Kapitel 25 - Theodora

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„Mit Empfehlungen von Graf von Guondal." Die Stimme des Lakaien schallt in den Salon und ich vergrabe mein Gesicht in einem der Sofakissen, um lautlos zu schreien, während meine Zofe das dritte Blumenbouquet des heutigen Tages entgegennimmt. Seit gestern Nachmittag habe ich meine Gemächer nicht verlassen, um den Werbern aus dem Weg zu gehen, doch ich hätte es besser wissen müssen. Das Werben ist ein eingespieltes Theaterstück, in dem jeder seinen Text kennt und vor dem man nicht mal in den eigenen vier Wänden Ruhe findet.
Gerda schließt die Tür und hält mir die Blumen entgegen. „Was soll ich damit tun, Edle Dame?", fragt sie und ich muss unabsichtlich lächeln. Beim ersten Blumenstrauß hat sie noch gefragt, wo sie ihn platzieren soll, doch nachdem ich sie mit dem ersten zu Katharina geschickt habe und bei dem zweiten gesagt habe, sie soll damit ihr Mägdezimmer verschönern, hat sie mittlerweile bemerkt, dass ich keinen Wert auf die blühenden Geschenke der hochwohlgeborenen Herren lege, die lediglich ihre Lakaien mit Empfehlungen vor meine Tür schicken.
Ich rümpfe die Nase. „Ich mag keine Nelken. Die wecken in mir immer die Assoziation von aufgesetzten Rüschen an einem Ballkleid. Aber ich bin sicher, die Köchin freut sich. Das Abendessen gestern war sehr gut."
Gerda knickst und verschwindet dann auf ihre Mission. Ich lasse mich seufzend in die Polster zurücksinken. Ich habe keine Ahnung, wie viele Herren an mir interessiert sind, aber ich bin sicher, dass es in wenigen Wochen bei weitem nicht mehr so viele sein werden. Es ist häufig der Fall, dass Adlige sich zurückziehen, wenn sie ihre Bemühungen nicht gewürdigt sehen und wenn es danach geht, bin ich wohl ein besonders undankbarer Fall. Wenn es nach mir geht, würde ich das ganze einfach aussitzen. Doch der König hat mir unmissverständlich klar gemacht, dass meine Heirat kein Ultimatum ist. Und ich habe den Verdacht, dass er sehr ungemütlich werden kann, wenn ich nicht tue, was er sagt.
Ich kann beim besten Willen nicht verstehen, wie Katharina die Engelsgeduld besitzen konnte, all die Aufmerksamkeiten anzunehmen und mit jedem ihrer Werber Gespräche über eine gemeinsame Zukunft zu führen. Ich hoffe, dieser Farce so lange aus dem Weg zu gehen, wie möglich. Wie ich letztlich meine Entscheidung treffe, das bleibt abzuwarten.
Ein Klopfen reißt mich aus meinen Gedanken und ich versuche es zu ignorieren. Doch der Lakai ist sehr hartnäckig und nach weiteren forschen Klopfern, rappele ich mich auf.
„Wehe, das ist ein weiterer Blumenstrauß", sage ich absichtlich laut und öffne dann die Tür. Ich blicke in das verschmitzt lächelnde Gesicht von Fürst von Kroesus.
Ich beiße mir verlegen auf die Lippe. „Entschuldigen Sie, Durchlaucht, ich bin..." „...ein wenig überstrapaziert. Verständlicherweise. Aber Sie haben Glück, ich habe Ihnen keinen Blumenstrauß mitgebracht, sondern nur eine einzige Blume."
Hinter seinem Rücken zaubert er eine üppige Heckenrose hervor, die sofort ihren süßen Duft verströmt und hält sie mir entgegen. Völlig perplex starre ich abwechselnd ihn und die Blume an.
„Woher...?", beginne ich meine Frage. Sie schwebt in der Luft und er beendet sie, indem er antwortet: „Die stammt aus dem Garten um mein Anwesen herum. Meine Mutter ließ die Hecke pflanzen. Das ist zumindest die offizielle Version, aber ich persönlich glaube, dass sie selber den Spaten angesetzt hat. Die Natur war ihr Ruhepol."
Nun bin ich erst recht heillos überfordert. „Sie haben sich eine Rose aus Kroesus bringen lassen, um mir eine Freude zu machen?", fasse ich diese unwirkliche Situation zusammen. Sein schelmisches Lächeln wird noch breiter. „Nein, nicht so ganz. Ich bin persönlich nach Kroesus geritten, um Ihnen eine Blume zu holen, Sie hoffentlich sprachlos zu sehen und damit mir eine Freude zu machen. Vielleicht hätten Sie die Güte, mein kleines Geschenk anzunehmen?"
Erst jetzt bemerke ich, dass er mir die Rose immer noch entgegenhält, da ich noch keine Anstalten gemacht habe, sie ihm abzunehmen. Auf mein Nicken überreicht er sie mir vorsichtig, da der Stängel noch Dornen trägt.
„Wenn ich mich nicht irre, werden jetzt noch die Empfehlungen ausgerichtet. Also, Edle Dame, mit Empfehlungen von mir."
Ich muss unwillkürlich kichern, weil er das Verhalten der anderen so ins Komische zieht und dabei selbst so charmant seine Aufwartung macht. Insgesamt geht es mir bei seinem Anblick nach der ersten Überraschung über seine Mühe so viel besser und die Penetranz der unbekannten Adligen ist fürs Erste vergessen.
„Darf ich Sie hereinbitten, Durchlaucht?", frage ich und ernte ein freudiges Lächeln. „Darauf hatte ich gehofft, Baroness." Er tritt an mir vorbei in den Salon und ich schließe die Tür.
„Sie müssen ja einige Zeit vor meinem Zimmer gewesen sein, wenn Sie so genau wissen, wie das Prozedere funktioniert", merke ich an. Er nickt. „Oh ja. Und ich habe mich stets bei Ihrer Zofe erkundigt, wohin denn die Blumen gebracht werden. Ich finde es eine ausgezeichnete Idee, der Köchin zu danken. Die Verdienste der Angestellten werden bei Weitem unterschätzt. Und trotzdem bin ich sehr froh, dass Sie meine Blume behalten", bemerkt er, während ich die Rose in ein Glas Wasser stelle.
Ich bedeute ihm, Platz zu nehmen und lasse mich dann selber auf einem der Sessel nieder. „Sie haben einfach alles richtig gemacht, Durchlaucht", gebe ich zu. „Sie haben mir meine Lieblingsblume gebracht und waren sich auch nicht zu fein, selbst an meine Tür zu klopfen." Sein Lächeln vertieft sich. „Da fällt mir ein: Sie haben mir vorhin eine ganz andere Frage beantwortet als die, die ich stellen wollte. Eigentlich möchte ich gerne erfahren, woher Sie wissen, was meine Lieblingsblume ist." Er zuckt mit den Schultern.
„Vielleicht sage ich es Ihnen irgendwann. Aber vorerst müssen Sie sich damit zufriedengeben, dass ich einen geheimen Verbündeten im Palast habe, dem viel an Ihnen liegt."
Wir schweigen eine Weile, dann meint er: „Diese Heirats-Geschichte kostet Sie viele Nerven, nicht wahr?" Ich seufze. „Es ist alles so aufgesetzt, das sehen Sie ja selber. Das Verhalten der Herren ist berechnend und ich fühle mich wie eine Trophäe, die es zu erringen gilt. Mit den meisten Werbern habe ich in meiner Zeit bei Hofe maximal ein paar Sätze über das Wetter gewechselt. Bisher war ich uninteressant für sie und jetzt wollen sie mich plötzlich heiraten. Vermutlich ist es einfach die Vorstellung einer arrangierten Ehe, die mir Angst macht. Warum muss eine männliche Bekanntschaft überhaupt zwangsläufig in eine Ehe führen? Ich meine, Sie und ich zum Beispiel führen eine Freundschaft, ohne dass Sie gleich auf die Idee kommen würden, um mich zu werben."
Fürst von Kroesus fixiert konzentriert mein zerknautschtes Sofakissen. Ich runzele die Stirn. „Ist alles in Ordnung mit Ihnen, Durchlaucht?", frage ich leicht verwirrt angesichts dieser Reaktion. „War ich Ihnen zu offen mit meinen Worten? Es tut mir leid, ich habe nicht daran gedacht, dass Sie das so genau vermutlich gar nicht interessiert."
Er blickt auf. „Nein, machen Sie sich keine Gedanken. Ich... Ich habe mich nur gefragt, was ein Mann tun müsste, um Ihr Herz zu gewinnen."
Diese Aussage verblüfft und verwirrt mich, vor allem, da er sie so ernst vorgetragen hat. „Ich schätze, das weiß ich selber nicht."
In die erneute Stille hinein erkundige ich mich: „Möchten Sie einen Tee?" Das Lächeln kehrt auf sein Gesicht zurück. „Sehr gerne." Ich greife nach der halbgefüllten Kanne, die meine Zofe mir vor Kurzem gebracht hat und schenke ihm ein.
Dann lehne ich mich seufzend zurück und murmele: „Wenn ich nur wüsste, wie ich all dem hier entfliehen kann."
Er räuspert sich. „Besuchen Sie doch Ihre Schwester." Er sagt es aus heiterem Himmel und es dauert nur Millisekunden, bis diese Idee in mir Wurzeln schlägt und aufkeimt. „Das ist ein hervorragender Vorschlag", sage ich, auf einmal ganz aufgeregt. Ich habe Kassandra ewig nicht mehr gesehen, ich möchte wissen, wie es ihr geht, ob sie genug Hilfe hat. Ich möchte mich mit ihr austauschen über mein Leben, mein Dilemma, meine verwirrenden Gefühle. Und ich möchte momentan einfach nur weg von hier.
Dabei gibt es jedoch ein Problem: Ich glaube kaum, dass der König mich zurzeit aus dem Schloss lässt. Da hätte er keine Kontrolle über mich, da könnte ich nicht auf meine Werber reagieren.
„Ich glaube nicht, dass König Ursus so begeistert von diesem Ansinnen sein wird", teile ich meine Bedenken mit. Fürst von Kroesus lehnt sich mit verschränkten Armen in die Polster. „Und, lassen Sie sich davon abhalten? Wenn Sie wollen, können Sie Ihr Gegenüber von allem überzeugen. Und der König ist doch kein Hindernis für Sie."
Sein aufmunterndes Lächeln gibt mir Mut und wieder einmal frage ich mich, warum er einfach immer das Richtige macht oder sagt. Ohne Zweifel wäre er wohl der richtige Mann.

Die FürstinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt