Ich sitze in der Bibliothek an einem großen Tisch und rechne das Budget für unsere kleine Hochzeit durch, während Theodora mir gegenüber konzentriert Adressen zusammenschreibt und den Text der Einladungskarten für die Druckerei in Reinschrift bringt. Ich habe ihr auch angeboten, dass einer meiner Bediensteten diesen unliebsamen Papierkram übernehmen könnte, doch sie wollte davon nichts wissen. Eine Einladung sei etwas Persönliches und deshalb werde sie sich auch selbst darum kümmern.
Ich hatte fest vorgehabt, ihr ein rauschendes Fest zu bieten, so wie sie es auch bei Hofe gehabt hätte. Doch Theodora hatte mich mit dem Vorschlag überrascht, eine kleine Feier abzuhalten mit der Trauung in der nahegelegenen kleinen Kapelle, einer kurzen Prozession durch die umliegenden Dörfer, um Glückwünsche entgegenzunehmen und die neue Fürstin vorzustellen und einem anschließenden Bankett in den Gärten des Anwesens, unter freiem Himmel. Ich hatte nur gelächelt und ihr zugestimmt, denn das war auch immer meine Vorstellung von meiner Hochzeit gewesen. Und es hatte mir wieder einmal offenbart, wie wenig Theodora an diesem ganzen Prunk und Protz liegt.
Ich betrachte sie liebevoll, wie sie ihre Stirn über der Adressliste runzelt. Ab und zu wirft sie einen Blick auf Kassandra, die es sich in einer Fensternische bequem gemacht hat und die neueste Ausgabe des Adelskuriers durchblättert.
Ich fühle mich glücklich, dass ich meiner Zukünftigen die Sorge um ihre Schwester nehmen konnte. Doch Theodora ist eine Angst geblieben: Dass sie meinen Ruf ruiniert hat. Egal, wie oft ich ihr sage, dass es für mich keine Rolle spielt, egal, wie oft ich betone, dass sie für unsere Zukunft das weit größere Opfer gebracht hat – sie macht sich Vorwürfe, dass sie sich überhaupt auf die Verlobung mit Graf von Guondal eingelassen hat. Ich werfe es ihr nicht vor. Wir haben beide unsere Fehler gemacht und wir haben so unglaubliches Glück, dass wir uns wiedergefunden haben und nicht mehr zulassen werden, dass sich etwas zwischen uns stellt.
Doch ich sehe Theodora ihre Sorge jeden Tag von neuem an, wenn sie die Zeitungen durchblättert und nach verlogenen Artikeln über uns sucht. Ich rechne auch damit, jeden Tag aufs Neue. Der König wird sich diese Chance nicht entgehen lassen. Aber ich werde nicht zulassen, dass dieser Umstand einen Schatten auf unsere Beziehung wirft.
„Das gibt es nicht!", ruft Kassandra plötzlich erstaunt aus und ihr Blick schnellt zwischen uns und der Zeitung hin und her.
„Was ist denn?", fragt Theodora sofort alarmiert. Ihre Schwester schmunzelt und wirft uns über den Rand der Zeitung einen Blick zu. „Ich vermute stark, das ist der Artikel, auf den ihr gewartet habt." Panisch springt Theodora auf und reißt ihr den Kurier aus der Hand, während ich mich ebenfalls erhebe und hinter sie stelle, um mitlesen zu können.
Skandal um Theodoras Verlobung - Der Schuldige ist entlarvt
Seit Tagen kursieren zweifelhafte Gerüchte über die Verlobung von Baroness Theodora von Mühlen mit Graf von Guondal. Zeugen berichten von intimen Momenten zwischen der Hofdame und dem jungen Fürsten von Kroesus am Abend der Feierlichkeiten und hinterfragen das schnelle Verschwinden der Baroness unmittelbar nach Verkündung der Verlobung. Zudem berichten verlässliche Quellen, dass die Hofdame schon vor Tagen den königlichen Hof von Calia verlassen habe.
Hat Baroness Theodora von Mühlen, Hofdame, Vorbild, glänzender Stern und Sinnbild des Königshauses, etwa eine Affäre?
Wie König Ursus von Calia nun in einer öffentlichen Verlautbarung bekannt gegeben hat, handelt es sich um ein ungewöhnliches Missverständnis.
„Jeder, der die letzten Wochen am königlichen Hof gewesen ist, konnte Zeuge der tiefen Zuneigung zwischen Baroness Theodora und Fürst von Kroesus werden. Schon nach wenigen Tagen gab ich meine Zustimmung zum Werben des Fürsten und bin glücklich, dass diese Verbindung zustande gekommen ist. Ich heiße die Beziehung aus politischer und persönlicher Sicht gut und wünsche dem zukünftigen Ehepaar von Kroesus alles Gute", so Seine Majestät.
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Die Fürstin
Historical FictionEine berühmte Hofdame. Ein einflussreicher, junger Fürst. Ein Konflikt zwischen Liebe und politischem Streit. Theodora von Mühlen zählt als eine der einflussreichsten Personen am calischen Hof und stützt als Hofdame das Prestige der Königsfamilie. F...