Wir wurden in einer Reihe aufgestellt und sollten den Raum nach einander, je nach Distrikt, betreten. Wieder etwas, was mich nur zu gut an die Zeit vor vier Monaten erinnerte.
Cato zog mich rechtzeitig an sich, bevor die Erinnerungen daran mich jedoch wieder gefangen nehmen konnten.
Dankbar schaute ich zu ihm auf, während Effie neben mir, den Ablauf erklärte.
„Ihr werdet zum Eröffnungstanz zusammen tanzen. Danach gehen die Männer immer eine Dame weiter, bis alle einmal mit einander getanzt haben. Daraufhin könnt ihr ein bisschen mit den anderen plaudern, etwas essen oder eben doch wieder tanzen. Je nachdem was ihr machen wollt.“ Sie klang so unglaublich begeistert, dass ich mir ein Lächeln für sie aufzwang. Nur ein kurzes, aber es schien ihr zu reichen.
Distrikt Eins begann, das ganze Theater und wir gingen näher an die beiden von Distrikt Elf.
Das Mädchen, Daphne, drehte sich zu uns herum und lächelte Cato verführerisch an.
Ich revidierte meine Meinung über sie. Vielleicht war ich doch nicht so froh, dass ein anderes Mädchen, in meiner Altersklasse hier war.
„Hallo. Ich bin Daphne.“, erklärte sie mit liebevoller Stimme in Richtung Cato. Mich ignorierte sie dabei komplett. Ich konnte gerade so ein Knurren unterdrücken.
„Cato.“, gab mein Begleiter zurück, ohne ihre Hand zu ergreifen, da er immer noch mich fest hielt. Er ließ nicht los. „Und das ist Primrue.“
Ihr lächeln in meine Richtung fiel etwas kühler aus, als nötig.
„Wir können ja dann bei unserem Tanz weiter reden.“, bot sie ihm mit verführerischen Augenaufschlag an, bevor sie sich wieder umdrehte.
„Wir können ja dann bei unserem Tanz weiter reden.“, äffte ich sie nach und bekam einen wütenden Blick von Effie.
„Manieren!“,ermahnte sie mich und ich konnte es mir gerade noch so verkneife, auch sie nach zu machen, als sie von uns weg tippelte.
„Machst du dir schon wieder Freunde?“ Catos Stimme holte mich zu ihn zurück. Mein Blick wanderte zu seinem Gesicht, auf dem sich ein schmunzeln gebildet hat.
„Und was findest du so lustig?“, giftete ich ihn an, da er als einziger übrig geblieben war, um meine Wut zu ertragen. Er hielt es aus. Das wusste ich.
„Nichts.“, schmunzelte er nur weiter vor sich hin und ich hätte am liebsten etwas erwidert, wenn in diesem Moment nicht die beiden aus Distrikt Elf losgelaufen wären, womit wir gleich dran waren.
Ich hörte aus dem Saal höflichen Applaus, als die beiden oben an der Treppe kurz stehen blieben.
Hoffentlich fiel ich nicht runter.
Als wenn Cato meine Gedanken lesen konnte, ließ er mich los und hielt mir seine Armbeuge hin. Mit einem mulmigen Gefühl ergriff ich sie.
„Alles ist wie damals.“, flüsterte ich ihm zu. Nur leicht nickte Cato zustimmend.
„Du schaffst das.“, beschwor er mich, „Ich bin bei dir. Denk immer daran. Auch wenn du mit den anderen tanzt. Einmal meinen Namen rufen und ich bin da.“
Wir waren als nächstes und letztes dran.
Ich hatte nicht einmal mitbekommen, wie wir angekündigt wurden, als Effie uns auch schon ein Zeichen gab, nach vorne zu treten.
Kurz blieben wir wie alle anderen am Treppenabsatz stehen und ich fühle mich wie auf einer Versteigerung.
Schaut sie euch an, die Diplomaten aus Distrikt Zwölf. Für nur fünf Kühe gehören sie euch.
Ich konnte über meine eigenen Gedanken nur Schmunzeln. Wäre ich nicht bei Cato unter geharkt gewesen, wäre ich wahrscheinlich einfach die Treppen herunter gestürzt. Zwar hatte ich vor vier Monaten gelernt in solchen Schuhen zu gehen und zu tanzen aber das hätte auch genau so gut vor vier Jahren sein können. In Distrikt Zwölf waren solche Schuhe nicht unbedingt die Hauptmode, sondern wir bevorzugten feste Lederstiefel, in denen wir fest auftreten konnten und einen guten Halt hatten.
Unten angekommen, erhob sich Trius von seinem Platz und hielt eine kleine Eröffnungsrede, die ich nicht einmal mitbekam. Zu nervös war ich, wegen des Tanzes. Ich hoffte einfach, ich würde niemanden die Beine brechen.
Dieses mal kicherte ich leise vor mich hin, wodurch ich einen fragenden Blick von Cato bekam. Ich beschloss ihn, in meine Gedanken einzuführen.
„Schon komisch wenn man bedenkt, dass ich ohne mit der Wimper zu zucken, mich freiwillig für einen Kampf auf Leben und Tod,in einer Arena mit dreiundzwanzig anderen Jugendlichen eingelassen hatte, aber jetzt Angst vor einem Tanz habe.“
„Warum hast du Angst?“, konterte er. „Hast du schon mal deine Absätze gesehen? Wenn ihr jemand Angst haben darf, sind das meine Füße.“
Gott sei Dank applaudierten in dem Moment alle Anwesenden, da man sonst mein Lachen gehört hätte. Trius schien mit seiner Rede fertig zu sein.
Entspannter begannen wir den Tanz. Cato war es gewesen, der mir überhaupt beigebracht hatte, wie es circa funktionierte und auch jetzt klappte es wieder einwandfrei.
Doch zu schnell war der erste Tanz vorbei und er musste mit einen Augenzwinkern zu Distrikt Elf, die ihn schon mit aufschlagenden Blick, erwartete. Mir blieb jedoch keine Zeit Daphne wütend zu begutachten, da in dem Moment schon große Hände nach mir griffen.
Unter der Berührung zuckte ich leicht zusammen, wodurch die Finger gleich etwas sanfter wurden.
„Ich wollte dich nicht erschrecken.“, entschuldigte sich der Diplomat aus Distrikt Eins. Im Gegenüber wirkte ich wie ein zierlicher Winzling. Breite Schultern und muskulöse Arme waren alles was ich sah. Unter seinen dunklen Augen, die mich musterten, als wäre ich ein potenzieller Gegner, bekam ich eine Gänsehaut.
Wie lange musste ich noch mit ihm tanzen?
„Primrue, richtig?“, fragte er nach wenigen Sekunden und ich erinnerte mich wieder an Effies Worte. Konversation betreiben. Lächeln. Da war ja was.
„Genau und du warst?“, versuchte ich es mit meiner lieblichsten Stimme.
„Nenn mich Rage.“ Na das war ja mal wieder passend.
Mir blieb kaum Zeit durchzuatmen, als der nächste Wechsel anstand.
Shade grinste mich an.
„So sieht man sich wieder.“ Ich konnte mir ebenfalls ein Lächeln nicht verdrücken, bevor ich seine Hand ergriff. Auch wenn er von der Statur Rage in nichts nachstand wirkte er auf mich doch sympathischer, als der andere Mann.
„Wie geht es Gale?“, fragte er nach einer Weile leise.
„Du kennst ihn?“
„Jeder kennt ihn. Zumindest ein wenig. Er war schließlich der Kopf der Einheiten in Distrikt Zwei.“, erklärte mir Shade während wir uns zur Musik bewegten.
„Ihm geht es gut...denk ich.“, murmelte ich leise. Ich würde Shade nicht erzählen, wie wir uns von einander verabschiedet hatten. „Er vermisst ihn.“ Ein Klos in meinem Hals verhinderte, dass ich Dillians Namen aussprechen konnte, aber der Mann aus Distrikt Zwei schien mich auch so verstanden zu haben.
„Er war ein guter Junge. Schließlich hab ich ihn ausgebildet.“ Stolz schwang in seiner Stimme mit und nun konnte ich mir auch die angst einflößende Autorität erklären, die er im ersten Moment ausgestrahlt hatte. Als Ausbilder von überdrehten und sich für größeres haltenden Jungen, musste man wahrscheinlich so auftreten.
Wie immer, wenn etwas angenehm war, war auch der Tanz mit ihm viel zu schnell vorbei und der junge Mann aus drei kam mit einen schüchternen und zugleich schelmische Lächeln auf mich zu. Sein längeres, blondes Haar ließ ihn jünger wirken, als er wahrscheinlich war.
„Ich hasse tanzen.“, begrüßter er mich, ohne mir in die Augen zu sehen. Es schien eher, als würde er mit sich selber reden.
„Ich auch.“, versuchte ich ihn auf mich aufmerksam zu machen. Kurz schaute er mich auch an.
„Du siehst dabei aber immerhin noch bezaubernd aus.“,gestand er und wurde leicht rot.
„Versuchen wir einfach uns nicht gegenseitig auf die Füße zu treten.“ , schlug ich vor.
An sich schunkelten wir nur hin und her, was gegenüber den anderen, die einen herumwirbelten, sehr angenehm war.
„Ich bin Aaron.“, murmelte er nach einer weile, „Falls es dich interessiert.“
Wieder zwang ich ihn, mir in die Augen zu sehen. Als er es endlich tat, lächelte ich ihn an.
„Es ist mir eine Ehre dich kennen zu lernen, Aaron.“
Sein Grinsen erinnerte eher an einen kleinen Lausbuben, welches ihn nur noch mehr sympathisch machte.
Lächelnd schaute ich ihm nach dem Tanz hinterher, wodurch ich nicht einmal mitbekam, wie mein nächster Partner auf mich zu kam.
Ich erschrak, als ich mich zurück drehte und auf eine breite Brust, in blauen Satin schaute.
Schielend schaute ich nach oben, um zu sehen ob Finn auf mich sah. Er tat es nicht. Ich konnte es auch nicht.
Eine unangenehme Spannung trat zwischen uns, als das nächste Lied begann und wir nacheinander griffen.
Kurz überlegte ich, ob ich nach Cato rufen sollte, aber es kam mir dann doch zu kindisch vor.
Trotzdem sprachen wir kein Wort und wenn ich dachte, dass die letzten vier Monate uns schon weit auseinander getrieben hatten, taten es diese Minuten nur um so deutlicher.
Er war wütend auf mich, ich auf ihn.
Es war nicht mehr die brennende Wut, die ich damals, als ich erwacht war, gespürt hatte. Finn war es gewesen, der Dillian die tödliche Pille zukommen ließ, damals in der Arena. Er war es in meinen Augen gewesen, der in getötet hatte. Um mich zurück zubringen, obwohl ich es nicht wollte.
Mittlerweile war mir klar, dass meine Worte, die ich ihn danach an den Kopf geworfen hatte, hart gewesen waren, aber ich konnte sie nicht zurück nehmen und würde es auch nie tun. Ich hatte es so gemeint. Fast wäre ich genau so zusammen gebrochen wie Annie nach ihren Spielen. Nur danke meiner Eltern und Cato hatte ich einen Weg dort heraus gefunden. Nicht durch Finn. Er war wieder nach Distrikt Vier verschwunden und hatte mich allein gelassen.
Als die Musik endete, und wir voneinander wegtraten, ohne uns anzusehen, war ich mir dessen mehr bewusst, als jemals in den letzten vier Monaten. Zwischen uns würde es nie wieder so sein wie früher. Er war nicht mehr der ältere Junge, der für mich wie ein Bruder war.
Er ging weiter, ohne mich eines Blickes zu würdigen. Mir kamen die letzten Worte, die wir in unserer alten Vertrautheit gewechselt hatten, wieder in den Sinn.
„Ich hab dich lieb Finn.“
„Ich dich auch, Kleines. Ich dich auch.“
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Primrue Mellark 2 | Ungewolltes Schicksal
FanficTeil 2 (Teil 1 hier: http://www.wattpad.com/story/14799951-primrue-mellark-ungewolltes-erbe) Mein Name ist Primrue Mellark und ich habe meine Spiele gewonnen, doch nicht ohne einen furchbaren Preis dafür zu zahlen. Zurück in meinem Distrikt will ich...