Primrue Mellark 2 | Kapitel 28

1.3K 106 16
                                    

Schmerz.
Das erste, was ich mitbekam war Schmerz in meinem Kopf.
Arme und Beine kamen in mein Gedächtnis, jedoch konnte ich sie nicht bewegen. Zwar spürte ich sie, aber sie schienen auf meinen Befehle einfach nicht reagieren zu wollen. 
Panik wollte sich in mir breit machen. Es schien , als wäre ich in meinen eigenen Körper gefangen. Jedoch setzte in dem Moment ein unangenehmes kribbeln in meinen Fingerspitzen ein und breitete sich in den nächsten Sekunden in meinem ganzen Körper aus.
Wenige Minuten später kam endlich ein schmerzhaftes Stöhnen über meine Lippen. Ein Zeichen, dass mein Gehirn befehle endlich wieder an meine Glieder weiterführte. 
Es dauerte jedoch noch einmal gefühlte Stunden , bis ich meine Augen endlich wieder öffnen konnte und die Angst, gefangen zu sein, von mir abließ. 
Blinzelnd versuchte ich mich an die Helligkeit um mich herum zu gewöhnen. Ich lag eindeutig auf einem harten Untergrund. Anscheinend auf dem Boden, da ich zumindest keinen Rand ertasten konnte, während meine Augen ihren Dienst noch nicht vollständig wieder angetreten waren. Als sie sich endlich wieder daran gewöhnt hatte, nahm ich kahle Stahlwände um mich herum war.
Mit schmerzenden Kopf setzte ich mich langsam auf. Jetzt wo ich meinen Körper wieder komplett wahr nahm, fröstelte mich auch leicht, was jedoch an meinen Aufzug liegen konnte. 
Ich trug nur Unterwäsche.
Meine Gedanken huschte zurück, zu der Zeit, bevor ich das Bewusstsein verloren hatte und ich spürte regelrecht wie das Blut mir in die Wangen stieg. Vorsichtig blickte ich mich um, aber in dem Raum war nichts. Nichts außer einem Kleiderhaufen.
Schnellstmöglich krabbelte ich darauf zu und zog mir die Sachen, die sich als ein perfektes Duplikat meiner Trainingskleidung herausstellten, an. 
„Wie ich sehe seit ihr endlich alle wach.“ Eine Stimme hallte durch versteckte Lautsprecher und ich spürte regelrecht, wie das Blut in meinen Adern gefrierte. 
Ich kannte diese Stimme. Kannte sie nur zu gut. 
Geier.
„Nun dann. Achtung, Achtung Tribute. Ich habe eine Ankündigung zu machen. Da wir immer noch keinen Sieger haben und es etwas still in den letzten Tagen geworden ist, gibt es eine kleine Überraschung für euch. Vierundzwanzig neue Kontrahenten wurden dem Spiel hinzugefügt! Neue Tribute – oder soll ich lieber sagen ...Diplomaten -“, ein Lachen schallte durch die Anlage, welches meine Erstarrung für einen kurzen Moment durch Wut ersetzte, „willkommen. Willkommen zu diesen... nun nennen wir es Hungerspiele. Euch wurde über die Klimaanlage ein Betäubungsgas zugeführt, welches... bei einigen von euch interessante Nebenwirkungen hatte.“ Ich konnte regelrecht sehen wie er schmunzelte und wusste nicht, ob ich einfach rot werden sollte, oder mich übergeben. „An sich war dies nie mein Plan gewesen, aber leider musste unser geliebter Präsident euch ja ins Kapitol holen, wo ihr euch aufführen konntet, wie die Könige der Welt. Dazu hat er euch über die Lage der Kinder informiert und sogar die starrköpfigsten von euch, darauf angesetzt.“ Ich konnte mir ein Schnaufen nicht verkneifen, auch wenn mir bewusst war, dass ich von irgendwelchen kranken Idiot beobachtet wurde, wie ich hier auf den Boden saß und auf diese Neuigkeiten reagierte. „Somit seit ihr nun auch hier. Hier, ist die Arena. Etwas anders, als alle anderen zuvor. Wir haben wieder aufgefüllt was bedeutet zur Zeit sind alle vierundzwanzig Diplomaten und vierundzwanzig Jugendliche in der Arena. Nur einer von euch, wird dieses Gebiet lebend verlassen. Möge das Glück stets mit euch sein.“
Ein Knacken zeigte mir, dass die Verbindung unterbrochen wurde. Verwirrung und Angst kämpften in meinem Körper um die Vorherrschaft und ich versuchte meine Gedanken zu ordnen.
Ich hatte keine Ahnung wo ich war, aber anscheinend in einer Art Arena, was bedeutete, das hier nicht nur andere darauf lauerten mich zu töten, sondern auch überall Fallen sein konnten. 
Geier hatte das ganze organisier, aber wie krank er wirklich war, wie lange er dies schon plante und wer noch alles da mit drin steckte, wusste ich nicht. Hatte er den Mord an Präsidentin Paylor zu verantworten? Hatte er sie vielleicht sogar getötet? Aber warum? Weil er die Spiele wieder wollte? Das ergab alles keinen Sinn.
Frustriert schüttelte ich den Kopf. Ich musste erst einmal Prioritäten setzten und das bedeutete für mich im ersten Moment nur eins.
Cato finden. 
Geier hatte behauptet, dass wir alle hier waren. Es konnte ein Scherz sein, aber ich würde es nicht riskieren. Ich durfte meinen ehemaligen Mentor nicht verlieren. Jedoch brauchte ich zu erst eine Waffe. Wenn sie jemand verteidigen konnte, dann Cato. Er hatte mir erzählt, dass er sich in seiner Jugend oft genug gegen andere Jugendliche, die im Gegensatz zu ihm auf die Soldatenschule durften, durchsetzten musste und mit der Zeit seinen eigenen Kampfstil entwickelt hatte. Vor meinen Hungerspielen im Kapitol hatte ich diese nicht nur einmal zu spüren bekommt. Wo mein Großvater mir Taktik und gekonnte Kampfzüge beigebracht hatte, waren die Manöver, die ich von Cato gelernt hatte listig, brutal und instinktiv. Nicht nur einmal hatten diese Dinge mir in der Arena das Leben gerettet. Ich durfte nur nicht die Angst überwiegen lassen. 
Die Jugendlichen waren alles aus dem Kapitol. Alle von ihnen schienen eher aus der Mittelschicht zu kommen, jedoch hatte ich keine genaue Ahnung, was sie alles konnten. Die Diplomaten waren da schon eine andere Sache. Zumindest vier von ihnen waren sicher eine Gefahr.
Mein größeres Problem war jedoch eher, dass ich mindestens genau so viele von ihnen nicht töten wollte. 
Wieder begann Panik in meinen Kopf aufzusteigen, als durch den Schock langsam die Erkenntnis sickerte was hier passiert war.
Wegen einem kranken Hirn, war ich wieder in den Spielen. Nicht als Strafe, für irgendetwas, sondern einfach weil da draußen anscheinend eine Gruppe von Menschen war, die diesen Irrsinn fortführen wollte. 
Irgendwie musste ich es schaffen, mich wieder zu beruhigen. Wenn ich durchdrehte, war damit niemanden geholfen. Am wenigsten jedoch mir. 
Ich brauchte einen Plan und den müsste ich einfach Schritt für Schritt folgen. Nicht weiter darüber nachdenken. Zerbrechen konnte ich später. Nicht denken, sondern reagieren.
Waffe.
Als erstes brauchte ich eine Waffe.
Da in dem Raum, in dem ich hier war, nichts zu finden war, was man hätte verwenden können, musste ich wohl oder übelst heraus.
Vorsichtig schlich ich mich zu Tür und lauschte auf irgendwelche Geräusche von außen. Ich konnte nichts hören, war mir aber auch nicht sicher ob der Raum Schalldicht war. Ich zischte einen kurzen Fluch, bevor ich meinen Mut zusammen nahm und die Klinke nach unten drückte. 
Kurz schielte ich durch den Schlitz der Öffnung, bevor ich die Tür ganz öffnete, um heraus zu huschen. 
Ein langer Gang im gleichen Stahl wie mein Zimmer. Keine Fenster. Nur notdürftige Beleuchtung.
Na wunderbar. 
Ich hatte das Gefühl in einen überdimensionalen Mäusekäfig zu sitzen!
Frustriert entschied ich mich spontan für eine der beiden Richtungen. 
Immer wieder gingen Türen von dem Flur ab, oder andere Gänge. Hinter jeder dieser Türen konnte ein Gegner sein oder eine Falle. 
Oder Cato, Shade, Bryony, Finn, Karlic...
Verdammt. 
Ich rügte mich innerlich selber. Früher war es so viel einfacher gewesen, die Gefühle für kurze Zeit abzustellen aber hier funktionierte das einfach nicht. Bei den Spielen vor ein paar Monaten, wusste ich, dass die anderen sterben musste, also hatte ich erst gar nicht versucht sie kennen zu lernen aber hier... Ich hatte mit ihnen trainiert, gespaßt, gegessen und auch gestritten. 
Seufzend ließ ich mich an der Wand zu Boden gleiten, ohne wirklich darüber nachzudenken, wie schutzlos ich in dieser Situation war. Es war mir egal. Vielleicht war es sogar besser so. Einfach sterben und aufhören zu kämpfen. Jeder hatte behauptet, dass es zumindest besser werden würde und wo war ich jetzt? 
Wieder in einer Arena, in der ich um mein Leben kämpfen musste.
Würde es jedoch unbemerkt bleiben, wenn alle Diplomaten verschwanden? Wie wollte er das erklären?
Hoffnung kam in mir auf, dass wir gefunden werden konnten. Wir mussten nur durchhalten. 
Wenn ich zumindest die anderen finden konnte, könnten wir uns irgendwo verschanzen und warten. 
Neuer Elan erfüllte mich und half mir wieder auf die Beine, auch wenn eine Stimme in meinem Hinterkopf, meine Gedanken immer wieder zerstören wollte. Doch ich schaltete sie auf stumm. Mit ihr konnte ich mich beschäftigen, wenn ich die anderen gefunden hatte. Wenn wir einigermaßen sicher waren. 
Wie auf ein Stichwort, wurde meine Welt von einem ängstlichen Schrei zerrissen.
Keine Stimme die ich kannte aber sie war jung und weiblich. 
Alles in mir Schrie, der Besitzerin dieses Schreies zu helfen und meine Beine hatten sich schon in Bewegung gesetzt, bevor ich überhaupt daran gedacht hatte.

Primrue Mellark 2 | Ungewolltes SchicksalWo Geschichten leben. Entdecke jetzt