Kapitel 35 - Alfons

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Ich schaue aus dem Fenster und erblicke Cala, die Palaststadt. Es ist, als hätte die Realität uns wieder. Ich kann nicht glauben, was in Mühlen alles passiert ist, aber Theodora, wie sie an mich gekuschelt schläft, ist der Beweis dafür, dass alles wirklich passiert ist.
So lange habe ich mich gefragt, was ich tun muss, damit sie das für mich empfindet, was ich für sie fühle. Doch scheinbar hat es ihr gereicht, mich kennenzulernen wie ich bin. Eine hervorragende Voraussetzung für eine gemeinsame Zukunft.
Ich streiche ihr sacht über die Wange und sie blinzelt verschlafen, als sie erwacht. „Bin ich eingeschlafen?", fragt sie verlegen und ich muss lächeln. Ich kann in ihrer Gegenwart auch gar nicht anders, als glücklich zu sein. „Das ist doch verständlich. Die Reise war für dich nicht gerade ein Urlaub und wir haben nicht einmal über Nacht gerastet. Du solltest dir auf jeden Fall ein bis zwei Tage Pause gönnen, wenn wir wieder bei Hofe sind."
Theodora setzt sich auf und richtet ihre Kleidung. „Ich wette, das wird der König nicht zulassen. Er hat mit Sicherheit viele Ideen, wie er mich in der kommenden Zeit beschäftigt hält, damit ich nichts anstelle, was ihm nicht passt." Ich greife nach ihrer Hand und erwidere in neckendem Tonfall: „Wir finden bestimmt trotzdem eine Möglichkeit, ihm auf die Nerven zu gehen."
Theodoras Schmunzeln lässt mein Herz flattern. „Wie habe ich nur gelebt, bevor ich dich kannte", meint sie amüsiert und drückt mir einen sanften Kuss auf die Wange. „Das frage ich mich auch", erwidere ich im Spaß. „Und wenn man bedenkt, wie lange du gebraucht hast, um zu merken, dass ich dich verehre..." Sie rollt mit den Augen. „Wenn man bedenkt, dass du nicht den Mut hattest, den letzten Schritt zu gehen...", hält sie dagegen und ich beuge mich zu ihr und gebe ihr einen langen Kuss. „Ich war ein verdammter Narr", sage ich leicht außer Atem, als wir uns voneinander lösen. „Und ich habe riesiges Glück, an eine mutige Frau wie dich geraten zu sein."
Wir passieren das Tor zum Palastgelände und setzen uns beide etwas aufrechter hin, während wir unsere Haare und Kleidung ordnen. Zwar soll jeder sehen, dass ich Theodora liebe, aber ich möchte nicht, dass Zweifel über ihren Anstand laut werden, wenn wir nach einer gemeinsamen Reise beide derangiert aus der Kutsche steigen. Ich möchte alles richtig machen. Ich habe bereits beim König um sie geworben, aber Theodora verdient mehr als das. Sie verdient einen romantischen Antrag mit Ring und Blumen und kein Getuschel hinter ihrem Rücken, ob sie in ihrer Abwesenheit sittsam geblieben ist.
Die Kutsche fährt einen großen Bogen und hält schließlich vor der Freitreppe des Palastes. Bevor ein Page sich zu uns bemühen kann, habe ich bereits selbst die Tür geöffnet, mich hinausbegeben und für Theodora die Stufen hinuntergeklappt. Sie reicht mir ihre Hand und ich helfe ihr mit ihren Röcken hinaus. Sie strahlt mich an und richtet dann ihren Blick auf etwas hinter mir.
„Katharina!", ruft sie überschwänglich. Ich drehe mich um und tatsächlich eilt Baronin von Lelac auf uns zu, überraschenderweise mit meinem Freund Santos im Schlepptau. Die beiden Frauen umarmen sich, ehe die Baronin mir ein leichtes Lächeln zuwirft und vor mir knickst. „Durchlaucht, ich hoffe sehr, Sie haben gut auf meine Freundin aufgepasst." Ich verneige mich leicht. „Ich habe mein Bestes gegeben."
Theodora hakt sich bei Katharina von Lelac unter. „Was machst du denn hier? Dein armer Gatte muss mich ja schon bald nicht mehr ausstehen können, wenn du mehr Zeit in meiner Gesellschaft verbringst als in seiner und häufiger bei Hofe bist als in deinem neuen Heim."
Theodoras Freundin schüttelt lachend den Kopf. „Keine Sorge, wir sind auf offizielle Einladung hier. Der König gibt in vier Tagen einen Ball anlässlich des fünfzigsten Geburtstags seines Bruders, Prinz Korbinian. Es wird alles anwesend sein, was Rang und Namen hat und es wäre sowohl für meinen Gatten, als auch für mich nicht richtig, uns dieses Ereignis entgehen zu lassen. Es ist ein Feuerwerk geplant und ein üppiges Buffet und seit Tagen hängt die Dienerschaft Banner im Ballsaal auf. Außerdem bin ich sehr gespannt auf Prinz Korbinian. Er soll ja jahrelang bei der Marine gewesen sein und bewohnt jetzt, so heißt es, ein einfaches Fachwerkhaus auf dem Land. Sicher ist er ein ganz anderer Charakter als der König selbst. Seine Majestät hat euch zudem eine neue Garderobe genehmigt und ich habe vorhin Ernestine eine Weile beraten. Wenn du Glück hast, ist die Schneiderin noch da, dann musst du später nicht noch einmal selber in die Stadt."
Katharina zieht Theodora in ihrer Begeisterung Richtung Treppe. Zweifellos scheint die Geburtstagsfeier ein großes Spektakel zu werden, über das es noch mehr zu berichten gibt, als Banner und Feuerwerk. Theodora wirft mir einen Blick zu, hält ihre übereifrige Freundin zurück und versichert: „Das hat noch Zeit, ich muss erst einmal ankommen und mich um mein Gepäck kümmern."
Ich schenke ihr ein Lächeln und versichere: „Ich kümmere mich um dein Gepäck. Geh ruhig. Ich wette, ihr habt euch genug zu erzählen."
Katharina erstarrt in der Bewegung und blickt von mir zu Theodora und auch Santos mustert mich mit fragend hochgezogener Augenbraue. Einen Moment lang bin ich stutzig, weshalb, bis mir auffällt, dass es die informelle Anrede sein muss, welche die beiden aufhorchen lässt.
„Nun - seine Durchlaucht scheint Recht zu haben. Du hast mir wohl wirklich einiges zu erzählen", bemerkt Katharina schließlich und zieht Theodora mit sich davon. Ich winke einige Pagen heran und weise sie ein, welche Gepäckstücke wohin zu bringen sind. Währenddessen werde ich eingehen von Santos gemustert.
„Die Reise war also ein Erfolg", stellt er schließlich fest und schlendert neben mir auf die Palasttreppe zu. Ich spiele den Unschuldigen. „Oh ja, Theodora hat ihre Schwester wiedergesehen und viel Zeit mit ihr verbracht. Die junge Baroness ist wirklich nett." Mein Freund knufft mich in die Seite. „Du weißt genau, dass ich das nicht meine. Spann mich nicht so auf die Folter, schließlich bin ich nicht gerade wenig in eure Beziehung involviert. Ihr duzt euch! Ging das von dir aus?"
Ein breites Grinsen legt sich auf mein Gesicht. „Das ist einfach so gekommen. Sie hat mich geküsst, Santos. Sie mich! Und danach waren wir einfach... vertraut miteinander." Auf Santos' Gesicht schleicht sich nun ebenfalls ein Grinsen. „Sie hat sich also in dich verliebt? Chapeau, das hätte ich nicht erwartet. Ich war mir nicht sicher, ob Damen überhaupt in der Lage sind, sich in dich zu verlieben. Andererseits gehört Theodora wohl zu den Frauen, die nicht den einfachsten Weg im Leben wählen und du bist vermutlich eine lebenslange Herausforderung. Wie dem auch sei, ich freue mich riesig für dich. Die Lackaffen hier haben ziemlich dumm aus der Wäsche geguckt, als bekannt wurde, dass Theodora verreist ist. Vermutlich sind sie auf Colliers, Trüffelpralinen und Bergen an Blumensträußen sitzen geblieben und haben sich gefragt, warum sie nicht so schlau waren wie du. Du hast Zeit mit ihr verbracht und Kosten gespart."
Santos' Worte könnten oberflächlich und beleidigend klingen - als hätte ich den einfachsten Weg gewählt und mir keine Mühe gegeben – aber ich weiß, dass es seine Art ist, mir zu sagen, dass er stolz auf mich ist.
„Apropos Kosten", hake ich ein. „Ich möchte nach Kroesus fahren. Ich möchte, dass Theodoras Verlobungsring lokal aus ihrer neuen Heimat stammt und da gibt es diese Goldschmiede, bei der mein Vater immer den Schmuck für meine Mutter anfertigen ließ. Unsere Beziehung ist zwar nicht auf Materielles gegründet, aber ich will in Theodora investieren und ihr etwas geben, das Bedeutung und Erinnerung für mich hat."
Santos mustert mich. „Es geht jetzt also wirklich zur Sache. Bist du dir auch ganz sicher, dass sie dich erhört?" „Absolut", erwidere ich und bin mir tatsächlich noch nie so sicher gewesen wie jetzt. „Es kann nichts mehr schiefgehen. Wir wollen ein gemeinsames Leben. Ich mit ihr und sie mit mir. Und wirklich gar nichts wird das jetzt noch verhindern können."
Mein Freund nickt bedächtig. „Gut, dann solltest du aber schauen, dass du zur großen Feierlichkeit von Prinz Korbinian wieder da bist. Man munkelt, dass der König Theodora nach dem Fest ihre Werber offenbart und es wäre gut für dich, wenn du zu diesem Zeitpunkt bereits ihre offizielle Zusage hast. Denn letztlich könnt ihr viel fühlen und empfinden, aber was zählt ist das gesprochene Wort in dieser Angelegenheit."
Ich nicke. „Ja, das sehe ich auch so. Das Fest ist vermutlich ein guter Zeitpunkt für einen Antrag. Ich meine, ich bin sicher, dass sie schon vermutet, dass ich um sie werbe, aber ich will es ihr trotzdem ganz persönlich sagen, bevor der König es tut."
Auf einmal scheint alles so nah. Der Moment, auf den ich lange hin gefiebert habe, steht kurz bevor. Und nichts, wirklich gar nichts, wird jetzt noch schiefgehen können.

Die FürstinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt