Der König schaut nicht einmal von seinen Papieren auf, als man mich in sein Studierzimmer lässt.
„Edle Dame, ich habe jetzt keine Zeit für Sie", sagt er in einem herablassenden Tonfall, als wäre ich ein Kind. Doch ich lasse mich nicht mehr verunsichern. Ich habe jede seiner Manipulationen und Launen mitgemacht. Ich kenne den König und ich weiß, dass er sich überlegen fühlt. Aber ein einziges Mal wird er nach meiner Pfeife tanzen. Ein einziges Mal werde ich etwas tun und er muss die Scherben aufsammeln.
„Dann werden Sie sich die Zeit nehmen müssen, Majestät", erwidere ich ungerührt und lasse mich ungefragt auf einem der Polsterstühle ihm gegenüber am Schreibtisch nieder. Sein Blick verharrt noch einen Moment auf den Dokumenten, ehe er seinen Kopf gefährlich langsam hebt.
„Sie sind wohl nicht mehr ganz bei Trost. Was sollte mich davon abhalten, Sie sofort rausschmeißen zu lassen?" Ich lehne mich entspannt zurück und mustere ihn, so wie er es immer bei mir tut. „Majestät, ich halte Sie für die Art Mensch, die einem drohenden Unwetter lieber entgegensieht, als ihm den Rücken zuzukehren. Korrigieren Sie mich gerne, wenn ich falsch liege, denn dann sparen wir uns das hier und Sie können hinterher entscheiden, wie Sie die Angelegenheit regeln."
Er starrt mich an. Schließlich fragt er: „Nun, Edle Dame, was kann ich denn für Sie tun?" Ich verschränke die Arme vor der Brust.
„Sie könnten damit beginnen, Graf von Guondal zu sagen, dass ich nicht länger gewillt bin, seine Frau zu werden. Richten Sie ihm aus, wenn er eine Dame an seiner Seite wünscht, dann sollte er auch Platz für sie machen und nicht nach dem Willen seiner Mutter handeln. Der Gräfin können Sie übrigens einen großen Dank aussprechen. Sie hat mir die Entscheidung zu diesem Schritt erheblich erleichtert."
Ich sehe ihm an, dass er mich nicht ernst nimmt. Sein Mund verzieht sich zu einem spöttischen Lächeln. „Baroness, Sie erheitern mich wirklich sehr. Aber warum sollte ich das tun? Es würde der Krone schaden, sicherlich, aber vor allem würde es Ihnen schaden. Und außerdem wird es wirklich höchste Zeit, dass Sie den Palast hinter sich lassen und einen neuen Lebensabschnitt beginnen."
Ich beuge mich ein wenig vor und fixiere ihn. „Ich weigere mich, Sie weiterhin entscheiden zu lassen, was mir nützt und was mir schadet. Ich verlasse den Palast. Der Vertrag zwischen der Krone und den Hofdamen besagt, dass Sie für mich sorgen und ich Ihnen Ehre bringe. Aber ich verzichte auf Ihre Bemühungen", ich speie das Wort förmlich aus, „und werde folgerichtig nicht mehr in der Pflicht stehen, Ihnen Ehre zu bringen. Und das ist allein meine Entscheidung, weil ich volljährig bin und nicht mehr der Vormundschaft meiner Eltern unterstehe."
Der König verbirgt seine Gedanken gut, aber ich meine zu sehen, dass ihm bewusstwird, dass er die Kontrolle verliert.
„Sie wissen, was das bedeutet, Baroness. Sie würden noch in der nächsten Stunde den Palast verlassen. Sie würden keine finanzielle Unterstützung erhalten. Sie wären auf sich allein gestellt, würden Ihren Rang verlieren und weder ich noch Ihr Verlobter würden Sie aufnehmen, sollten Sie es sich anders überlegen. Und natürlich wäre ich gezwungen, meinen guten Ruf zu bewahren. Sie würden mich dazu zwingen, die Geschichte nach meiner Wahrnehmung zu verbreiten."
Ich recke stolz mein Kinn nach vorne. „Im Vergleich dazu, wie ich die letzten Monate von Ihnen behandelt wurde – erst geschmeichelt und umgarnt, dann instrumentalisiert, dann beleidigt und schließlich verscherbelt und hintergangen – klingt das nach einer Zukunft, die leichter zu ertragen ist, Majestät. Immerhin ist es dann an mir, meinen Weg zu gestalten."
Die Augen des Königs weiten, sich, als würde ihm plötzlich ein Gedanke aufgehen. „Sie hoffen auf eine Wiedervereinigung mit Fürst von Kroesus. Ich muss schon sagen, ich hatte unterschätzt, wie tief Ihre gegenseitige Zuneigung ist. Ich dachte, er wäre von Ihrem hübschen Äußeren geblendet und ich könnte das nutzen, um ihn ein wenig aufgeschlossener zu machen. Aber dass er dann auch tatsächlich an Ihrem Charakter Gefallen gefunden hat und Sie an ihm, das hat mich ziemlich erstaunt. Ich habe sogar überlegt, ob ich Ihrer Verbindung nicht einfach zustimmen soll. Er wäre ein würdiger Partner gewesen. Aber dann fiel mir ein, dass Sie die Tendenz besitzen, ein Eigenleben zu entwickeln. Ihre Ehe mit Fürst von Kroesus hätte uns nicht stärker verbunden, sondern hätte dem Fürstentum eine Aufmerksamkeit und eine Popularität gegeben, die der Krone nur geschadet hätte. Es ist nicht gut, wie es gelaufen ist. Der Vertrag war eine wirkliche Chance. Allerdings bleibt es besser so, wie es immer war, als sich in eine Richtung zu entwickeln, die ich nicht will."
König Ursus schaut mich abschätzig an. „Wie dem auch sei, Fürst von Kroesus ist ein stolzer Mann. Er wird sich nicht mit Ihnen verloben, wenn Sie keine Stellung und keinen Titel mehr haben und bereits vor seinen Augen mit einem anderen Mann verlobt gewesen sind. So tief will selbst er nicht sinken."
Ich beiße auf meine Lippe, um sie am Beben zu hindern. Das ist auch meine größte Angst. Aber ich werde nicht mehr zulassen, dass der König meine Ängste gegen mich ausspielt. „Und er wird sich erst recht nicht mit mir verloben, wenn ich verheiratet bin. Sie haben nicht mit offenen Karten gespielt. Sie haben mich und seine Gefühle ausgenutzt, um für sich selbst einen Vorteil zu erreichen. Und dabei mache ich nicht mehr mit." „Meine Liebe, das ist Politik. Man sieht seine Vorteile und man nutzt sie." Ich funkele ihn wütend an. „Die Beziehung zwischen Fürst von Kroesus und mir ist keine Politik. Sie ist privat. Und sie hätte Ihnen egal sein müssen." „Edle Dame, so leid es mir tut, ab einem bestimmten gesellschaftlichen Kreis ist jede Ehe Politik. Wenn ich Ihnen einen Rat geben darf: Heiraten Sie den Grafen. Wir Männer hassen es, wenn uns die Frauen hinterherlaufen, als hätten sie keine Würde. Fürst von Kroesus ist dabei sicher keine Ausnahme. Sie werden sich blamieren und jede Chance auf eine angesehene Ehe und abgesicherte Zukunft ruinieren." Ich atme tief durch. „Ich lasse es darauf ankommen, Majestät."
Ich stehe erhobenen Hauptes auf. „Ich verabschiede mich. Und ich wünsche Ihnen ein gutes Gespräch mit Graf von Guondal."
Ich durchquere in würdevollem Tempo das Studierzimmer und stoße die Tür auf. Sie fällt hinter mir ins Schloss und ich atme erst einmal tief durch. Hinter mir erklingt ein Räuspern. Ich drehe mich erschrocken um und erblicke Baron von Lelac. Er schenkt mir ein zaghaftes Lächeln.
„Baroness, ich habe auf Sie gewartet. Ich möchte etwas mit Ihnen besprechen." Ich seufze innerlich. Ich möchte nicht unhöflich sein, aber gerade ist es wirklich schlecht. „Durchlaucht, ich bedaure, aber ich habe nur ein beschränktes Zeitfenster zur Verfügung, um den Palast zu verlassen." Der Baron scheint nicht im mindesten überrascht. „Dann begleite ich Sie zu Ihrem Zimmer, wenn es Ihnen recht ist."
Ich nicke zustimmend, ahnend, dass er sich nicht von dem abbringen lassen wird, was er sich in den Kopf gesetzt hat.
„Katharina hat mir von Ihrem Beschluss berichtet. Möglicherweise missfällt Ihnen das, aber wir sind als Gatten sehr ehrlich miteinander und ich habe gemerkt, dass sie etwas bedrückt. Und – keine Sorge – ich maße mir nicht an, über Sie zu urteilen. Katharina sieht es als ihre Pflicht, meine Familie zu schützen und das rechne ich ihr hoch an. Aber ich sehe hier die Möglichkeit, Ihnen und Fürst von Kroesus das zu vergelten, was Sie für uns getan haben."
Ich blicke ihn überrascht an. „Was meinen Sie damit?" Er räuspert sich. „Ich möchte Ihnen meine Hilfe anbieten. Eine Unterkunft oder finanzielle Unterstützung, was auch immer Sie brauchen." Ich schüttele den Kopf. „Sie sind uns nichts schuldig, Durchlaucht. Und ich würde mich schlecht fühlen, sollten Sie da mit hineingezogen werden. Sie sollten Ihre Verbindung zum Königshaus unbelastet lassen."
Baron von Lelac lächelt. „Meine kleine Baronie ist für Calia nicht sonderlich wichtig. Seine Majestät beachtet uns kaum. Und ich fühle mich auch nicht verpflichtet, sondern ich möchte das gerne tun. Vor einer Weile konnte ich Sie nicht gut leiden und auch kaum einschätzen, aber inzwischen schätze ich Sie als Bekanntschaft und weiß, was für eine unerschütterliche Freundin Sie meiner Frau sind. Bitte sagen Sie mir einfach, wie ich Ihnen helfen kann."
Ich zögere einen Moment, dann gebe ich zu: „Ich bräuchte eine Kutsche nach Kroesus. Ich muss etwas klären." Baron von Lelac nickt. „Ich bereite meine für Sie vor."
Meine Mundwinkel verziehen sich zu einem ehrlichen Lächeln. „Ich bin Ihnen sehr dankbar, Durchlaucht." Und auf einmal sieht meine Zukunft wieder ein Stückchen heller aus.
***
Als ich in meine Gemächer komme, sitzt Ernestine neben meinen gepackten Taschen und schaut mir vorwurfsvoll entgegen. Ich seufze innerlich. Ich habe die ganze Zeit nur mich im Blick gehabt und mich nicht gefragt, wie das für die Menschen sein muss, die mich umgeben.
„Woher weißt du es?", frage ich sie. „Katharina hat es mir gesagt. Hättest du dich von mir verabschiedet, wenn ich nicht gekommen wäre?" Schuldbewusst blicke ich zu Boden. Ich hätte es vermutlich einfach vergessen. Dabei weiß ich genau, dass Ernestine in mir eine Mentorin sieht. Ich habe sie an den Hof geholt und ihr damit eine Aufgabe gegeben, in der sie aufgeblüht ist. Für mich war das Leben als Hofdame immer ein Zwang, etwas, das ich nicht wollte, aber für sie war es ein Ausweg. Und egal, was zwischen mir und dem König vorgefallen ist, ich möchte ihr den Glauben an die Krone nicht kaputt machen.
„Ich bin froh, dass du gekommen bist, um dich zu verabschieden", sage ich. „Und ich hoffe, dass du hier weiterhin glücklich bist. Jetzt bist du hier die einzige Hofdame. Und wenn der König dich fragt, ob du ihm eine weitere Dame vorschlagen möchtest, dann wähle dir eine, mit der du dich verstehst, der du Bildung gönnst und die für dich zur Familie werden kann. Du brauchst mich nicht mehr hier. Du hast alles gelernt, was ich dir beibringen konnte. Außer vielleicht, auf dich selbst zu vertrauen."
„Aber ich verstehe das nicht, Theodora." Ernestine sieht mich ein wenig überfordert an. „Warum hast du so eine glorreiche Verbindung gelöst? Damit hättest du ein Leben in Sorglosigkeit gehabt und würdest auch nach deiner Zeit als Hofdame der Krone treu bleiben. Und ist das nicht unsere Pflicht?"
Ich schnaube. „Ja, unsere Pflicht ist es, dem Königshaus Ehre zu bereiten. Niemand weiß das besser als ich, glaub mir. Aber wie weit würdest du dafür gehen, Ernestine? Würdest du dafür deine Wünsche und Träume aufgeben? Dich selbst? Würdest du zulassen, dass die Königsfamilie dir Leid zufügt? Dich schlecht behandelt? Vor dir und vor allen Leuten lügt über die abgrundtiefe Schlechtigkeit der Führer unseres Landes? Glaub mir, Ernestine, ich habe als Hofdame alles gegeben, was ich konnte. Aber es ist etwas vorgefallen, was sich nicht mehr ungeschehen machen lässt und was mein Vertrauen in die Königsfamilie erschüttert hat. Und deshalb werde ich jetzt meinen eigenen Weg suchen und darauf verzichten, für ehrlose Zwecke missbraucht zu werden."
Meine Hofdamenschwester schaut mich erschrocken an. Ich seufze. „Es tut mir leid. Vergiss, was ich gesagt habe. Ich will... Ich hatte ein paar Meinungsverschiedenheiten mit dem König. Und ich glaube, es ist hier kein Platz mehr für mich. Ich hoffe, du wirst eine wunderbare Zukunft haben."
Ich greife nach meinen Taschen, schenke Ernestine noch ein trauriges Lächeln und verlasse dann das Zimmer.
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Die Fürstin
Historical FictionEine berühmte Hofdame. Ein einflussreicher, junger Fürst. Ein Konflikt zwischen Liebe und politischem Streit. Theodora von Mühlen zählt als eine der einflussreichsten Personen am calischen Hof und stützt als Hofdame das Prestige der Königsfamilie. F...