Kapitel 26 - Alfons

445 50 4
                                    

Theodora schließt mit einem letzten Lächeln und einem Gruß die Tür hinter mir. Ich stehe unschlüssig auf dem breiten Flur und frage mich, was das jetzt bedeuten soll. Es hätte nicht besser laufen können – zumindest dachte ich das am Anfang. Sie war erfreut, überrascht und zuvorkommend. Wir haben uns wunderbar und ganz privat unterhalten. Ich habe gemerkt, wie vertraut wir miteinander sind und es hat mir gefallen. Sie vermittelte mir die Gewissheit, alles richtig gemacht zu haben und ich war überzeugt, dass ich ihr meine Gefühle gestehen könnte und dass sie nicht abgeneigt wäre, meinen Wunsch nach einer Beziehung mit ihr in Betracht zu ziehen. Und dann haben ihre Worte alles zerschlagen.
Sie und ich führen eine Freundschaft, ohne dass Sie gleich auf die Idee kommen würden, um mich zu werben.' Was soll ich dazu noch sagen? Außer, dass ich das Gefühl habe, all meine Träume hätten sich plötzlich in Luft aufgelöst. Ich habe das Gefühl, dass ich wieder ganz am Anfang stehe. Wie soll ich einschätzen, woran ich bei ihr bin, wenn sie doch immer alles anders deutet als ich?
Komischerweise komme ich mir auch schuldig vor. Ich hatte nie vor, einfach nur mit ihr befreundet zu sein. Ich wollte von Anfang an mehr. Habe ich mir jemals ernsthaft Gedanken darüber gemacht, was passiert, wenn sie mich nicht will? Wenn sie einen anderen bevorzugt. Ich weiß nicht, wann ich darüber hinwegkommen würde, ob überhaupt. Und gerade dieser Gedanke bereitet mir ein schlechtes Gewissen. Als würde ich sie in eine Rolle zwängen, der sie entsprechen muss, nur weil ich selbstsüchtig nach meinem Glück suche.
Ich biege in den Korridor meines Zimmers ein und kann mich nicht bewusst entsinnen, diesen Weg eingeschlagen zu haben, so vertieft bin ich in meine Gedanken.
Und dann noch der Vorschlag, sie solle ihre Schwester besuchen. Ich habe diesen Vorschlag unterbreitet, weil ich wollte, dass es ihr gut geht, weil ich weiß, dass ihre Schwester ihr sehr viel bedeutet. Aber ich kann mir schon Santos' Reaktion ausmalen. Er wird zweifellos sagen, dass ich der schlechteste Brautwerber aller Zeiten bin, weil ich meiner Angebeteten die Idee unterbreite, einfach vor meiner Nase zu verschwinden.
Ich stehe vor meiner Tür und atme tief durch. Ich wappne mich für die bohrenden Fragen meines Freundes. Eigentlich wäre ich jetzt gerne alleine, um in Ruhe darüber nachzudenken, was ich nun tun soll. Ob ich aufgeben soll. Oder ob vielleicht sogar die Chance besteht, dass Theodora am Ende lieber einen Freund wählt, als einen völlig unbekannten. Aber ich kenne meinen besten Freund gut genug um zu wissen, dass er erst Ruhe geben wird, wenn er jedes Detail aus mir herausgepresst hat. Das ist seine angeborene Neugierde und das entspricht seinem Beruf.
Ich stoße die Tür auf. Santos lümmelt auf meinem Bett, die Beine lässig überschlagen und blättert in einer Ausgabe des Adelskuriers. Bei meinem Eintreten legt er die Zeitung jedoch sofort beiseite.
„Und, was hat sie gesagt?" Er mustert mich wie einen Schauspieler auf der Bühne. Vermutlich ist mein Leben momentan auch nicht viel mehr für ihn als ein interessantes Theaterstück.
„Ich habe es ihr nicht gesagt", gebe ich zu und bin überrascht, wie gleichgültig diese Aussage aus meinem Mund klingt. Mein Freund schüttelt den Kopf. „Seit wann bist du eigentlich so feige? Was hast du denn überhaupt zu verlieren? Weißt du, das Traurige ist, dass ich das schon erwartet habe. Ist denn wenigstens dein Plan aufgegangen? Oder hat sie dich fortgeschickt, weil sie schon ahnt, was du für sie empfindest?"
Ich entledige mich meiner Weste und knöpfe die Manschetten auf. In aller Seelenruhe rolle ich meine Ärmel hoch.
„Nein. Sie ahnt gar nichts", antworte ich schließlich. „Sie hat sich gefreut, mich zu sehen, hat mich zum Plaudern in ihren Salon gebeten, meine Blume ins Wasser gestellt und mir dann gesagt, dass ich eine angenehme Gesellschaft bin, weil ich keiner ihrer Werber bin. Es sei schön, dass wir einfach nur befreundet sein können, ohne dass ich sie gleich heiraten will. Das waren so sinngemäß ihre Worte." Santos verzieht das Gesicht. „Au, das muss dein Selbstwertgefühl sehr kränken. Sie hat dich in die Ecke der Freundschaft verbannt. Tja, mein Lieber, ich will ja nichts sagen, aber aus dieser Ecke kommt man noch schwerer heraus als aus der Ecke des Misstrauens."
„Das weiß ich ja selber." Ich beginne, unruhig auf und ab zu tigern. Auf einmal ist es vorbei mit meiner äußerlichen Gleichgültigkeit. „Aber was hätte ich tun sollen?" Santos reckt bedeutungsvoll sein Kinn. „Weißt du, was du hättest tun sollen? Als sie gesagt hat ‚Werter Fürst, Sie werben ja nicht um mich', hättest du sofort sagen sollen: ‚Liebste Theodora, das ist nicht wahr, ich werbe um Sie. Bitte überlegen Sie sich die nächsten Wochen, ob Sie sich mit dem Gedanken anfreunden können, meine Frau zu werden.'"
„Ja, und was dann?!" Ich werde aufbrausend. „Dann hätte sie mich vermutlich vor die Tür gesetzt und gesagt, dass keine vernünftige Frau mich je heiraten würde. Sie hätte mich zukünftig gemieden und wir hätten nicht einmal mehr unsere Freundschaft." Santos verschränkt die Arme vor der Brust. „Vermutlich hätte sie das. Also, dich vor die Tür gesetzt. Aber vielleicht hätte sie noch hinzugefügt, dass sie keine vernünftige Frau ist und es sich überlegt."
Ich vergrabe mein Gesicht in den Händen. „Das ist ein Desaster." Santos nickt zustimmend. „In der Tat. Aber Alfons, überlege dir wirklich, ob du willst, dass die deinen Namen mit all den anderen vom alten König erfährt. Nach allem, was ich über sie weiß, schätzt sie Ehrlichkeit. Deshalb erträgt sie dich auch, weil ihr deine verbalen Frontalangriffe nicht peinlich sind. Wenn du es ihr verschweigst, fühlt sie sich in zwei Wochen hintergangen. Vor allem, wenn ihr euch schon darüber unterhaltet und du sie nicht verbesserst, wenn sie dich für einen einfachen Freund hält. Ganz ehrlich, ich hätte nicht gedacht, dass ich das mal sage, aber kämpfe um sie. Ihr beiden seid füreinander geschaffen. Jeden anderen der armen Männer, die gerade um ihre Aufmerksamkeit buhlen, wird sie in den Wahnsinn treiben."
Ich nicke langsam. „Ich weiß, dass du recht hast. Und dass sie es mir wirklich übel nehmen wird, wenn ich nicht mit offenen Karten spiele. Aber ich glaube, das ist nicht mehr das einzige Problem, das ich habe."
Santos kneift die Augen zusammen. „Sag mir jetzt bitte nicht, dass du etwas Dummes gemacht hast." Ich seufze. „Möglicherweise habe ich ihr geraten, in ihre Heimat zu fahren. Sie sorgt sich um ihre Schwester..."
Mein Freund starrt grüblerisch an die Decke. „Vielleicht ist das gar nicht das Schlechteste. Ich meine, im Werben bist du ein hoffnungsloser Fall und je weniger du tun musst, desto weniger kannst du falsch machen. Außerdem dürfte sich die Zahl der Werber deutlich ausdünnen und Theodora hat weniger Gelegenheit, die Herren kennenzulernen. Und wenn du ihr dann vor ihrer Abreise noch gestehst, dass du sie liebst, hat sie ganz viel Zeit, auf ihrer Reise darüber nachzudenken."
Santos greift wieder nach dem Adelskurier. „Weißt du was, Alfons? Manchmal solltest du einfach handeln und nicht so viel darüber nachdenken, was passieren könnte. Im Grunde liegt die Entscheidung bei ihr. Du hast es lediglich in der Hand, ob du in ihre Entscheidung einbezogen wirst oder nicht."
Damit ist das Gespräch dann wohl beendet. Ich setze mich an den Sekretär und greife nach den Unterlagen mit dem aktuellen Stand der Verträge, um sie für die morgige Verhandlung noch einmal durchzugehen. Aber richtig konzentrieren kann ich mich nicht. Santos liegt vollkommen richtig. Ich muss jetzt endlich Initiative ergreifen, sonst trete ich auf der Stelle und vertue meine Chance.

Die FürstinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt