Kapitel 8 - Theodora

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Mein Magen knurrt und in mir macht sich die erste schlechte Laune des Tages breit. Warum muss Fürst von Kroesus auch solch ein Frühaufsteher sein? Gestern, auf dem Ball, hat uns unser Weg schließlich ins Kartenzimmer geführt. Für mich schien es die einzige Möglichkeit zu sein, seinen neugierigen Fragen höflich aus dem Weg zu gehen. Mich zum Tanzen aufzufordern hat niemand gewagt, scheinbar hat der mächtige Mann an meiner Seite alle Interessenten vertrieben.
Also hatte ich mich zwischen die ganzen Zigarre rauchenden Herren an den Pokertisch begeben und zufrieden mein Können unter Beweis gestellt. Kassandra hat sich diesbezüglich als würdige Lehrerin meiner Kindheit entpuppt.
Weit nach Mitternacht hatte Katharina mich schließlich ausfindig gemacht und gütigerweise ins Bett gebracht. Nach einigen Gläsern Wein und benebelt vom Zigarrenrauch wäre es mir alleine sicherlich schwergefallen.
Heute früh bekam ich mit einem brummenden Schädel auch glatt die Quittung dafür, aber aus meinem Plan, gemütlich zu frühstücken und den Tag langsam angehen zu lassen, konnte in dem Moment nichts mehr werden, als meine Zofe erwähnte, Fürst von Kroesus stünde schon seit einer Stunde vor dem Studierzimmer des Königs und warte auf eine Audienz. Statt also mein Frühstück zu genießen, ließ ich mich in Windeseile ankleiden und scheute keine Mühen, so frisch wie möglich auszusehen. Der Fürst soll auf keinen Fall denken, mir hätten die frühen Morgenstunden zugesetzt. Und ein Versprechen ist ein Versprechen. Es würde mich in meinem Ehrgefühl verletzten, nicht meinen Teil der Abmachung einzuhalten, nachdem er darauf verzichtet hat, Katharinas Verlobungsfeier zu stören.
Das Studierzimmer des Königs liegt etwas abgelegen in einem Seitenflügel des Schlosses. Fürst von Kroesus schreitet vor dem Studierzimmer seiner Majestät auf und ab. Ich kann nicht einschätzen, in welcher Stimmung er sich befindet. Er scheint nicht wirklich verärgert darüber, dass der König ihm keine Audienz gewährt, fast so, als hätte er es nicht anders erwartet. Andererseits ist er ein Mann, der sich nicht in die Karten schauen lässt. Womöglich brodelt es unter der zur Schau getragenen ruhigen Oberfläche.
Alfons von Kroesus bemerkt mich und hört auf der Stelle auf, herumzutigern. „Baroness Theodora, welch freudige Überraschung, Sie so früh am Morgen schon zu Gesicht zu bekommen. Was verschafft mir denn die Ehre?" Ich lächele schmallippig. Ich weiß immer noch nicht so ganz, was ich von seiner übertriebenen Freundlichkeit mir gegenüber halten soll.
„Ich pflege meine Schulden zu begleichen, Durchlaucht. Ich hatte Ihnen versprochen, den Weg zum König freizukämpfen." Er hebt eine Augenbraue. „Wissen Sie, ich weiß das Angebot zu schätzen. Aber ich gab Ihrer Bitte gestern um Ihretwillen nach, und nicht, weil ich wirklich erwartet habe, dass Sie für mich vorsprechen. Das Verhältnis zwischen von Calia und von Kroesus ist so schwierig, dass Sie es nicht gänzlich verstehen können. Dass der König mich warten lässt, ist seine Art, mir seine Verachtung zu zeigen und ich würde mich furchtbar fühlen, sollten Sie in diesen Zwiespalt hineingeraten."
Ich ignoriere seinen Einwand und richte mich an einen der Lakaien, welche die Tür zum Studierzimmer flankieren. Wenn er mich unterschätzt, bin ich erst recht gewillt, mich zu beweisen. „Melden Sie seiner Majestät, dass ich in einem Anliegen vorsprechen möchte." Der Lakai verbeugt sich. „Sehr wohl, Edle Dame." Eilig klopft er an die Tür und verschwindet anschließend im Raum dahinter.
„Ich habe nicht vor, in diesen ewigen, aussichtslosen Kampf hineinzugeraten, Durchlaucht", bemerke ich an den Fürsten gewandt. „Sehen Sie es als kleine Geste, um mich für Ihr Entgegenkommen mir gegenüber zu revanchieren." Ich sehe ein Schmunzeln in seinem Mundwinkel. „Tun Sie, was Sie nicht lassen können. Ich fühle mich geschmeichelt, dass Sie sich so viel Mühe für mich geben. Aber glauben Sie mir, es wird nichts bringen." Ich recke mein Kinn nach vorne. „Das wollen wir erst einmal sehen. Und - Durchlaucht - bilden Sie sich nichts ein. Ich tue das nicht für Sie, sondern für meine Ehre."
Der Lakai tritt aus dem Studierzimmer heraus und hält mir die Tür auf. „Seine Majestät empfängt Sie nun, Edle Dame." Ich nicke zum Dank und betrete die Höhle des Löwen. Ich hoffe nur, dass ich mein Versprechen halten kann. Es würde mir absolut widerstreben, wenn Fürst von Kroesus recht behalten sollte.
König Ursus sitzt entspannt in seinem Lehnstuhl und blickt mir abwartend entgegen. Ich trete einige Schritte in den Raum und knickse.
„Ich wage zu behaupten, dass Sie noch nie zu so früher Stunde bei mir vorgesprochen haben, Edle Dame. Was haben Sie für ein Anliegen?" Seine Fassade ist freundlich, doch seine versteckte Wachsamkeit flößt mir Respekt ein. Durch meinen großen Einfluss bei Hofe und darüber hinaus habe ich oft mit König Ursus zu tun. Jedes Mal fühle ich mich, als würde ich auf rohen Eiern gehen, als könnte er von jetzt auf gleich ausrasten, wenn ich ihm nur Anlass dazu biete.
Ich räuspere mich dezent. „Majestät, auf die Gefahr hin, impertinent zu erscheinen, möchte ich Sie bitten, Ihr Verhalten Fürst von Kroesus gegenüber zu überdenken. Ich bin der Meinung..."
Der König unterbricht mich. „Da gibt es nichts zu überdenken. Ich erwarte nicht, dass Sie irgendetwas von Politik verstehen. Wie ich mit diesem speziellen Gast umgehe, das hat allein meine Angelegenheit zu bleiben."
Ich merke, wie ich beginne, mich innerlich aufzuregen. Beide Parteien scheinen es als Totschlagargument zu betrachten, dass ich als Frau nichts von Politik verstehen kann. Dabei weigere ich mich, diese kindische Fehde überhaupt als Politik zu betrachten. Dieser Generationenstreit besteht seit Ewigkeiten unverändert, ohne neue Argumente oder Begründungen und wird, so wie ich das sehe, auch in Ewigkeiten genau so weitergehen.
Ich schlucke meinen Ärger hinunter. „Ich maße mir nicht an, in Ihre Politik hineinzureden, Majestät. Doch meine Aufgabe als Hofdame ist es, die königliche Familie zu schützen und ihr Prestige zu wahren. Und in der derzeitigen Situation sehe ich meine Pflicht darin, Seine Majestät vor übler Nachrede zu bewahren."
Der König neigt seinen Kopf, eine kaum wahrnehmbare Geste, die mir zeigt, dass ich nun seine volle Aufmerksamkeit habe.
„Meine Eltern haben Ihnen vor Jahren meine Vormundschaft übertragen. Als Hofdame bin ich Ihren Wünschen direkt unterstellt und ich gebe stets mein Bestes, um dieser Verantwortung nachzukommen. Dem entgegen steht Ihre Verantwortung für mich, meinen Schutz, den Sie zu gewährleisten haben. Wenn ich in jemandes Schuld stehe, so tun Sie es auch.
Auf meiner gestrigen Ausfahrt bin ich in den heftigen Regenguss am Nachmittag hineingeraten und meine Kutsche kam vom Weg ab. Sie drohte, einen Abhang hinabzurutschen und die Pferde mit sich zu ziehen. Und es ist Fürst von Kroesus gewesen, der in dieser Situation zufällig zugegen war, keinen Moment gezögert hat, selbst zu helfen und ein schlimmes Unglück zu verhindern wusste. Die Kutsche war nicht mehr zu retten doch die Pferde konnten vor schweren Verletzungen und somit vor dem Tod bewahrt werden. Und mich hat er ohne zu überlegen in den Palast gefahren.
Wäre mir etwas passiert, dann hätte dies auch für Sie unangenehme Folgen gehabt. Fürst von Kroesus hat es zu verhindern gewusst. Und auch wenn er ein sehr schwieriger Mensch zu sein scheint, finde ich doch, dass er sich äußerst zurückhaltend gezeigt hat seit seiner Ankunft gestern. Er hat anständig, wie man es von einem Mitglied des Hochadels erwartet, den gestrigen Ball besucht, er hat Seine Majestät nicht ohne Vorwarnung gestern vor den Feierlichkeiten aufgesucht und er hat darauf verzichtet, die Geschichte von meiner Rettung zu seinen Gunsten zu verbreiten. Bitte glauben Sie mir, Majestät, dass ich nur Ihr Bestes im Sinn habe, wenn ich Ihnen nun empfehle, dieses Entgegenkommen zu erwidern. Auch wenn es Ihnen schwerfällt."
Eine Weile mustert mich der König nur schweigend. Schließlich meint er: „Da haben Sie mir ja etwas eingebrockt, Baroness Theodora." Ich hole Luft, um etwas zu erwidern, doch er unterbricht mich mit einem Handzeichen. „Keine Sorge, das meinte ich nicht als Vorwurf. Natürlich stelle ich mir die Frage, wie uneigennützig das Eingreifen des Fürsten wirklich gewesen ist. Ich würde mich nicht wundern, wenn er Ihre Rettung als Teil seiner Strategie betrachtet."
„Das glaube ich nicht", widerspreche ich unsicher. „Er schien nicht zu wissen, wer ich bin. Und ich bleibe dabei, er hätte seine Tat anders verbreitet, wenn er einen Nutzen daraus ziehen wöllte."
Ein Schmunzeln tritt auf das Gesicht des Königs. „Schon gut. Auch, wenn wir uns nicht einig werden, verstehe ich Ihren Punkt und auch, wenn es mir widerstrebt, werde ich Ihrer Bitte nachgeben. Ich muss Ihnen zugestehen, Edle Dame, dass Sie dieses Gespräch in eine andere Richtung zu lenken vermochten, als ich zunächst angenommen habe. Darf ich mir die Frage erlauben, was Sie vom Fürsten halten? Ich habe den Eindruck, dass Sie ihm recht wohlgesonnen sind."
Ich runzele die Stirn. Ich weiß nicht, was das zur Sache tut, doch wie immer versuche ich, ehrlich zu sein. „Nun, sicherlich denke ich nicht so schlecht von ihm, wie alle anderen bei Hofe. Doch es fällt mir schwer, ihn einzuschätzen. Seine Art ist darauf angelegt, mein Misstrauen zu erwecken und das, obwohl er mir gegenüber nie unaufmerksam gewesen ist. Doch was immer Seine Majestät aus meinem Einsatz für seine Interessen und sein Argumentieren für ihn schließen mögen, ich kenne meine Pflichten und ich unterstütze selbstverständlich das Königshaus. Nur aus dieser Motivation handele ich." Das entspricht zwar nicht vollständig der Wahrheit, aber es ist die Wahrheit, die der König kennen muss. Dass auch noch ein wenig Eitelkeit dahintersteht, muss er absolut nicht wissen.
Der König nickt bedächtig. „Ich danke Ihnen, Theodora. Sie können gehen. Und bitte richten Sie doch meinem Gast...", er verzieht den Mund bei diesem Wort, „richten Sie dem Fürsten aus, dass ich bereit bin, ihn jetzt zu empfangen."

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