Kapitel 17 - Theodora

508 50 1
                                    

Katharina reicht mir ein Unterkleid, das ich gewissenhaft zusammenlege und dann in der bereits zweiten Truhe verstaue. Währenddessen ordnet sie ihren Schmuck und schiebt einige Unterlagen zusammen.
Sie seufzt. „Es ist so seltsam, wie man von einem Tag auf den anderen ein ganzes Leben zurücklassen kann. Diese ganzen prunkvollen Kleider zum Beispiel. Es wird in Lelac, in meinem neuen Heim, keinen Anlass geben, an dem ich je so eines werde tragen müssen."
Ich runzele die Stirn. „Macht dir das Angst? Dass du vieles, was du gewöhnt bist, nicht mehr haben wirst? Dass du einen schlichteren Lebensstil haben wirst und andere Aufgaben, die es zu meistern gilt?" Katharina schenkt mir ein Lächeln. „Ehrliche Antwort? Es macht mir überhaupt keine Angst. Es ist ein befreiendes Gefühl, aus dem Rampenlicht zurückzutreten und sich endlich um sein eigenes Leben kümmern zu können. Gastgeberin im eigenen Haus zu sein, sich einen Freundeskreis aufzubauen und eine Familie zu gründen. Ich glaube, ich bin mehr als bereit dafür. Und Lelac macht es mir so leicht, für ihn hier alles zurückzulassen. Dir gegenüber kann ich sagen, dass unsere vergangene gemeinsame Nacht mir alle Zweifel genommen hat, die ich eventuell vorher noch hatte."
Für mich erscheint es schwer vorstellbar, dass meine beste Freundin nun eine verheiratete Frau ist. Die Gedanken an ein eheliches Leben erscheinen mir so fern, weil sie momentan nicht zu meiner Realität gehören. Aber ich spüre, dass sie glücklich ist und das stimmt auch mich tröstlich angesichts dieses Abschiedes.
„Ich war ja sehr erleichtert, zu sehen, dass du im Fortgang des Abends wieder ein Stückchen nüchterner geworden bist", sage ich neckend, weil ich im Laufe des Morgens bemerkt habe, wie peinlich ihr dieser Alkohol-Ausrutscher gewesen ist. Sie reicht mir ein paar weitere Kleider, die ich verstauen soll.
„Im Ernst, ich habe keine Ahnung, wie das passieren konnte. Ich habe den Champagner nicht angerührt und hatte fest vor, erst kurz vor Mitternacht einen Wein zu trinken. Aber ich habe meinen missratenen Neffen im Verdacht. Er hat mir ein Getränk gereicht und vermutlich etwas hineingegeben. Später habe ich ihn aus einem Flachmann trinken sehen. Ich will gar nicht daran denken, was hätte passieren können. Ich hätte mich ja komplett danebenbenehmen können."
„Ja", stimme ich zu, „du hast wirklich Glück gehabt, dass du nur zu Fürst von Kroesus gesagt hast, ich sei schwierig und eingebildet." Ich sage es mit einem Schmunzeln und nehme es ihr überhaupt nicht übel, aber Katharina erstarrt und lässt vor Schreck eine Vase fallen, die zum Glück auf dem Teppich landet und nicht zerspringt.
„Oh nein, das habe ich nicht gesagt! Habe ich wirklich? Ach herrje, daran kann ich mich ja gar nicht mehr erinnern." Sie vergräbt ihr Gesicht in ihren Händen. „Meine Güte, Theodora, das tut mir so leid. Was wird er jetzt nur über dich denken. Was wird er über mich denken! Und ich habe dich auch noch überredet, dass du dich begleiten lässt, nur damit ich dich dann brüskieren kann. Was bin ich doch für eine schreckliche Freundin! Ich hoffe, du weißt, dass ich es auf keinen Fall so meinte!"
Ich unterbreche sie in ihrer Selbstanklage. „Mach dir bitte keine Sorgen, Katharina. Es ist alles gut. Es ist nicht mein Abend daran gescheitert."
Trotz meiner Worte verschwinden die Sorgenfalten nicht aus ihrem Gesicht. „Hör auf, mich trösten zu wollen. Ich bin furchtbar. Ich habe dich brüskiert und das vor einem mächtigen Mann. Wie hat er eigentlich reagiert? Ich kann mir einfach keine Reaktion vorstellen, die die Situation gerettet hätte."
Ich sinne über den gestrigen Abend nach. Tatsächlich hätte wohl jeder Adlige den Schluss gezogen, dass ich eingebildet bin und meine Pflichten gegenüber Herren der Gesellschaft vernachlässige. Aber Fürst von Kroesus ist da ganz anders. Er stellt Männer nicht automatisch höher als Frauen. Er kann mit mir umgehen, mit meiner Art und meinen Ansprüchen und er hat den gesamten Abend dafür gesorgt, dass ich mich wohlfühle, ohne mich einzuengen oder zu bevormunden. Ich habe seine Gesellschaft genossen, habe gerne mit ihm getanzt und das Gefühl geschätzt, mit jemandem auf Augenhöhe zu sein – so aberwitzig der Gedanke angesichts seines Ranges auch ist.
„Theodora? Alles in Ordnung?", holt meine beste Freundin mich aus meinen Grübeleien. „Du kannst es mir ruhig erzählen. Du musst mir das schlechte Gewissen nicht ersparen. Ich habe es verdient."
Ich muss lächeln, weil sie so selbstverständlich die falschen Schlüsse zieht.
„Fürst von Kroesus hat einen wirklich schlechten Ruf", sage ich, während ich ein weiteres ihrer Kleider zusammenlege. „Umso erstaunlicher, dass er wohl der aufmerksamste Kavalier ist, der mir je begegnet ist. Zuerst hat er dir ein Wasser besorgt, damit du wieder zu klarem Verstand kommen kannst und dann meinte er, ich hätte, mehr als die meisten Personen, ein Recht darauf, anspruchsvoll zu sein. Und er hat mich zum Tanzen aufgefordert, obwohl du davor ziemlich deutlich gemacht hattest, dass ich in meiner Partnerwahl äußerst wählerisch bin."
Katharina reißt die Augen auf und seufzt verzückt. „Das ist ja fast schon romantisch. Das könnte auch aus einem meiner Liebesromane sein. Also, ganz ehrlich, ich kann diesen Fürsten gut leiden. Er scheint ein besserer Mensch zu sein, als die meisten hier. Glaubst du, dass er irgendwelche Absichten hat?"
Ich blicke sie fragend an. „Was denn für Absichten?" Sie zuckt mit den Schultern. „Naja, Brautschau, Ehe, irgendwas in diese Richtung. Ich wüsste nicht, warum er sich sonst so viel Mühe geben sollte, als charmant zu gelten. Denn du musst doch zugeben, dass er dir gegenüber sehr zuvorkommend ist."
Ich schüttele vehement den Kopf. „Ich bin ziemlich sicher, dass das nicht sein Motiv ist. Er ist hier für die Politik und ich bin die erste Person, die ihm über den Weg gelaufen ist, natürlich bin ich deshalb in gewisser Weise sein Kontakt. Er kennt ja sonst niemanden bei Hofe. Aber aus politischer Sicht wäre es das Dümmste, wenn er sich am calischen Hof nach einer Partie umsehen würde."
„Ja, vielleicht", räumt Katharina ein. „Aber aus privater Sicht ist es womöglich keine so große Dummheit, wenn er auf eine Frau stößt, die er mag. Worüber habt ihr euch denn noch unterhalten?", bohrt sie nach.
„Über alles Mögliche", antworte ich vage. „Mein Leben bei Hofe, unsere Familien und wie wir aufgewachsen sind, so etwas halt."
Katharina verschränkt die Arme vor der Brust. „Es hat ein Jahr gedauert, eh du mit mir über deine Familie geredet hast und deine furchtbare zweite Hälfte der Kindheit." Ich seufze. „Ich habe ihm nichts von Kassandra erzählt. Nur so allgemein. Außerdem hat er zuerst von seiner Mutter berichtet und irgendwie hat das meine Hemmungen abgebaut, ihm was über mich zu erzählen. Du tust so, als hätte ich mich völlig aberwitzig verhalten."
„Nein, das nun nicht gerade." Katharina mustert mich. „Aber du gibst nie viel von dir preis. Und ich frage mich, was dieser Fürst an sich hat, dass du ihm vertraust. Versteh mich nicht falsch, ich finde es großartig, dass du dich öffnest und mal ein Risiko eingehst. Und du solltest offenbleiben, wie sich eure Beziehung entwickelt. Ich sehe da eine echte Chance, dass ihr euch mehr als nur sympathisch sein könntet."
  „So ein Quatsch", erwidere ich und klappe mit Nachdruck den Deckel der Kiste zu. So angenehm Fürst von Kroesus auch ist, er gehört zu den Menschen, in deren Gegenwart ich mich immer frage, was sie von mir denken. Er schüchtert mich ein bisschen ein und ich glaube, eine intellektuelle Freundschaft, wie er es ausgedrückt hat, ist alles, was sich zwischen uns je ergeben wird. Und es ist mehr als genug.
Katharina lässt das Thema überraschend fallen und erzählt mir, was in ihrer neuen Baronie alles für sie vorbereitet ist. Sie hofft, dass ihre Schwiegermutter sie herzlich annimmt und sie sich schnell zurechtfindet.
Als wir uns einige Zeit später voneinander verabschieden, ist mir endgültig klar: Meine beste Freundin ist nun nicht mehr Katharina Mollock. Sie ist Baronin Katharina von Lelac.

Die FürstinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt