Kapitel 3 - Alfons

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Meine Gedanken sind über die Fahrt in ein belangloses Nichts abgeglitten. Draußen regnet es inzwischen in Strömen und ich habe Mitleid mit meinem armen Kutscher. Auch wenn sich die feine Gesellschaft selten um ihre Bediensteten schert, ist es mir wichtig, dass es den Menschen, für die ich Sorge trage, gut geht. Sie alle tragen dazu bei, dass in meinem Haushalt und in meinem Fürstentum alles reibungslos funktioniert. Ich werde im Palast alle Hebel in Bewegung setzen, dass er nach dieser nassen, kalten Tortur ein anständiges heißes Bad und ein komfortables Zimmer bekommt.

Ich fokussiere meinen Blick auf die Umgebung. Bei dem trüben Wetter draußen ist es schwierig, etwas zu erkennen, doch ich meine, dass wir uns in der Nähe des Palastes befinden. Ich weiß nicht so ganz, was mich erwartet. Als Junge bin ich manchmal mit meinem Vater bei Hofe gewesen, doch das ist viel zu lange her. Mich stößt das protzige Gehabe der Adligen ab, die nichts weiter tun als auf ihrem eigenen Reichtum zu sitzen. Gerade deswegen weigere ich mich auch, mich für einen Besuch im Palast fein zu machen. Meine Kleidung ist sicherlich weniger repräsentativ als die königliche Jagdgarnitur und auch der gestutzte dunkle Bart, der meine Kinn- und Wangenpartie bedeckt, bildet einen scharfen Kontrast zu den meist glatt rasierten Herren der Oberschicht, die sich, wenn überhaupt, ab vierzig einen Schnauzer stehen lassen.

Die Kutsche kommt plötzlich ruckartig zum Stehen und reißt mich aus meinen Grübeleien. Ich bin verwirrt, bis der Kutscher vor meinem Fenster auftaucht, die Tür öffnet und meint: „Durchlaucht, es gibt ein Hindernis auf dem Weg. Ich fürchte, Sie müssen sich eine Weile gedulden."

Ich seufze und beschließe, trotz Regen ein paar Schritte auf und ab zu gehen. Geduld war noch nie meine Stärke.

In Erwartung eines Bauernkarren oder etwas ähnlichem verlasse ich die Kutsche, doch auf die tatsächliche Szenerie bin ich nicht vorbereitet.

Die schmale, schlammige Zufahrt, auf der wir uns befinden, führt auf der rechten Seite steil abwärts eine Böschung hinunter. Das Gefährt vor uns, eine prächtige Kutsche mit – soweit ich das erkennen kann – königlichem Wappen, ist mit einem Hinterrad vom Weg abgekommen und droht, abwärts zu rutschen. Die zwei Pferde sind nervös, ein Mann, offenbar der Kutscher, sitzt etwas abseits und hält sich die blutige Stirn und eine junge Frau hat die Tiere am Zügel gegriffen und versucht sie zu beruhigen. Das alles erfasse ich im Bruchteil einer Sekunde.

„Worauf wartest du?", blaffe ich meinen Kutscher an, der offenbar die Brenzligkeit der Lage nicht durchschaut hat. „Durchlaucht?", hakt er auch sogleich unsicher nach. Da er offenbar nicht weiß, was zu tun ist, deute ich auf den blutenden Mann, die weitaus einfachere Aufgabe in diesem Dilemma.

„Erkundige dich nach ihm und schau, ob du etwas tun kannst. Ich helfe der Dame."

Ich eile zu dem Zweispänner, bedacht darauf, auf dem matschigen Boden nicht auszurutschen und keine hektischen Bewegungen zu machen, um die Pferde nicht noch mehr zu erschrecken. Die junge Frau bemerkt mich und ich sehe Erleichterung in ihrem Gesicht, während sie weiterhin mit den Tieren kämpft.

„Die Kutsche ist vom Weg abgekommen und durch den Regen sind die Pferde nervös", setzt sie mich ins Bild, ohne dass ich nachfragen muss. „Ich fürchte, dass die Kutsche zu schwer ist, um sie wieder auf den Weg zu bekommen. Mein Kutscher hat eine Hufe abbekommen, ihm ist ein bisschen schwindelig, er kann mir nicht helfen." Ich nicke. „Bleiben Sie ruhig, ich übernehme die Pferde und Sie begeben sich aus der Reichweite der Tiere. Ich möchte Sie nicht auch noch blutend am Boden sitzen sehen."

Zu meiner Überraschung schüttelt die Dame energisch den Kopf. „Nein, ich brauche Sie, damit Sie die Pferde ausspannen. Wenn die Kutsche abstürzt, haben sie auf dem Boden nicht genug Halt und werden ebenfalls die Böschung hinunterrutschen." Ich runzele die Stirn. „Sind Sie sicher? Wenn ich die Pferde ausspanne, wird die Kutsche nicht mehr zu retten sein."

Die FürstinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt