Primrue Mellark 2 | Kapitel 18

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Am Ende verbrachte ich fast den ganzen restlichen Abend damit, mit Navet zu tanzen. Immer wieder drehten wir uns zum Takt der Musik. Der kleine Junge liebte es so sehr und lenkte mich somit weiter von meinen Sorgen ab. Selbst als ich einmal nach Cato sah und Daphne bei ihm stehen sah, brachte er mich zum schmunzeln. Er zupfte wieder an meinen Kleid und zeigte mir an, dass ich mich zu ihm runter beugen sollte. 
„Du bist viel hübscher als sie.“, flüsterte er mir ins Ohr und ich spürte, wie ich rot wurde.
„Danke Navet aber das ist mir egal.“
„Wirklich?“
„Wirklich“ Das Grinsen des Jungen wurde noch breiter, während er zwischen Cato und mir hin und her schaute.
„Ja klar.“, konterte Navet viel zu erwachsen für seine junges Alter. „Aber wenn er so dumm ist und sie nimmt, bin ja immer noch ich da.“ Er sagte das mit so viel Überzeugung, dass ich ein lachen nicht verkneifen konnte. Anscheinend war es laut genug, dass auch Daphne und Cato uns hörten. Zumindest schauten sie beide zu uns. Daphne wütend, Cato eher verwirrt. 
Mit Navet an meiner Seite konnte ich für kurze Zeit vergessen, was alles um mich herum passierte, wodurch ich die Gesellschaft, des kleinen Jungens bevorzugt, als die der Berater und anderen Diplomaten. Ich vergaß mit ihm komplett die Zeit und fiel fast in Shades Arme, als dieser auf einmal hinter mir stand.
„Entschuldige.“, japste ich außer Atem, doch er lächelte nur genau so schelmisch wie der Junge.
„Kein Problem. Schöne Frauen dürfen mir immer in die Arme fallen.“
„Hey.“, beschwerte sich Navet, „Ich tanze mit ihr.“
„Du tanzt seit drei Stunden mit ihr, obwohl du schon längst im Bett sein solltest.“, konterte der Diplomat aus Distrikt Zwei. „Andere wollen auch noch was von ihr haben.“
„Aber ich bin doch jetzt Diplomat.“, beschwerte sich der Junge schmollend, wodurch ich mir wieder ein schmunzeln verkneifen konnte. Der kleine war nicht auf den Mund gefallen. Shade jedoch auch nicht.
„Auch kleine Diplomaten müssen ins Bett und eigentlich sollten sie da schon seit gut zwei Stunden sein, also Abmarsch.“ Zwar schmollte Navet immer noch, aber er gehorchte ohne murren. Er schenkte mir noch einen Kuss auf die Wange und verschwand dann auch schon die große Treppe nach oben.
„Tut mir Leid. Ich hoffe er war nicht zu anstrengend.“, entschuldigte sich Shade.
„Ganz und gar nicht. Ich hatte dank ihn einen wundervollen Abend.“ Dankbar lächelte auch er mich an, bevor er den Jungen folgte.
Suchend schaute ich mich um und fand Cato tanzend vor. Mit Daphne. 
Ich hatte kein Recht darüber wütend zu sein. Schließlich hatte ich gerade ebenfalls stundenlang mit Navet getanzt und trotzdem fühlte es sich falsch an. Navet war ein Kind. Bei Daphne sah sogar ein Blinder, was ihr Ziel mit Cato war. Ich hatte jedoch kein Recht mich dabei einzumischen. Sie mochte ihn anscheinend und auch er schien nicht abgeneigt. Eigentlich sollte ich mich eher für ihn freuen. Aber es tat weh ihn mit ihr zu sehen. Hatte er mir nicht versprochen auf mich auf zu passen? Mich nicht aus den Augen zu lassen? Jetzt hatte er nur Blicke für die dunkelhäutige Schönheit.
„Warum denn so ein trauriger Blick?“ Ich schreckte zusammen, als ich Karlics hinter mir hörte. Natürlich sah er es
„Ich wollte dich nicht erschrecken.“
„Kein Problem. Ich war schon immer schreckhaft.“ Mit einer halben Drehung, drehte ich mich zu ihm um. „Und was meinst du mit traurigen Blick?“
„Kurz nachdem der Junge raus war, hast du woanders hingesehen und dein Lächeln ist langsam verschwunden.“
„Beobachtest du mich?“, neckte ich ihn. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass er rot anlaufen würde. 
„Ertappt.“, gestand er und zuckte mit den Schultern. „Ich hatte eben dein Lachen gehört und war dann davon gefesselt.“
„Und dir war langweilig.“, versuchte ich ihm zu helfen.
„Und das.“, nahm er meine Hilfe dankend an. 
Mein Blick huschte kurz zu Cato, was Karlic nicht entging. 
„Ah. Ich verstehe.“, erklärte er verschwörerisch.
„Was verstehst du?“
„Willst du tanzen?“ Sein Themenwechsel war so spontan, dass ich nichts anderes tun konnte, als nicken. 
Schon war ich wieder auf der Tanzfläche. Wenn ich bedachte, wie sehr ich tanzen eigentlich hasste, hatte ich den ganzen Abend nicht anderes gemacht. Auch wenn ich es nicht geglaubt hätte, aber auch Karlic schaffte es mich genau, wie Navet, abzulenken und zum lachen zu bringen. 
Auch wenn ich es selber kaum glaubte, aber als die Gesellschaft sich auflöste, musste ich gestehen, dass ich Spaß gehabt hatte. Das faszinierende daran war, dass ich dafür nicht einmal Cato an meiner Seite brauchte. Selbst die kleine Szene mit Finn war fast wieder aus meinen Kopf gestrichen, als ich lachend mit Karlic zum Aufzug ging. Mein Bauch tat mittlerweile davon schon weh und wahrscheinlich hatte ich in meinen ganzen Leben noch nie so viel gelacht, wie mit dem Jungen aus Distrikt Neun. Er konnte wunderbar Geschichten erzählen und hatte dabei ein Talent einen in seinen Bann zu ziehen. Dazu noch eine gehörige Portion Humor und jeder war ihm verfallen. Selbst manche der Berater hatten sich zuvor um ihn geschart, als er von den Hürden des Alltages in Distrikt Neun erzählt hatte. Auf charmante und witzige Art, hatte er ihnen die Probleme verständlich gezeigt. Wäre Karlic mir nicht so sympathisch gewesen, wäre ich wahrscheinlich neidisch auf sein Talent gewesen, die Berater schon am ersten Abend, so um die Finger zu wickeln.
„Danke für den tollen Abend.“, erklärte ich, als Karlic gerade auf den Knopf für den Aufzug drückte.
„Ich muss danken.“, schmunzelte er, „Schließlich hatte ich so Gelegenheit in deiner Gesellschaft zu sein.“
Sein Lächeln, welches er mir zu warf, hatte genau die richtige Portion Schüchternheit, damit es süß wirkte und ich musste es einfach erwidern.
Wir wurde jedoch in unserer Zweisamkeit gestört, als ein schrilles Lachen über den Gang auf uns zu wehte.
War ja klar, dass Daphne auch noch am Feiern war. Genervt drehte ich mich zu ihr um und sah sie, an Catos Arm hängend, in unserer Richtung zu schlendern.
„Na wunderbar.“, murmelte ich leise vor mich hin, doch Karlic hörte es trotzdem.
„Sie ist gar nicht so schlimm.“, verteidigte er das andere Mädchen.
„Kennst du sie etwa?“ Ich konnte nichts gegen den leicht schnippischen Ton in meiner Stimme tun. Was fanden nur alle an ihr?
„Flüchtig, aber unser Betreuer hat sich über alle anderen Diplomaten informiert. Schließlich sollten wir gebildet wirken oder irgendwie so was in der Art.“ Karlic verdrehte kurz genervt die Augen, „Auf jeden Fall ist sie ein mittleres Kind und hat noch zehn Geschwister. Da fällt nicht viel Aufmerksamkeit ab. Sie war immer hilfsbereit und hat sich nicht beschwert. Das alles hier ist also wie ein Schlaraffenland für sie. Du wirst sehen, in ein paar Tagen ist sie erträglicher.“ 
Mir blieb keine Zeit etwas zu erwidern, da Daphne und Cato in der weile bei uns angekommen waren, genau wie der Fahrstuhl. Schweigend traten wir alle vier ein. 
Ein unangenehmes Schweigen breitete sich aus, bis wir im neunten Stockwerk das erste mal hielten und Karlic mit einem „Gute Nacht“ in meine Richtung ausstieg. Ich nickte ihn nur mit einem Lächeln zu, da ich mir nicht sicher war, was über meine Lippen, mit Daphne neben mir, kommen würde.
Das Mädchen war zwei Etagen später dran und verabschiedete sich überschwänglich bei Cato, der es aber nur mir gleich tat und ihr freundlich zu nickte. 
„Du scheinst einen netten Abend gehabt zu haben?“ Es war mehr eine Feststellung, als eine Frage von Cato, als sich die Türen wieder geschlossen hatten.
„Du ja anscheinend auch.“, konterte ich beherrscht, auch wenn ich ihm innerlich schon jetzt am liebsten an die Gurgel gesprungen wäre.
„War mal ganz angenehm niemanden vor die retten zu müssen.“


Hatte er das gerade wirklich gesagt?
Ich schaute ihn entsetzt an. Er war auch wütend, warum auch immer, aber das...?
„Tut mir Leid... das“, begann er vorsichtig, als er meinen Blick sah, aber das war mir egal. 
Ich war wütend. Verletzt. 
Wie konnte er so etwas sagen? 
Zum Glück sprangen in dem Moment die Türen auf und ich stürmte aus dem Fahrstuhl.
„Primrue warte.“, versuchte es Cato hinter mir noch einmal, doch ich konnte nicht stehen bleiben. Hätte ich es getan, hätte er die Tränen gesehen, die sich in meinen Augen bildeten und das war das letzte was ich wollte.
Wütend warf ich die Tür hinter mir zu und riss das Kleid von mir. 
Erst als ich die Dusche anstellte und das Wasser niederprasselte, ließ ich den Schmerz heraus. Es war weniger die Wut oder die Beleidigung, die diese Worte mit sich getragen hatten, sondern mehr die Enttäuschung darüber. Von allen Menschen hatte ich gedacht, das Cato mich Verstand. Mich so akzeptierte wie ich war. 
Ich kniete auf den Boden der Dusche und fragte mich, wann ich es zugelassen hatte, dass er mir so nah gekommen war, um mich nur mit unbedachten Worten, in der Wut ausgesprochen, so verletzen konnte.
Niemand hatte dies je zuvor geschafft. Immer war ich stärker gewesen, als leere Worte und ich hasste es. Hasste diese Verletzlichkeit. Diese Schwäche.
Im nach hinein wusste ich nicht mehr, wie lange ich dort unter dem Wasser vor mich hin geweint hatte. Nur eines war mir klar. Als ich in der Dunkelheit, ohne Kleidung, einfach in mein Bett fiel fühlte ich mich ausgelaugt und leer, wie kurz nach der Arena.

Primrue Mellark 2 | Ungewolltes SchicksalWo Geschichten leben. Entdecke jetzt