„Guten Morgen, Baroness Theodora", empfängt König Ursus mich gut gelaunt. Es war nur eine Frage der Zeit, bis er mich wieder zu sich zitiert, das habe ich gewusst, und doch hat es mich gestern Abend überrascht, als ich nach der Bootsfahrt vom Fürsten zu meinen Räumlichkeiten begleitet wurde, nur um von meiner pflichtbewussten Zofe ausgerichtet zu bekommen, dass der König mich am nächsten Morgen zu sehen wünscht.
„Wie geht es denn mit Fürst von Kroesus voran?", kommt er auch gleich zur Sache, kaum dass ich ihm gegenüber Platz genommen habe. Diese Frage ist mir irgendwie unangenehm. Sicherlich habe ich zugelassen, dass der Fürst und ich uns besser kennenlernen, weil der König es wollte, doch mittlerweile habe ich das Gefühl, als wäre ich Alfons von Kroesus gegenüber nicht ganz aufrichtig, wenn die Forderung des Königs in meinem Hinterkopf herumgeistert. Ich empfinde unseren Umgang miteinander als freundschaftlich und beschäftige mich mit ihm, weil ich unseren Austausch genieße.
„Ganz gut", antworte ich deshalb vage. König Ursus verzieht seine Lippen zu einem nachsichtigen Lächeln. „Sie müssen keine falsche Bescheidenheit zeigen, Theodora. Ein Blinder sieht, dass er die Nähe zu Ihnen sucht und sich durch Ihre Offenheit ihm gegenüber ermutigt fühlt. Sein Benehmen bei Hofe ist weitestgehend tadellos, er besucht unsere Feste und Veranstaltungen und in unseren Verhandlungen ist er ungewohnt kooperativ." Mir wird ein bisschen übel.
„Majestät, verstehen Sie es bitte nicht als Vorwurf, aber ich bitte Sie inständig, seine milde Laune nicht auszunutzen. Kroesus liegt ihm sehr am Herzen und die Menschen dort bauen darauf, dass er für sie Sorge trägt", formuliere ich meine Bitte vorsichtig. Ich werde das Gefühl nicht los, dass der König mich in diesem politischen Streit als Waffe einsetzen möchte. Und das gefällt mir gar nicht.
Seine Majestät lächelt weiterhin, doch seine Augen lächeln nicht mehr mit. „Liebe Baroness, zerbrechen Sie sich darüber bitte nicht den Kopf. Wir alle nutzen die Chancen, die das Leben uns bietet. Das ist Politik. Und ich rate Ihnen dringend, nicht für Fürst von Kroesus Partei zu ergreifen. Ich hätte sonst Grund, an Ihrer Loyalität der Königsfamilie gegenüber zu zweifeln." Ich senke den Blick.
„Genug davon." Der König setzt seinen väterlichen Blick auf, der - das habe ich in letzter Zeit gelernt - nichts Gutes bedeutet.
„Ich möchte mit Ihnen über etwas Erfreuliches sprechen. In letzter Zeit haben Sie mir einen hohen Verdienst erwiesen und ich wage zu behaupten, dass Ihr Umgang mit unserem ungeladenen Gast den Höhepunkt Ihrer Karriere als Hofdame bildet. Und Sie wissen nur zu gut, was dies für Sie bedeutet. So schmerzlich es für das höfische Leben, die Krone und mich ganz persönlich ist, Sie meiner Obhut zu entlassen, so sehr ist es doch Ihre Chance, endlich die Weichen für den Rest Ihres Lebens zu stellen. Und es wird ein glorreiches Leben sein, dessen bin ich mir gewiss. Verehrte Baroness Theodora von Mühlen, es ist an der Zeit, dass ich um Sie werben lasse."
Ich erstarre. Als erstes schießt mir Kassandra durch den Kopf und danach der Gedanke, dass ich absolut noch nicht bereit bin, Ehefrau zu werden. In mir macht sich die begründete Angst breit, dass mein Schicksal mir entgleitet, dass ich mit einem Mann an meiner Seite ende, den ich nicht schätzen, geschweige denn lieben kann.
„Ich soll heiraten", fasse ich die Worte des Königs zusammen und bin überrascht, dass meine Stimme tonlos und gleichgültig klingt. „Ja", bestätigt der König mit einem Lächeln, das mir zeigt, dass er genau weiß, was ich davon halte.
„Sie sind lange genug ein Teil des Hofes gewesen. Sie haben das Leben hier geprägt, mehr als sonst eine Dame vor Ihnen. Aber wenn ich jetzt den Zeitpunkt verpasse, Ihnen einen Partner zu suchen, dann wird aus dem strahlenden Sinnbild, das Sie sind, irgendwann ein Bild des Mitleids, weil Sie es nicht schaffen, Ihrem Leben im richtigen Moment einen neuen Kurs zu geben. Was Sie für die Krone getan haben, das haben Sie sehr gut getan. Doch Ihre Kapazitäten sind erschöpft, Ihre Launen werden den Menschen bald überdrüssig sein und Ihr Interesse an Politik nimmt Überhand. Eine Frau sollte wissen, wo ihr Platz ist. Und ein Ehemann wird es Ihnen zeigen, bevor Sie es vollends vergessen."
Er lächelt immer noch schmallippig und ich frage mich, wann seine Worte von Komplimenten in Beleidigungen übergegangen sind. Er gibt mir deutlich zu verstehen, dass ich mich in letzter Zeit zu viel eingemischt habe.
„Ich habe in den vergangenen Wochen gehäuft Anfragen um Ihre Hand erhalten und ich kann so viel sagen: Egal, wen Sie wählen, Sie werden dem Königshaus keine Schande bereiten. Offenbar gibt es durchaus Männer, die sich Ihrem Temperament gewachsen fühlen. Ich werde heute im frühen Nachmittag verkünden, dass das Werben um Sie beginnt und Sie werden sich in den folgenden Wochen Gedanken machen, welchen Herren Sie sich an Ihrer Seite vorstellen können. Allerdings erfahren Sie die Namen derer, die bei mir um Ihre Hand angehalten haben, erst zum Zeitpunkt Ihrer Entscheidung, damit Sie reflektieren können, wer sich wirklich um Sie bemüht hat."
Ich recke störrisch mein Kinn nach vorne. Der König mustert mich eindringlich. „Damit wir uns richtig verstehen, Baroness: Ihre baldige Verlobung ist nicht fakultativ. Sie können sich schon einmal um passende Kleidung bemühen. Und bitte planen Sie nicht so schlicht wie Katharina von Lelac. Sie sind doch schließlich unser Juwel."
Da ist es wieder sein unheimliches Lächeln. Es lässt keinen Zweifel daran, dass es keinen Weg zurück gibt.
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Die Fürstin
Historical FictionEine berühmte Hofdame. Ein einflussreicher, junger Fürst. Ein Konflikt zwischen Liebe und politischem Streit. Theodora von Mühlen zählt als eine der einflussreichsten Personen am calischen Hof und stützt als Hofdame das Prestige der Königsfamilie. F...