Kapitel 38 - Theodora

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Graf von Guondal führt mich in den lauten, überfüllten Ballsaal. Ich hole tief Luft, als all die Eindrücke, die Lichter und Geräusche über mir zusammenschlagen. Ich fühle mich elend. Aber nachdem ich in den letzten Tagen alle Tränen aufgebraucht habe, hat sich eine wohltuende Leere in mir breit gemacht. Ich habe jahrelang bei Hofe gelebt und funktioniert, obwohl ich meine Familie, insbesondere Kassandra, schmerzlich vermisst habe und das Gefühl hatte, nicht hierhin zu gehören. Es wird Zeit, dass ich meine Stärke wiederfinde und die Fassade zur Schau trage, der ich meinen guten Ruf verdanke.
Auf meine Anweisung hin hat meine Zofe heute deutlich mehr Schminke auf mein Gesicht aufgetragen, um meine Augenschatten abzudecken und meinen fahlen Wangen etwas Farbe wiederzugeben. Das blutrote Kleid, das ich gewählt habe, ist gewagt. Der Ausschnitt ist etwas tiefer, die Taille etwas enger und der Rock etwas weiter als sonst und die opalisierenden Perlen am Mieder funkeln dezent und raffiniert. Es ist ein Kleid, das zweifellos schon morgen in vielen Schneidereien von den jungen Frauen kopiert werden wird, die mich jetzt neidisch anstarren. Ich habe es gewählt, damit es mir mein Selbstvertrauen zurückgibt. Und ein wenig hat das auch geklappt. Ich weiß, dass die Gäste auf mich achten und deshalb werde ich mir keinen Fehler erlauben.
Graf von Guondal geht aufrecht neben mir und zeigt sich mit mir stolz der Welt. Er ist jung, hat angenehme Züge und ist krampfhaft um mich bemüht. Er erkundigt sich nach mir, nach meinem Befinden, ob ich Durst oder Hunger habe oder an die frische Luft will. Ohne, dass ich es will, vergleiche ich ihn mit Alfons. Alfons hat einfach immer gewusst, was ich brauche. Er musste nicht fragen, denn er hat mich gekannt.
„Da dies unser erstes gemeinsames Auftreten ist, haben Sie sicherlich bereits damit gerechnet, dass ich Sie den wichtigsten Personen in meinem Bekanntenkreis vorstellen werde. Ich bin zwar sicher, dass Ihre Persönlichkeit keinerlei Anstoß erregen wird – schließlich sind Sie eine ausgezeichnete Wahl – jedoch ist mir die Meinung und Zustimmung meiner Lieben sehr wichtig." Graf von Guondal lässt auf diese Worte hin seinen Blick über die Menge schweifen und meint dann: „Oh, schauen Sie, Baroness. Da ist meine Mutter."
Er dirigiert mich, ohne auf meine Reaktion zu warten, durch die Menge auf eine grauhaarige Dame zu, die sich trotz ihres Gehstocks überraschend aufrecht hält. Sie blickt mir unerbittlich entgegen und in mir macht sich das ungute Gefühl breit, dass sie zu den Frauen gehört, die wohl niemals mit der Herzensdame ihres Sohnes zufrieden sind, egal wer es auch sein mag. Der Graf stellt uns einander vor und ich versinke in einen tiefen Knicks.
„Es wurde Zeit, dass wir einander vorgestellt werden, Mädchen", bemerkt die Gräfin und sieht dabei aus, als hätte sie in eine Zitrone gebissen. „Gewiss hätte es sich gehört, Sie bereits eher kennenzulernen, aber ich hörte, Sie waren in der letzten Zeit auf Reisen? Das hat meinem Sohn das Werben erheblich erschwert."
Sie mustert mich finster und ich meine zu wissen, was sie denkt. Dass ich mich meiner Pflicht entzogen habe und dabei von einem Mann begleitet wurde, der nicht ihr Sohn ist. Ich seufze innerlich.
„Das ist richtig, Durchlaucht", bestätige ich freundlich und ringe mir ein Lächeln ab. „Ich habe meine Familie besucht. Der Zeitpunkt war sicherlich ungünstig gewählt, jedoch kam die Entscheidung des Königs, um mich werben zu lassen, recht plötzlich. Und ich wusste ja, dass meine Pflichten, sobald ich verlobt bin, anderswo liegen würden. Letztlich hatte Ihr Sohn somit die Chance, sich durch eine Beständigkeit hervorzutun, die mir imponiert hat", lüge ich vor mich hin. Die Dame scheint besänftigt.
„Ja, das ist wahr. Unsere Beständigkeit ist es, welche die Guondals in die Elite des Adels eingegliedert hat. Unsere Familie hat über Generationen hart gearbeitet und von jeder Person, die in unsere Reihen einheiratet, wird dasselbe verlangt." Die Augen der Gräfin verengen sich, als versuche sie einzuschätzen, ob ich in der Lage bin, hart zu arbeiten.
„Sie werden eine Weile brauchen, sich an unsere Haushaltsführung zu gewöhnen. Wir arbeiten nach einem System, das ich etabliert habe und welches sich äußerst bewährt hat. Eine Gräfin muss eine strenge Hand besitzen, um Unordnung und falsche Sitten von vornherein in ihrem Haushalt zu unterbinden. Ich werde Ihnen in der ersten Zeit zur Seite stehen müssen, obwohl es nicht meine Aufgabe ist. Aber mein verstorbener Gatte - der Allmächtige hab ihn selig - hat Jahre darauf verwendet, unseren Sohn auf seine Pflichten vorzubereiten und so werde ich es mit der Tochter tun, die uns beschert sein wird."
Sie mustert mich von oben herab, ganz und gar nicht wie eine Tochter. Graf von Guondal scheint jedoch zufrieden, denn er ergreift die Hand seiner Mutter und meint: „Es freut mich aufrichtig, dass du meine Wahl billigst, Mutter. Die Baroness darf sich glücklich schätzen, dich an ihrer Seite zu haben, während sie sich einlebt. Ich werde natürlich auch mein Möglichstes tun, damit Sie glücklich werden, Edle Dame", versichert er, wiederum an mich gewandt, „aber mir ist natürlich bewusst, dass zwischen zwei Frauen ein ganz anderes Verständnis herrscht als zwischen Frau und Mann."
Ich verkneife mir den Kommentar, dass ich nicht sicher bin, ob je ein Verständnis zwischen mir und seiner Mutter herrschen wird, sondern lächele stattdessen stumm.
„Meine Liebe, Sie sehen durstig aus", bemerkt Guondals Mutter mit einer Stimme, die keinen Widerspruch duldet. Und der Graf springt sofort darauf an, indem er anbietet: „Ich werde sofort ein Glas für Sie besorgen. Wein? Punsch?" „Wasser, bitte", antworte ich, obwohl die ganze Situation betrunken sicherlich einfacher zu ertragen wäre. Mein Zukünftiger eilt davon.
„Eine gute Wahl", kommentiert meine Schwiegermutter in spe. „Eine hochrangige Frau muss jederzeit die Kontrolle über ihre Sinne haben. Baroness, ich sehe die Notwendigkeit, unter vier Augen mit Ihnen zu sprechen. Ich habe mich nach Ihnen erkundigt, wie es zweifellos meine Pflicht als gute Mutter ist. Ich dulde die Wahl meines Sohnes, weil Sie ganz offenbar die beste Partie sind, die er zu dieser Zeit machen konnte. Er spielt schon seit einiger Zeit mit dem Gedanken, um eine Hofdame zu werben, doch die ehemalige Louisa de Marc hat ein recht selbstbezogenes Wesen und die jetzige Baronin von Lelac ist doch recht fad, wie ihre Gattenwahl nur bestätigt hat, und wäre eindeutig nicht in der Lage gewesen, unseren Haushalt mit starker Hand zu führen. Sie werden zwar auch eine Menge lernen müssen, aber Sie haben es geschafft, sich einen Ruf aufzubauen und davon werden wir profitieren. Sie haben Einfluss, Sie sind ein Vorbild und Ihre Ehe zu meinem Sohn wird unsere Familie zweifellos stärker in das öffentliche Interesse rücken. Aber, damit wir uns verstehen, ich werde weder Ihre Eigensinnigkeit dulden, noch Ihre Einmischung in unsere Familiengeschäfte. Sie werden genau das tun, was man von Ihnen verlangt: Den Haushalt führen, die Dienerschaft beaufsichtigen, Veranstaltungen planen sowie mit hochrangigen Damen in unserem Bekanntenkreis korrespondieren und natürlich die nächste Generation der Guondals gebären. Und ich werde meine Pflicht erst als getan betrachten, wenn ich davon überzeugt bin, dass Sie genau das tun. Haben wir uns verstanden?"
Ich murmele eine Bestätigung, obwohl ich ihr am liebsten ein paar unfreundliche Dinge ins Gesicht geschrien hätte, vor allem, was ihre Worte über meine beste Freundin betrifft. Katharinas Optimismus in allen Ehren, aber kann man in einer Beziehung glücklich werden, wenn die biestige Schwiegermutter jeden Schritt überwacht?
Besagte biestige Schwiegermutter dreht sich nun ohne Verabschiedung auf dem Absatz um und steuert einen älteren Herrn an, der im Augenblick wohl wichtiger ist als ich. Ich atme erleichtert auf.
„Du scheinst ja heute Abend sehr gefragt zu sein", raunt eine wohlbekannte Stimme hinter mir und ich wirbele herum. Ich blicke in die amüsiert funkelnden Augen von Alfons, der mir ein Glas Wasser reicht. Reflexartig nehme ich es an, obwohl ich es wohl besser aus seiner Hand hätte schlagen sollen.
„Erst weicht dieser Mann nicht von deiner Seite und quatscht ununterbrochen auf dich ein, dann diese Dame, die dich mit ihren Blicken wohl am liebsten erdolcht hätte... Also ich bin der Meinung, es ist Zeit für eine unauffällige Flucht. Prinz Korbinian wird uns das mit Sicherheit verzeihen, denn er sieht so aus, als würde er mit dem gleichen Gedanken spielen."
Er schenkt mir ein charmantes Lächeln und will mir seinen Arm reichen, doch in diesem Moment kommt wieder Leben in mich. „Ich hätte nicht gedacht, dass du so schamlos bist", zische ich, schleudere das Wasser aus meinem Glas in sein Gesicht und drehe mich auf dem Absatz um. Die Leute um mich herum schauen etwas verwundert, widmen sich jedoch sogleich wieder ihren Gesprächen.
Ich schiebe mich durch die Menge und bin nach einer gefühlten Ewigkeit an den Saaltüren. Ich muss hier weg. Ich muss tief durchatmen und wieder zur Ruhe kommen, bevor ich mich erneut den Blicken der Gäste aussetze.
Ich trete in die Gänge, biege um einige Ecken, bis ich schließlich einen schwach erleuchteten Flur erreiche, der menschenleer ist. Ich lehne mich schwer atmend an die Wand und versuche, die Tränen zurückzudrängen, die in mir aufsteigen wollen. Ich balle meine Hände zu Fäusten und wünsche mir, ich hätte mich nicht ganz so eng schnüren lassen.
Dieser Abend ist ein Desaster. Ich bin vor dem Mann geflohen, den ich trotz allem immer noch liebe und der nach wie vor mit mir spielt. Meine zukünftige Schwiegermutter lässt durchblicken, dass sie mir mein Leben zur Hölle machen wird. Mein baldiger Verlobter wird niemals für mich einstehen, das weiß ich. Und er fragt sich vermutlich gerade, wo ich bin. Ich habe vor Zeugen eine Szene gemacht und verstecke mich jetzt hier, in einem Flur, krampfhaft darum bemüht, nicht in Tränen auszubrechen. Soll dieser Abend wirklich der Beginn meiner Zukunft sein?
Ich bin so mit meinen Gedanken beschäftigt, dass ich die sich nähernden Schritte nicht bemerke, bis Alfons auf einmal vor mir steht und mit verschränkten Armen auf mich herabsieht. Ich sehe Wut und Unverständnis in seinen Augen, der Kragen seines Mantels ist nass.
„Was sollte das denn bitte?!", fragt er aufgebracht und ich merke, wieviel Beherrschung es ihn kostet, seine Stimme gedämpft zu halten und nicht laut herumzuschreien. Ich verschränke ebenfalls die Arme vor der Brust und richte mich auf. Ich bekämpfe den Impuls, mich in seine Arme zu werfen und sortiere meine Gedanken.
„Wo warst du die letzten Tage? Es hätte einiges gegeben, das ich gerne mit dir besprochen hätte", sage ich zischend, ohne auf seine Frage einzugehen. Sein Gesicht nimmt einen verwunderten Ausdruck an und er lässt seine Arme sinken. „Das ist alles? Du bist so wütend, weil ich die letzten Tage weg war?" Er seufzt, als würde ihm plötzlich ein Gedanke kommen.
„Natürlich, was musst du auch von mir denken. Erst zeigst du mir so freimütig deine Liebe, wir fahren in den Palast zurück und dann verschwinde ich einfach, ohne, dass wir über unsere Zukunft gesprochen haben." Er seufzt erneut. „Es tut mir leid, Theodora. Du bist die erste Frau in meinem Leben und vermutlich bin ich deshalb manchmal ein wenig unbedacht. Ich wollte alles richtig machen. Ich bin nach Kroesus gefahren, um einen Ring zu kaufen und ein paar Vorbereitungen in meinem Haus zu treffen. Ich wollte es dir gerne zeigen und zwar in einem geordneten Zustand, sodass du dich darin wohlfühlen kannst."
Meine Wut verraucht und ich habe auf einmal die Ahnung, dass etwas mächtig schiefläuft. Ich starre angestrengt auf den Boden. „Wie kommst du auf die Idee, dass ich dich ohne die Erlaubnis des Königs heiraten könnte?", frage ich weiter und meine Stimme klingt wackelig dabei. Alfons räuspert sich unbehaglich.
„Nun ja, das ist auch etwas, das ich dir längst hätte sagen sollen. Ich bin sonst kein Feigling, doch irgendwie hatte ich nicht den Mut dazu, dir das früher zu sagen. Ich dachte, du würdest dich unter Druck gesetzt fühlen. Theodora, ich habe beim König um dich geworben."
Mein Kopf schnellt nach oben. „Wie bitte?! Wann soll das denn gewesen sein?", hake ich nach. Alfons wird ein wenig rot. „Bei meiner ersten Audienz beim König. Die du mir verschafft hast." Jetzt bin ich nur noch verwirrt. „Aber das war..." „...der Tag, nachdem wir uns zum ersten Mal begegnet sind", beendet Alfons meinen Satz. Ich schüttele den Kopf. „Aber da kanntest du mich noch gar nicht. Unsere einzige Begegnung bis dahin bestanden darin, dass ich in der Kutsche deine Polster vollgetropft habe und anschließend von dir verlangt habe, deine Pläne zu ändern und Katharina ihre Verlobung zu lassen."
Ein Lächeln schleicht sich auf sein Gesicht. „Ein perfekter erster Eindruck, würde ich sagen. Es hat ausgereicht, um dich charismatisch und wunderschön zu finden und den Versuch zu wagen, dich für mich zu gewinnen. Ich war überrascht, dass der König meinem Antrag so offen gegenüberstand. Er meinte, wenn ich in unseren Verhandlungen offen wäre, dann würde er mir einen Vorsprung einräumen, bevor er offiziell um dich werben lässt, damit ich die Chance habe, dich besser kennenzulernen."
In meinem Kopf rastet plötzlich etwas ein und auf einmal ergibt alles einen Sinn. Warum Alfons sagt, er hätte um mich geworben, der König es mir jedoch verschweigt.
„Das ist ein abgekartetes Spiel gewesen, von Anfang an", sage ich leise. Alfons sieht mich verwirrt an. „Wie meinst du das?", fragt er. Ich hole tief Luft.
„Der König wollte deine Offenheit in den Verhandlungen, um das Beste für Calia herauszuholen. Deshalb gab er vor, dir einen Vorsprung mit mir einzuräumen. Mir hat er aufgetragen, mich mit dir zu beschäftigen und mit dir Zeit zu verbringen, damit du das Gefühl hast, dass unsere Beziehung voranschreitet und damit wiederum mehr Zugeständnisse machst. Allerdings hat er nicht wirklich erwartet, dass wir uns näherkommen und meine Meinung in politischen Fragen für dich von Interesse wird. Als er das bemerkt, lässt er tatsächlich um mich werben, um meinen Fokus von dem Calia-Kroesus-Konflikt zu nehmen und mich bald aus dem Weg zu haben."
Alfons schüttelt den Kopf. „Moment mal. Er hat dich instrumentalisiert?" Ich nicke. „Und das ist noch nicht alles", fahre ich leise fort. „Er hatte nie die Absicht, mich tatsächlich mit dir zu verheiraten. Er hat dich mit mir geködert und gleichzeitig aber gewusst, dass du an öffentlichem Interesse und Einfluss gewinnen könntest, wenn du mit dem Juwel des Hofes verheiratet wirst. Nach unserer Rückkehr vor ein paar Tagen hat er mir die Namen meiner Werber verkündet. Und deiner war nicht dabei."
Tränen treten mir in die Augen und kullern nur Sekundenbruchteile später meine Wangen hinunter. „Er hat genau gemerkt, dass ich mich in dich verliebt habe und hat mich lächerlich gemacht. Er hat gesagt, für dich sei das alles nur ein Spiel gewesen, du wolltest nur ein kritisches Herz erobern. Ich sei nicht gut genug und meine Stellung nicht hoch genug, um ernsthaft das Interesse eines Fürsten zu wecken."
Alfons starrt mich entgeistert an. „Und das hast du ihm geglaubt? Nach unserer Reise, nach allem, was wir gemeinsam durchgestanden haben?" Ich schniefe geräuschvoll. „Ich habe ihm widersprochen, am Anfang zumindest. Aber seine Argumente waren irgendwann logisch, du warst nicht auffindbar, um sie zu entkräften. Alfons, für eine Frau meines Standes zählt nur, was ein Mann ihr verspricht. Du hast so viel für mich getan, aus dem ich deine Zuneigung lesen konnte. Aber du hast nie ein Wort gesagt. Es gab kein Versprechen, auf das ich mich verlassen konnte."
Er sackt ein Stück in sich zusammen und ich sehe in seinem Gesicht, dass er weiß, dass es stimmt. Er atmet einige Male tief durch und meint schließlich: „Du hast Recht. Es ist vieles nicht optimal gelaufen, unsere Kommunikation hat versagt und wir haben dem König in die Hände gespielt. Aber ab jetzt haben wir es in der Hand. Die Karten liegen auf dem Tisch, wir wissen, was er vorhatte. Wir können ihn zur Rede stellen. Ich lasse nicht zu, dass er mir meine Zukunft zerstört."
Ich erkenne die Entschlossenheit in seinem Blick und fühle mich so elend wie noch nie in meinem Leben. Denn es gibt eine letzte Sache, die er noch nicht weiß. Und ich weiß, dass die Endgültigkeit meiner Verlobung uns beiden genau dann bewusst werden wird, wenn ich es laut ausspreche.
„Da gibt es noch eine Sache", sage ich leise und meine Stimme zittert. „Der Ball heute findet nicht nur zu Ehren von Prinz Korbinians Geburtstag statt. Um Mitternacht..." Mir bleibt die Stimme weg. Ich hole tief Luft. „Um Mitternacht bin ich die zukünftige Gräfin von Guondal. Es tut mir leid."
Ich vermeide es, ihn anzusehen. Ich starre auf den Boden. Die Stille dehnt sich unangenehm aus. Alle Missverständnisse sind ausgeräumt. Wir sind ineinander verliebt. Wir können uns ein Leben zusammen vorstellen. Und doch ist alles schiefgegangen. Es hat nicht gereicht für unseren Traum zu zweit. Und als die Hofdame, die ich bin, gibt es für mich jetzt nur noch eines, was ich tun kann. Und das ist meine Pflicht gegenüber meinem Zukünftigen.
„Das kann ich nicht glauben", knurrt Alfons schließlich. „Theodora, ich würde alles für dich tun! Und ich weiß, dass du dir dessen bewusst warst! Wie konntest du... Wie konntest du nach Monaten, die wir miteinander verbracht haben, innerhalb eines Momentes deine Hand einem anderen geben?"
Ich blicke auf, Wut und Schmerz steigen in mir auf. „Natürlich ist es meine Schuld! Ich bin eine dumme Frau, die ihr Leben lang von den Mächtigen herumgeschoben wurde! Meine Familie hat mich verraten, für den König bin ich nur nützlich, wenn ich von Nutzen bin. Woher hätte ich denn wissen sollen, dass du mich nicht auch verlässt? Wie hätte ich ahnen können, dass der König mir so offen ins Gesicht lügt? Es hätte nur ein paar Worte von dir gebraucht. Rechtzeitig. Und ich hätte nicht unsere beiden Leben verpfuscht."
Ich fange wieder an zu weinen und lasse mich mit dem Rücken zur Wand auf den Boden sinken.
„Ich glaube, es ist Zeit, dass du gehst, Alfons", sage ich mit wackeliger Stimme. „Und was immer ihr ausgehandelt habt, unterschreibe es nicht. Kroesus ist ohne diesen König besser dran. Er hat unser Vertrauen missbraucht und dafür solltest du ihn strafen, es soll ihm richtig wehtun."
Einen Moment lang reagiert er gar nicht. Schließlich kommt ein Taschentuch in mein Sichtfeld, das ich zögernd entgegennehme. Und dann geht er.

Die FürstinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt