Primrue Mellark 2 | Kapitel 22

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Der nächste morgen kam viel zu früh. 
Ich hatte nicht einmal Zeit gehabt, noch einmal mit Cato über den Kuss und alles zu reden. 
Was ich fühlte.
Gestern hatte sich es einfach nur gut angefühlt, aber nach dieser Nacht, und den Alpträumen von Dillian, fühlte ich mich schlecht.
Mein Gewissen nagte an mir, besonders als mein Blick auf den Ring des Jungen aus Distrikt Zwei fiel. Erst vor circa vier Monaten hatte er sich, für mich, geopfert. War für mich gestorben, weil er nicht ohne mich leben konnte. Und was machte ich hier? Vergaß meine Gefühle für ihn, nach so kurzer Zeit, und ging zum nächsten über. Was würde Dillian von mir denken, wenn er es wüsste?
Sein Gesicht tauchte vor meinen inneren Auge auf. Seine blauen Augen, sein schelmisches Lächeln und seine dunklen kurzen Haare. Es dauerte jedoch nicht lange, bis seine Augen dunkler wurden, dass Haar länger und blond. Bis nicht mehr Dillian zu sehen war, sondern Cato.
Frustriert stöhnte ich auf und boxte in meine Kissen.
„Was hat das arme Kissen dir den getan?“ Caleos Stimme tauchte hinter mir auf und ich hätte am liebsten ein weiteres mal aufgestöhnt, konnte mir es aber gerade noch so verkneifen.
„Nicht heute.“, knurrte ich nur, während ich gleichzeitig versuchte mich aus meinem Bett zu kämpfen.
Auf dem Weg zum Bad, wartete schon mein Vorbereitungsteam auf mich und wieder eine Menge von Kleiderständern.
Nein. Heute war wirklich kein guter Tag dafür. Deswegen griff ich auch einfach blind zu und erwischte eines der Kleider. Es war kurz und Fliederfarbend. Bis auf eine diamantbesetzte, Stoffreihe, die das Kleid unter der Brust taillierte, fiel es frei und in mehreren Stoffbahnen nach unten, wobei es vorne sehr kurz war und hinten eher lang.
Vielleicht normalerweise nicht mein Stil aber das war mir egal.
Schnell duschte ich und ließ danach wieder die Prozedur des eincremens über mich ergehen, bevor ich in das Kleid schlüpfte.
Caleo schwieg, was ihr leben definitiv verlängerte aber sie legte um so mehr Wert, das mein Aussehen perfekt war, wodurch ich mich beeilen durfte, rechtzeitig noch zu der Versammlung zu kommen.
Cato war schon weg und ich saß im Auto mit den beiden Diplomaten aus Distrikt Sieben. Flax und Meleena.
Es dauerte eine Weile, bis wir uns überhaupt richtig anschauten aber irgendwann kamen wir ins Gespräch. Darüber wie sie meinen Vater und Johanna kennen gelernt hatte. Flax erzählte mehr als die blonde Frau, da sie Gestand, sich nicht mehr wirklich an viel erinnern zu können. Das einzige, was sie von ihrer Tante besaß, war ein Bild, welches Peeta ihr, vor der Abreise aus dem Kapitol vor so vielen Jahren, gemalt hatte. Flax wusste eindeutig mehr. Jede Sekunde dieser Zeit schien in seine dunklen Augen gebrannt. Ich wusste nicht, wer es besser von den Beiden hatte. Meleena wusste vielleicht nicht mehr wirklich, wer sie war, aber immerhin hatte diese Zeit keine Spuren bei ihr hinterlassen. Anders als bei Flax. Auch wenn er liebevoll zu seiner Stiefschwester schaute und mit ihr spaßte, konnte das Lächeln nie wirklich die Wut und Traurigkeit aus seinen Augen nehmen. Er wusste noch, wer er einmal gewesen war, aber zu welchem Preis?
Da wir sowieso schon spät dran blieben, konnte ich mich nur neben Cato fallen lassen, bevor Trius auch schon herein kam. Ein kurzes Lächeln von meinem Distriktpartner konnte ich noch erhaschen und erwidern, bevor der Präsident meine Aufmerksamkeit forderte.
„Ich habe beschlossen, gegen den Rat meiner Berater, etwas mit den Diplomaten zu teilen.“, begann er seine Ansprache und hatte sofort die Aufmerksamkeit aller im Raum auf sich. „Schon in den letzten Jahren, sind immer wieder Jugendliche, aus dem Kapitol verschwunden. Bis vor wenigen Wochen haben wir uns darüber nur gerine Sorge gemacht. Manche wollen ein Abenteuer erleben, andere laufen Weg. Keiner von ihnen tauchte je wieder auf. Weder lebendig, noch Tod. Dadurch nahmen wir an, das unsere Theorien stimmen. Mittlerweile vermehren sich jedoch die verschwundenen Kinder beängstigend.“
„Wie viele?“ Es war Bryony die sprach und mein Kopf huschte kurz zu ihr. Sie sah besorgt aus, auch wenn sie versuchte, es unter einer Maske der Gelassenheit zu verbergen. Ich konnte sie verstehen. Niemand hatte ihr was davon gesagt und unwissend hatte sie ihren eigenen Sohn mit ins Kapitol gebracht.
„Die genaue Zahl von Anbeginn wissen wir nicht. Manche Kinder sind vielleicht nicht einmal gemeldet wurden.“
„Wie viele!?“, wiederholte die Frau aus Distrikt Zwei. Shade ergriff ihre Hand, ohne seinen eigenen Blick von dem Präsidenten zu nehmen. Auch er schien besorgt und gleichzeitig wütend. Sichtbar drückte Bryony seine Finger und ich konnte regelrecht sehen, wie er sich ein wenig beruhigte und auch die Angst, aus ihren Augen, verschwand. Es war, als würden sie sich gegenseitig Kraft schenken, die sie alleine nicht hatten. Wie oft hatte ich dies bei meinen Eltern gesehen, wenn einer von ihnen, oder sogar beide, einen schlechten Tag hatten und in ihren eigenen Erinnerungen gefangen schienen.
„In den letzten Wochen waren 28 Kinder im Alter zwischen zehn und achtzehn Jahren.“, gestand Trius mit gesenkten Zeit, „Seit es uns aufgefallen ist, vor ungefähr einem Jahr, sind es 67 Kinder.“ 
Ein raunen ging durch alle, welches lange dauerte, bis es wieder zur Ruhe kam.
Eine ganze Weile wurde darüber diskutiert, was man dagegen tun konnte. Am Ende wurde beschlossen, dass die Sicherheitslevel erhöht werden, in dem Soldaten aus Distrikt Zwei angeheuert werden. Als Tarnung würde behauptet werden, dass es daran lag, das wir Diplomaten besonders beschützt gehörten. Die Menschen im Kapitol und auch in den Distrikten, sollten nicht wissen, um was es wirklich ging, damit keine Massenpanik entstand.
Die ganze Zeit beobachtete dabei Trius. Er wirkte müde und gebrochen. Alles schien schief zu laufen, seit er an der Macht war. Trotzdem war ich auch wütend auf ihm. Nicht ein Wort hatte er darüber verloren. Erst jetzt, wo es so gut wie zu spät war. Was wenn diesen Kindern doch etwas zugestoßen war? Wenn man nur nicht gut genug nach ihnen oder ihren Leichen gesucht hatte?
Ein kalter Schauer lief mir über den Rücken und ich war froh, als die Versammlung für heute beendet wurde.
„Primrue. Daphne. Karlic“, Ich schaffte es gerade so ein stöhnen zu unterdrücken, als ich die Stimme des Präsidenten hinter mir hörte. Mit einen zwanghaften Lächeln drehte ich mich um. Aus dem Augenwinkel sah ich, dass die anderen beiden Aufgeforderten es mir nachmachten. „Auf ein Wort bitte.“
Ohne auf unsere Zustimmung zu warten, verließ er den Raum durch seine eigene Tür und zwang uns damit ihm zu folgen. 
Ich wechselte einen kurzen Blick mit Karlic, doch er zuckte auch nur mit den Schultern. Als Daphne mich auch noch mit ihrem zugeschwollenen Auge an funkelte, beschloss ich, dass es besser war, Trius zu folgen.
Er wartete schon im angrenzenden Raum auf uns, auch wenn er den Teppich zu betrachten schien.
„Du wolltest uns sprechen.“, begann ich das Schweigen zu brechen, und hörte Karlic und Daphne hinter mir, die Luft einsogen.
„Ich habe von eurer kleinen... Meinungsverschiedenheit gestern gehört.“, mit einem sanften Lächeln drehte er sich um und erinnerte eher an den Jungen, der sich immer hinter dem Stuhl seiner Mutter versteckt hatte, wenn er meine Eltern sah. „Euch ist doch hoffentlich bewusst, dass dies nach außen hin nicht so gut aussehen, wenn zwei Diplomatinnen sich...“ er nahm einen Zettel von seinem Schreibtisch, „ich zitiere; sich auf dem Boden wälzend die Haare ausreißen.“
„Sie hat angefangen.“, zischte Daphne hinter mir.
„Möchtest du auch etwas dazu sagen, Primrue?“, stand mir Trius zu und ich konnte nur an eine Erwiderung denken.
„Ich hab ihr versucht die Augen auszustechen und nicht ihre Haare auszureißen.“ 
Daphne, die nun neben mir stand, funkelte mich wütend an, aber ich konnte Karlics schmunzeln hinter mir, regelrecht spüren.
„Nun gut.“, begann Trius, um auch Daphnes Aufmerksamkeit wieder auf ihn zurück zu ziehen. „Da eure... Missverständnisse … immer noch nicht aus dem Weg geräumt scheinen, werdet ihr ein paar extra Aufgaben von mir bekommen.“
„Extraaufgaben.“ Ich mochte den Klang dieses Wortes ganz und gar nicht. Trius schein dies nicht zu interessieren.
„Ja, Extraaufgaben.“ Er zeigte auf einen Tisch, den ich bis jetzt noch nicht beachtet hatte. Er war voll mit Akten und Beweismaterial. „Ihr werden versuchen alles über die vermissten Kinder herauszubekommen. Vielleicht gibt es eine Verbindung.“ Sein Blick huschte zwischen mir und Daphne hin und her. „Gemeinsam.“
„Und wie stellst du dir das vor?“, lachte ich auf, „Sollen wir beide jeweils an einen Stuhl gekettet werden?“
„Auch eine interessante Idee“, gestand Trius, „Aber ich dachte doch an eine etwas zivilisiertere Methode.“
„Zivilisierter?“, machte sich auf einmal Daphne bemerkbar und sie klang genau so begeistert, von dem Wort, wie ich vorher von „Extraaufgaben“
„Ja, meine liebe Daphne. Zivilisierte. Und da kommt er ins Spiel.“ Mit ausgestreckten Finger zeigte er auf Karlic, der bis jetzt nicht wirklich beachtet wurde. Im ersten Moment entgleisten seine Gesichtszüge, bevor er sich wieder unter Kontrolle hatte und raus würgte: „Sir?“
„Du wirst den beiden helfen und dafür sorgen, dass die beiden sich nicht gegenseitig umbringen. Schaffst du das?“
Karlic schaute ein paar mal zwischen mir und Daphne unschlüssig hin und her. 
„Ich kann es versuchen.“

Primrue Mellark 2 | Ungewolltes SchicksalWo Geschichten leben. Entdecke jetzt