Kapitel 14 - Theodora

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Ich knete nervös meine Hände und streiche immer wieder mein makelloses violettes Kleid glatt. Ich bin gefühlt seit einer halben Stunde fertig, damit Fürst von Kroesus nicht auf mich warten muss. Es ist seltsam, sich jemandem zu verpflichten, und sei es nur ein Abend. Und ich finde es mehr als bemerkenswert, dass es ausgerechnet wir beide sind, die im Normalfall kein großes Interesse für das aufbringen, was sich gehört. Ich habe den Wunsch meiner Freundin erfüllt – zumindest lasse ich es nicht zu, überhaupt darüber nachzudenken, ob ich wirklich nur ihrer Bitte gefolgt bin. Doch die Motive des Fürsten sind mir schleierhaft. Und das stört mich mehr, als ich es mir selbst eingestehen will.
Ich rekapituliere den Vormittag. Katharinas Zeremonie war wundervoll. Obwohl weiterhin der Wehmut mitschwingt, sie zu verlieren, war ich doch stolz darauf, als Brautjungfer neben ihr zu stehen, als sie ihrem Lelac das Jawort gab. Sie tat es liebevoll und ohne zu zögern und kurz dachte ich, dass die Ehe vielleicht doch nicht so schlimm ist, solange man so eindeutig zusammengehört wie die beiden. Es folgten die ersten Glückwünsche, eine kurze Ansprache von König Ursus und dann war es Zeit, sich zurückzuziehen und für den Ball umzukleiden. Seitdem bin ich ein Nervenbündel.
Allein die Tatsache, dass der König von mir erwartet, dass ich einen positiven Eindruck und Einfluss auf den jungen Fürsten habe, könnte mir genügend Angst einjagen. Aber hinzu kommt noch, dass ich absolut nicht weiß, was ich von ihm denken soll. Ich fühle mich unsicher in seiner Gegenwart. Meine herrischen Seiten amüsieren ihn, meine Zurschaustellung von Wissen macht mich für ihn interessant und wenn ich gesellschaftlichen Konsens überschreite, beeindruckt ihn das. Er nimmt das alles als meinen Charakter zur Geltung, als Bemühen, mir in einem festen System ein Stück Freiheit zu bewahren und steht damit im Kontrast zur landläufigen Meinung des Adels. Ich habe reiche, snobistische Herren mehr als einmal sagen hören, dass sie mich für herrisch und egozentrisch halten.
Die letzten Tage über ist in mir die Sorge erwacht, dass ich ihn möglicherweise bei Hofe vermissen könnte, wenn er wieder geht. Ich male mir bereits jetzt die Einsamkeit und Wehmütigkeit aus, die ich empfinden werde, wenn Katharina nicht mehr um mich ist, um mit mir zu lachen, mich zur Ordnung zu rufen oder mich liebevoll zu necken. Natürlich gibt es noch Ernestine, für die ich mich in gewisser Weise verantwortlich fühle und der ich gerne ein gutes Vorbild sein möchte. Aber ich habe die Angst, dass letztlich nur die Sinnlosigkeit und Langeweile bleiben. Vor allem, wenn Alfons von Kroesus mitsamt seines schelmischen Lächelns, seiner brüskierend ehrlichen Art und all seiner Kompliziertheit nach Kroesus zurückkehrt.
Ein forsches Klopfen lässt mich aufspringen. Meine Zofe will sich Richtung Tür begeben, doch ich eile hastig an ihr vorbei und öffne sie selbst, leicht atemlos. Ich muss dringend zur Ruhe kommen und da kann ich es nicht gebrauchen, dass er hereingebeten wird – wie es sich zweifellos gehört – und seinen aufmerksamen Blick durch meine Gemächer schweifen lässt, wie er es zweifellos getan hätte.
Er blickt mich mit einem rätselhaften Lächeln an. „Haben Sie keine Zofe? Oder wollen Sie verhindern, dass ich Einblick in Ihre Räumlichkeiten erhalte?", fragt er neckend und, wie so oft, erschreckend treffsicher in seinen Vermutungen. Ich bin froh, dass ich nicht rot werde.
„Es ist nicht aufgeräumt", flunkere ich. „Und darüber hinaus handelt es sich um Standardgemächer, die ich mir gerne geschmackvoller eingerichtet hätte und von denen Sie wohl kaum beeindruckt wären. Es gibt heute Abend wahrlich interessantere Dinge, denen wir uns zuwenden können", füge ich hinzu, um zu verbergen, dass es mir sehr wohl merkwürdig vorkommen würde, ihn in meinem Salon zu haben. „Außerdem schadet es nicht, kurz vor dem offiziellen Festakt aufzutauchen. Das garantiert gute Plätze."
Er nimmt meinen Redeschwall kommentarlos hin und bietet mir seinen Arm an. Ich hake mich ein. „Sie sehen sehr schön aus", schenkt er mir ein unumwundenes Kompliment. „Ich mag dunkle Farben an Ihnen, es macht Sie geheimnisvoll."
Ich schaue betreten überall hin, nur nicht in seine Richtung. „Vielen Dank. Sie halten sich gut in der höfischen Konversation, ganz anders als man es von Ihnen sagt. Obwohl Sie vielleicht an Ihrer Direktheit arbeiten müssten, das ist hier eher unüblich."
Er zuckt mit den Schultern. „Erstens bin ich gerne direkt. Es macht die Kommunikation eindeutiger und vermeidet Missverständnisse. Und zweitens unterhalte ich mich nur gerne und gut mit Menschen, bei denen mir auch daran liegt." Er lässt die Aussage ein paar Sekunden so stehen, dann fragt er locker: „Also, worauf muss ich bei Ihnen achten? Bevorzugen Sie Weißwein oder Rotwein? Müssen Sie regelmäßig an die frische Luft? Unterhält man Sie besser mit kurzen Anekdoten oder mit tiefgreifenden Diskussionen? Gibt es Personen, die Sie nicht mögen und die wir besser meiden sollten?"
Ich schaue ihn überrumpelt an. „Meine Güte, ist es wirklich so viel Arbeit, eine Dame auf ein Fest zu begleiten? Ich kann Sie beruhigen: Ich bin nicht wählerisch und wenn mir etwas fehlt, dann sage ich es. Wenn möglich, würde ich nur darum bitten, König Ursus zu meiden. Wenigstens heute Abend möchte ich mich seinen Ansprüchen entziehen."
Damit ist alles gesagt. Fürst von Kroesus nimmt es zur Kenntnis und führt mich zielstrebig Richtung Ballsaal. Ich beobachte ihn unauffällig aus den Augenwinkeln. Mir kommt der Gedanke, dass mich seine Manieren eigentlich nicht überraschen sollten. Die Familie von Kroesus ist zwar für ihren Eigenwillen bekannt, aber auch – und das scheine ich, genau wie allen anderen, immer wieder zu vergessen – für ihren hohen Bildungsstandard. Ich erinnere mich sogar daran, in einem Artikel gelesen zu haben, dass die Ausbildung der jungen Fürsten der königlichen Bildung kaum nachstehe. Ich nehme an, das ist auch notwendig, wenn man mit dem Königshaus streitet.
Wir haben den Weg geschafft und treten nun in den schon reichlich gefüllten Ballsaal. Fürst von Kroesus besorgt mir zielstrebig ein Champagner-Glas und führt mich durch die Menge an einen günstigen Platz, um den Einzug des Ehepaares zu beobachten. Ich bin mir ziemlich sicher, dass er im Grunde keinen Wert darauf legt, aber er weiß, was meine Freundin mir bedeutet und möchte, dass ich nichts verpasse.
Ich sehe mich um und bemerke die vielen Blicke, die auf uns gerichtet sind. „Was die wohl alle denken", schießt es mir durch den Kopf und erst, als Fürst von Kroesus darauf antwortet, wird mir peinlich bewusst, dass ich meine Überlegung laut geäußert habe.
„Ich nehme an, sie zermartern sich ihr Hirn. Die einen werden denken, dass Calia und Kroesus auf dem besten Weg sind, Frieden zu schließen. Die anderen, dass ich an Ihnen interessiert bin. Die nächsten, dass wir eine starke Allianz abgeben würden. Und wieder andere, dass Sie die Freundlichkeit und Größe besitzen, mich bei Hofe einzubinden."
„Und, stimmt es denn?", frage ich ihn und realisiere wieder erst zu spät, dass ich vielleicht vorher hätte denken und meine Frage konkreter hätte stellen müssen. „Ich meine, nicht ihr Punkt mit der Allianz oder Ihrem Interesse... Wie auch immer. Ich meine die Calia-Kroesus-Frage."
Er lächelt mich an. Es ist ein Lächeln, das seine Augen erreicht und so offen ist, dass ich nicht anders kann, als Sympathie für ihn zu empfinden.
„Ich möchte heute Abend nicht über Politik reden, wenn es Ihnen recht ist. Und mir ist ziemlich egal, was die anderen annehmen. Keiner dieser Gedanken würde mich stören, weil es doch im Grunde darauf ankommt, wie wir zueinander stehen. Und was meinen Teil angeht, so glaube ich fast, dass wir den Weg zu einer intellektuellen Freundschaft einschlagen könnten."
Ich bin mir nicht ganz so sicher, was er damit meint, aber im Moment ist es mir tatsächlich gleichgültig. Ich genieße es, dass jemand neben mir steht, mir aufdringliche Gäste vom Leib hält und dafür sorgt, dass ich einen guten, unverstellten Blick auf das Geschehen habe. Ich muss mir überrascht eingestehen, dass es tatsächlich ganz angenehm ist, jemanden an seiner Seite zu haben.

Die FürstinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt