Kapitel 15 - Theodora

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Fürst von Kroesus nimmt mir das leere Champagnerglas aus der Hand – das zweite an diesem Abend – und ersetzt es durch einen alkoholfreien Punsch. Ich nippe an dem fruchtigen Getränk, dankbar dafür, dass es mich vor einem frühzeitigen Alkoholrausch und der damit nur allzu schnell auftretenden Leichtigkeit bewahrt. Ich bin in Gesellschaften gern Herrin meiner Sinne.

„Ich hoffe, Sie fühlen sich durch die Art, wie ich über Ihre Getränke bestimme, nicht bevormundet, Baroness", bemerkt Fürst von Kroesus in einer lockeren Art. „Wieso sollte ich?", gebe ich ebenso zurück und bin erleichtert darüber, dass ich mich im Laufe der letzten Stunde an ihn an meiner Seite und seinen Umgangston gewöhnt habe und mir nicht mehr über jedes Wort den Kopf zerbreche.

Er deutet in den Raum hinein auf die ein oder andere Dame, die bereits jetzt einen leichten Schwips hat. Ich schüttele den Kopf. „Solch ein Verhalten kann ich mir in meiner Position leider nicht leisten. Einen unglücklich formulierten Satz oder ein womöglich auftretendes Malheur wird man mir nicht so schnell verzeihen, auch wenn der Alkohol daran schuld sein sollte."

Der Fürst lächelt. „So ähnlich hat meine Mutter es auch immer formuliert. Sie hat mir regelrecht eingebläut, maßvoll zu sein. Ich vermute, sie hatte ihre eigenen negativen Erfahrungen mit zu viel Alkohol gemacht."

„War sie denn sehr streng?", frage ich interessiert und gleichzeitig vorsichtig, da ich weiß, dass seine Mutter bereits seit einigen Jahren nicht mehr lebt. Doch er lässt sich nicht anmerken, dass ihm dieses Thema in irgendeiner Weise Unbehagen bereiten würde. Stattdessen tritt ein Schmunzeln auf sein Gesicht, das auch seine Augen erhellt.

„Nein, eigentlich war sie überhaupt nicht streng. Ihr Vater ist Graf einer kleinen Provinz in Cortex gewesen – ländliches Gebiet, wenig kulturelle Teilhabe – deshalb ist sie sehr freigeistig aufgewachsen. Sie konnte lernen, was sie interessiert und die Erfahrungen machen, die man als junger Mensch machen muss und sie musste neben drei Brüdern bestehen, was nicht gerade dazu beigetragen hat, dass sie viel Wert auf Manieren legte. Mein Vater hat sie eigentlich nur zufällig kennengelernt. Er war auf einer Landwirtschaftsmesse in Cortex, um sich über Neuheiten des landwirtschaftlichen Sektors zu informieren, die Kroesus nützen könnten. Und er hat immer sehr lebhaft erzählt, wie sie ihm imponiert hat, indem sie einem jungen Burschen einfach die Rute aus der Hand nahm und eine störrische Kuh antrieb, die sich vorher einfach nicht vom Fleck bewegen wollte.

Ich finde, man hat ihr die Freiheit und Ländlichkeit immer ein wenig angemerkt, im positiven Sinne. Wenn mein Vater besonders streng mit mir war, hat sie mir zugezwinkert und später einen Keks zugesteckt. Und sie hat dafür gesorgt, dass mir mein Status nicht zu Kopf steigt und ich bodenständig bleibe. Zumindest bilde ich mir ein, es zu sein, wenn ich nicht gerade bei Hofe bin."

Seine Erzählungen geben mir ein warmes Gefühl. Ich kann mir plötzlich vorstellen, woher er kommt, welche Wurzeln er hat und warum er so ist, wie er ist. Und ich fühle mich geschmeichelt, dass er so ohne zu zögern mit mir seine Familiengeschichte teilt. Ich habe das Gefühl, als wäre er nahbarer geworden.

„Was sind Ihre Eltern für Menschen?", fragt er und ich höre den Hauch von Vorsicht in seiner Stimme. Doch ich zögere nur den Bruchteil einer Sekunde, bevor ich beginne zu berichten. Ich habe den Eindruck, als könnte ich ihm gegenüber Privates preisgeben.

„Ich wünschte, meine Eltern wären ein bisschen wie Ihre Mutter", sage ich und kann nicht verhindern, dass mein Bedauern deutlich in meinen Worten mitschwingt. „Mühlen ist keine besonders wichtige Baronie und ich persönlich habe nie ein Problem damit gehabt. Wie Ihre Mutter bin ich sehr ländlich aufgewachsen und als kleines Mädchen im Sommer barfuß über die Felder gerannt oder regelmäßig in den Bach gefallen." Er lacht amüsiert. „Aus irgendeinem Grund kann ich mir das sehr gut vorstellen", bemerkt er und ich spüre, wie meine Wangen heiß werden. Ich senke den Blick auf mein Glas.

Die FürstinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt