...“, stotterte ich vor mich hin. Ich war seit der Ernte nicht mehr auf den Platz vor dem Justizgebäude gewesen. Wenn ich doch einmal in die Stadt musste, hatte ich immer einen großen Bogen um den eingemauerten Hof gemacht. Allein die Erinnerung an ihn ließ mir einen kalten Schauer über den Rücken laufen.

„Komm. Bringen wir es einfach hinter uns und dann ist alles wieder okay.“, schlug Cato vor aber ich konnte mich nicht von ihm lösen. 

„Tut mir Leid.“, gestand ich peinlich berührt. Vielleicht hatten wir in letzter Zeit viel mit einander durchgemacht aber ich war noch nie anhänglich oder gar ängstlich gewesen. Zumindest hatte ich immer gewusst, wie ich es normalerweise verstecken musste. Bei Cato war dies jedoch noch nie möglich gewesen und ich hasste mich dafür gerade vor ihm so schwach zu sein. 

Vorsichtig schob er mich ein wenig zur Seite. Gerade als ich schon mit hochroten Kopf ihn gänzlich loslassen und mich entschuldigen wollte, legte er wieder seinen Arm um meine Schulter. Er hatte mich nur neben sich geschoben, damit wir losgehen konnte. An ihn gedrückt war ich gezwungen, mit ihm Schritt zu halten, als er losging. Wir sprachen kein Wort aber der leichte Druck, mit dem er mich an sich drückte, war ausreichend genug, dass ich mich wieder zusammenreißen konnte.

Rechtzeitig, als wir beim Marktplatz ankamen, hatte ich mich wieder einigermaßen unter Kontrolle. Zumindest schien ich äußerlich ruhig und gefasst, als wir uns von einander trennten und Seite an Seite weiter gingen. 

Der Platz war schon halb voll und immer mehr Menschen strömten herein. Manche von ihnen schienen sorglos. In anderen Gesichter konnte ich aber das gleiche mulmige Gefühl wahr nehmen, wie ich selber verspürte. Was mich mehr verwunderte waren die ganzen Kameras, die überall in windeseile aufgebaut wurden. Anscheinend sollte irgendetwas übertragen werden, aber ich war mir nicht sicher, ob ich wirklich wissen wollte, was es war.

Primrue Mellark 2 | Ungewolltes SchicksalWo Geschichten leben. Entdecke jetzt