Primrue Mellark 2 | Kapitel 10

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Wir saßen lange einfach nur schweigend da und ließen die Landschaft an uns vorbeiziehen. So toll diese Züge auch waren, machen konnte man nicht wirklich viel. 

Zum Mittagessen bekam ich nur wenig herunter. Zwar war es alles lecker und reichhaltig aber die Idee, des immer näher kommenden Kapitols schlug mir stark auf den Magen.

Den Nachmittag verbrachte ich damit aus dem Fenster zu starren. Alle ließen mich in Ruhe was ich dankbar zur Kenntnis nahm. Effie beschäftigte sich mit ihren Fingernägel und Cato schien seinen eigenen Gedanken nachzuhängen. Ob er auch über die anderen Tribute und das Kapitol nachdachte, so wie ich?

Die meisten von ihnen waren in seinem Alter. Vielleicht kannte er sogar die beiden Diplomaten aus Distrikt Zwei. Seit meinem Tagtraum hatte ich mich noch nicht getraut mit ihm zu reden. Irgend ein lächerlicher Instinkt in mir drinnen, war der festen Überzeugung, dass Cato sofort wusste, was ich geträumt hatte, wenn ich ihn nur ansah. Wie sollte ich so mit ihm reden?

Um mich weiterhin abzulenken versuchte ich mich an ein paar der Name, der Diplomaten zu erinnern. Nach einer Weile hatte ich sogar ein paar zusammen, auch wenn mir nur einige hängen geblieben waren, wegen des Auftretens ihrer Träger. 

Der Mann aus Distrikt Eins hieß Rage, was mir nach seinen funkelnden Augen, mit denen er die Bühne betreten hatte, äußerst passend erschien. Die Diplomaten vom zweiten Distrikt waren Bryony und Shade. Der Name ihres Sohnes wurde nicht genannt, wodurch ich diesen wohl erst im Kapitol erfahren würde. Der Junge hatte jedoch so süß gelächelt, dass er mich fast schmerzhaft an Haymitch erinnerte, als er noch jünger war. Ich musste den Kleinen einfach kennen lernen und sehen, ob er auch sonst Ähnlichkeiten mit meinen Bruder hatte. Die Frauen aus Drei und Vier waren mir entgangen, dafür die Männer aber nicht. Der Diplomat aus Drei, Aaron, hatte etwas jugendhaftes und schelmisches an sich. Ich konnte mir gut vorstellen, dass er immer wieder in seinem Leben in Schwierigkeiten geraten war. Dann war da Finn. Natürlich hatte ich ihn mir gemerkt. Ich überlegte mir schon die ganze Zeit, wie ich auf ihn reagieren würde. Wie ich ihn kannte, würde er seine Emotionen beiseite schieben und freundlich bleiben. So war er schon immer gewesen. Nur nicht irgendwo anecken. Er wollte seine Mutter eben nicht noch mehr Kummer bereiten. Ich vermisste Annie. Früher war ich oft im Distrikt Vier bei ihr zu Besuch gewesen. Sie war wunderschön. Stark und doch gleichzeitig so zerbrechlich. Ihre Liebe zu Finnick war so stark gewesen, dass ein Teil mit ihm gestorben war. Erst nachdem ich Dillian verloren hatte, hatte ich diesen Verlust erst vollständig verstanden. Wie gern hätte ich mit ihr geredet. Von allen würde sie am besten verstehen, was ich durchgemacht hatte. Was es bedeutete, einen Teil von sich zu verlieren. Vielleicht könnte sie ihren Sohn meine Wut auf ihn verständlich machen.

Wegen Finns auftauchen, hatte ich die nächsten Distrikte nicht wirklich mitbekommen aber sie schienen auf mich auch nicht so, als würden wir auf einer Wellenlänge sein. 

Meleena und Flax aus Distrikt Sieben schienen da wieder anders. Zwar waren sie auch schon älter, aber zumindest Meleena schien sich eine kindliche Güte beibehalten zu haben. Flax hingegen wirkte etwas verhärmt. Wütend. Aber die Art, wie er immer beschützend neben seiner kleinen Adoptivschwester stand, zeigte mir, dass auch er ein gutes Herz haben musste, um welches er in all den Jahren eben nur ein Schutzschild gebaut hatte.

Der Diplomat aus Distrikt 9 kam mir in den Sinn. Karlic war sein Name, dass hatte ich mitbekommen. Es war schon fast gruselig wie sehr er mich an meinen Vater erinnerte. Er strahlte den gleichen Charme und die gleiche Güte aus, wie Peeta, auch wenn sein aussehen anders war. Ich fragte mich, ob Haymitch vielleicht auch so geworden wäre, wenn er nur die Chance bekommen hätte erwachsen zu werden. 

„Hör auf zu grübeln.“ Catos Stimme drang durch das Abteil zu mir. Ich traute mich jedoch immer noch nicht zu ihm zu schauen.

„Tu ich gar nicht.“, verteidigte ich mich leise und klang dabei nicht sehr überzeugt.

Primrue Mellark 2 | Ungewolltes SchicksalWo Geschichten leben. Entdecke jetzt