Kapitel 11 - Theodora

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Katharina betrachtet sich zweifelnd im Spiegel. „Ach, ich weiß nicht so recht", meint sie unzufrieden. „Weiß ist irgendwie nicht meine Farbe." Ich verkneife mir mit Mühe ein Lachen und erwidere dann ernsthaft und aufrichtig: „Du siehst wunderschön aus. Du wirst fabelhaft aussehen als Braut und Lelac wird seine Augen nicht von dir lassen können."
Meine Freundin seufzt. „Aber ich sehe blass aus. Louisa hat an ihrem Hochzeitstag so strahlend ausgesehen und ich werde dastehen wie ein farbloses Etwas."
Die Schneiderin wirft mir einen hilflosen Blick zu. Ich weiß, wieviel Mühe sie und ihre Mitarbeiterinnen sich in den letzten Tagen und Nächten gegeben haben, damit das Hochzeitskleid so kurzfristig fertig wird und dennoch einer Adelshochzeit würdig ist. Und ich finde, sie haben sich selbst übertroffen. Katharina hat bei der Auswahl auf klare Linien und versteckte Details gesetzt und nicht so sehr auf überbordende Verzierungen. Dafür hat sie sich den hochwertigsten Stoff und eine teure Spitze gegönnt – eine gute Wahl, wie ich finde.
„Katharina, du siehst wundervoll darin aus und das weißt du. Lass dir hinaus helfen und dann unterhalten wir uns. Ich bin mir ziemlich sicher, dass nicht das Kleid das Problem ist."
Sie leistet meiner Aufforderung stumm Folge und lässt sich dann undamenhaft neben mir auf das Sofa in ihrem Salon fallen. Das Personal verabschiedet sich mit einem eiligen Knicks.
„Was ist los?", frage ich sie und streiche ihr beruhigend über den Arm. Katharina ist in der Regel die Ruhe in Person. Nur zu Beginn ihrer Hofdamenzeit habe ich sie so unruhig und selbstkritisch erlebt. Während sie sich nach außen immer vorbildlich geben konnte, brachen in den privaten Stunden die Selbstzweifel über sie herein.
„Weißt du, natürlich habe ich ihn mir ausgesucht, aber im Grunde ist es doch eine arrangierte Ehe. Ich weiß doch gar nicht so viel über ihn, vielleicht hat er komische Eigenarten, die ich nicht mag oder er beginnt, etwas an mir nicht zu mögen. Und womöglich hätte ich später geheiratet, wenn ich es mir hätte aussuchen dürfen. Wer sagt denn, dass ich schon bereit für eine Ehe bin?", fasst Katharina ihre Sorgen zusammen.
Ich greife tröstend nach ihrer Hand. „Ich kann mir nicht vorstellen, wie das für dich sein muss, Katharina. Du bist nur kurz verlobt und bald verheiratet, natürlich muss dir das Angst machen. Aber weißt du, gerade weil du dir so viele Sorgen machst, weiß ich, dass du deinen Lelac sehr magst und einfach nicht möchtest, dass etwas schief geht. Und das ist doch letztlich die beste und sicherste Basis für eine Ehe. Außerdem kenne ich keine Person, die so wenige komische Eigenarten hat, wie du. Du kannst dich an jede Lebenssituation anpassen und du wirst keine Schwierigkeiten haben, Ehefrau zu sein. Da bin ich mir sicher."
Sie drückt meine Hand. „Ich wünschte, ich müsste dich nicht verlassen. Oft bin ich einfach nur so ruhig, weil du da bist. Unsere gemeinsame Zeit hier war schon etwas Besonderes, oder?" Ich nicke. „Auf jeden Fall. Und ich wünschte auch, du könntest bleiben. Aber", ich bemühe mich um einen optimistischen Tonfall, „seine Baronie ist nicht so sehr weit entfernt. Wir können uns jede Woche zum Tee treffen. Zumindest am Anfang. Ich habe das ungute Gefühl, dass der König mich auch bald unter die Haube bekommen will."
Katharina lächelt verschmitzt. „Oh ja, ich glaube, das wird spannend. Um es mit der Spitzzüngigkeit dieses Herrn Melatoni auszudrücken: Ich frage mich, wer dich wohl aushalten würde."
Ich boxe ihr spielerisch gegen den Arm. „Das ist gemein", sage ich maulig. „Bei deinem Verlobungsball habe ich viel getanzt und auch sonst bin ich sehr gesellig." Meine Freundin kichert. „Du hast fast nur mit dem Kronprinzen getanzt. Und das auch nur, weil er sich wohl ebenso wenig für Damen interessiert, wie du für Herren. Überhaupt, warum suchst du dir für meine Hochzeit zur Abwechslung nicht mal eine feste Begleitung? Es ist durchaus angenehm, sich von einem Herrn durch den Saal geleiten zu lassen, über den Abend hinweg ein tiefes Gespräch aufzubauen und sich ab und zu Erfrischungen reichen zu lassen. Ernestine zum Beispiel hat schon eine Einladung von so einem Baron angenommen."
Ich verdrehe gespielt genervt die Augen, aber Katharina hat sich an dieser Idee festgebissen. Beharrlich argumentiert sie: „Natürlich bist du die einzige Frau, die sich leisten kann, allein zu erscheinen, ohne dass es traurig wirkt, weil deine besondere Stellung und dein Charakter es rechtfertigen. Aber meinst du nicht auch, es wäre amüsanter für dich, wenn du einen freundlichen Herrn an deiner Seite hättest? Und es würde deine Aufgeschlossenheit dem männlichen Geschlecht gegenüber zeigen, was nur von Vorteil sein kann. Sollte der König dich in naher Zukunft tatsächlich verloben wollen, bringt es dir unter Umständen ein paar Werber mehr ein, unter denen du wählen kannst. Sonst traut sich doch niemand bei dir."
Ich runzele wenig begeistert die Stirn. „Ach, ich weiß nicht. Was ist, wenn ich nach zwei Stunden schon gelangweilt bin? Und überhaupt, wer soll mich denn fragen, ob ich seine Begleitung sein will? Es ist weithin bekannt, dass ich allein zu erscheinen pflege."
Katharina überlegt ein paar Sekunden, dann meint sie: „Mit diesen Bedenken kannst du Recht haben. Vielleicht solltest du einfach selber jemanden fragen."
Ich starre sie verdattert an. „Bitte was?! Ich weiß, dass ich vergleichsweise fortschrittlich bin, was meine Kompetenzen als Frau betrifft, aber ich kann doch nicht einfach so einen Herrn auffordern, mich zu begleiten. Welcher Mann würde sich da nicht in seiner Ehre verletzt fühlen?"
„Du musst es halt schlau anstellen", führt Katharina eifrig aus und ich merke, wie sie in dieser Idee aufblüht. „Du kannst gegenüber dem Mann deiner Wahl fallen lassen, dass du dieses Mal eine Begleitung suchst. Und dann fragst du, ob er schon eine hat."
Ich schüttele den Kopf. „Nein, das wird nicht passieren. Tut mir leid, aber ich fühle mich allein einfach wohler."
Ein Klopfen an der Tür unterbricht dieses leidige Thema und ich springe eilig auf, um die Tür persönlich zu öffnen. Ernestine steht etwas atemlos davor. „Ach, hier bist du", meint sie an mich gewandt. „Seine Majestät wünscht ein Gespräch mit dir und erwartet dich in seinem Studierzimmer."
Ich runzele die Stirn. „Hat er gesagt, was er will?" Ernestine schüttelt den Kopf. „Ich habe keine Ahnung. Ich war auch etwas verwirrt, warst du nicht erst heute Morgen bei ihm? Ich habe nur mitbekommen, wie sein Kammerdiener durch das Schloss geeilt ist und dich gesucht hat, weil er dich im Musikzimmer nicht gefunden hat, wo du sonst immer bist um diese Zeit."
Katharina schaltet sich ein: „Ja, Theodora hat mir mit dem Brautkleid geholfen. Ich hatte meine finale Anprobe und wollte sie gern dabeihaben." An mich gewandt fügt sie hinzu: „Vielleicht ist er doch sauer, dass du für Kroesus Partei ergriffen hast. Womöglich hat sich der Fürst beleidigend verhalten."
Ernestine schaut mich mit großen Augen an. „Warum hast du Fürst von Kroesus unterstützt? Ist er nicht ein unverschämter, ignoranter Schnösel, der dem Königshaus schaden will?" Ich seufze. „Ich würde für nichts einstehen, wovon ich nicht überzeugt bin. Und die Königsfamilie stand in der Schuld von Fürst von Kroesus. Manchmal, Ernestine, sind die Dinge nicht ganz so schwarz-weiß. Wenn es nichts mehr gibt, würde ich jetzt gerne meine Audienz wahrnehmen."
Ohne abzuwarten, ob es noch etwas gibt, rausche ich aus dem Salon. Ich habe nicht die Geduld, Ernestine das gesamte Vorgehen zwischen Fürst von Kroesus, dem König und mir zu erläutern. Und ich bin keine Person, die unangenehme Gespräche vor sich herschiebt. Aus irgendeinem Grund habe ich das Gefühl, dass mir die Audienz beim König Sorgen machen sollte.

Die FürstinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt