Kapitel 20 - Theodora

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Die sanfte Musik einer Harfe weht durch die Luft und vermischt sich mit dem Geschnatter der hochrangigen Gäste. Das Gartenfest ist weit größer ausgefallen, als gedacht – offenbar ist Lelacs Cousine nicht für ihre Zurückhaltung bekannt. Sie stolziert umher in einem sehr bunten Kleid, die Federn in ihrer Frisur wippen munter, während sie mit jedem neu eintreffenden Gast ein paar Worte wechselt.
Als sie uns drei Damen entdeckt, wie wir zu der Gesellschaft dazustoßen, kommt sie zielstrebig auf uns zu.
„Katharina, wie schön, dich zu sehen, meine Liebe", begrüßt sie ihre angeheiratete Verwandtschaft und wechselt Küsschen links und rechts. „Ich bin ja überglücklich, dass du meinen Cousin überredet hast, dass ihr beide an meinem kleinen Fest teilnehmt. Erinnere mich, dass ich dich demnächst einmal zu mir einlade. Ich habe dir noch gar nicht richtig gesagt, wie froh ich bin, dass du Terence erhört hast." Katharina lächelt aufrichtig. „Danke, Ivanka. Das Gartenfest ist sehr schön."
Die Gastgeberin strahlt. „Und natürlich ist es mir auch eine Freude, dass sich beide Hofdamen heute die Zeit genommen haben, teilzunehmen. Baroness Theodora, Edle Dame Ernestine, ich hoffe, Sie werden sich rundum wohlfühlen. Kuchen und Sandwiches gibt es im Pavillon und Getränke im Zelt, fühlen Sie sich frei, sich bedienen zu lassen."
Wir wechseln noch ein paar nette Worte, bevor sie sich entschuldigt, um die nächsten Gäste zu begrüßen. „Sie scheint mir eine hervorragende Gastgeberin zu sein", bemerke ich und meine das auch wirklich ernst. Die Unterhaltung mit ihr war ungezwungen und herzlich und sie kann jedem ihrer Gäste das Gefühl geben, der wichtigste zu sein.
„Das ist wahr", bestätigt Katharina. „Ivanka de Beaumont ist bisweilen ein wenig überdreht, aber eine herzensgute Seele. Sie hat sich von Anfang an bemüht, dass ich mich in der Familie willkommen fühle und ich glaube, dass ich in Zukunft in ihr eine Freundin finden werde."
Zwei junge adlige Mädchen stoßen zu uns, wechseln ein paar Worte über das Fest und das Wetter, bevor sie Ernestine in ein Gespräch über ihr Kleid verwickeln. Sie trägt eine pflaumefarbene Robe mit romantischer Spitze und ich muss meiner Hofdamenschwester zugutehalten, dass sie beim Thema Mode absolut weiß, was sie tut.
Katharina blickt sich suchend um und ich frage sie in einer schlechten Vorahnung: „Wo ist eigentlich dein Ehemann? Es gehört sich eigentlich, dass er dich auf ein Fest begleitet oder mindestens hier empfängt." Sie seufzt. „Er ist sehr wortkarg, seit wir hier sind. Noch mehr als sonst. Ich weiß, dass er sich bei Hofe nicht wohlfühlt, aber ich habe das Gefühl, dass er es mir anlastet, jetzt hier zu sein. Dabei gehört es sich einfach, wenn die Beaumonts ein Fest ausrichten." Ich runzele unwillig die Stirn. „Trotzdem kann er nicht einfach seine Pflichten vernachlässigen. Auch oder gerade wenn ihr Differenzen habt. Besonders in solchen Momenten muss er doch an deiner Seite sein, um Gerüchten und Tratsch aus dem Weg zu gehen. Ihr seid noch nicht mal drei Wochen verheiratet. Die Leute erwarten, dass er dich herumführt, dir Getränke reicht und Komplimente macht und vor jedem mit dir prahlt."
Ich sehe die Augen meiner Freundin feucht werden. „Ich weiß, Theodora, glaub mir das. Ich bin mir im Klaren, dass etwas nicht richtig läuft. Aber ich kann im Moment nichts tun, also verzichte bitte darauf, mir vor Augen zu führen, was alles schief läuft in meiner Beziehung. Wenn du mich entschuldigst, ich sollte ein paar Worte mit König Ursus wechseln."
Sie eilt hastig davon, noch bevor ich ihr sagen kann, dass ich es nicht so gemeint habe. Ich verfluche mich selber. Meine Worte waren alles andere als feinfühlig, natürlich empfindet Katharina das als Verletzung.
Ich seufze und nehme mir vor, später noch einmal mit ihr zu reden und mich zu entschuldigen, ihr aber vorerst ein bisschen Raum zu lassen.
Ich blicke um mich, um zu entscheiden, ob ich irgendwen in ein Gespräch verwickeln sollte oder mich lieber zum Kuchenbuffet begeben sollte, da entdecke ich abseits Baron von Lelac, wie er gleichgültig auf und ab schlendert. Dieser Anblick macht mich auf einmal so wütend, dass ich ohne zu überlegen, direkt auf ihn zu eile.
Er sieht mich kommen und verschränkt abwehrend seine Arme vor der Brust.
„Baron von Lelac, auf ein Wort." Unverblümt baue ich mich vor Katharinas Ehemann auf. Es ist mir egal, dass ich womöglich eine Grenze überschreite, aber ich kann das nicht mehr mit ansehen. Katharina hat sich für diesen Mann entschieden, obwohl sie so viele hätte haben können. Es ist an der Zeit, dass er sich mal ein bisschen Mühe gibt.
Lelac seufzt resigniert. „Baroness Theodora, wie schön, dass wir uns einmal unterhalten. Als ehemalige Hofdamenschwester spielen Sie ja eine wichtige Rolle im Leben meiner Frau", meint er und ich höre an seiner Stimme, dass diese Worte nicht unaufrichtiger sein könnten. Ich funkele ihn an. „Ja, wie schön, dass wir uns mal unterhalten. Obwohl es jetzt eigentlich Ihre Pflicht wäre, an Katharinas Seite zu stehen und sich mit ihr zu unterhalten. Wissen Sie eigentlich, was Sie für ein Bild abgeben und was Sie Ihrer Frau damit antun?"
Baron von Lelac blickt zur Seite. „Ich glaube, unser Verhalten und unsere Beziehung geht Sie nichts an. Es ist meine Ehe, nicht Ihre." Ich schnaube undamenhaft. „Es ist die Ehe meiner Freundin! Und sie leidet darunter! Ich weiß nicht, ob es zu viel verlangt ist, dass sie von ihrem Gatten einfach nur wahrgenommen werden will!"
Lelac rollt mit den Augen. „Ich bin mir sicher, dass Sie seit unserer Ankunft hier bei Hofe jede Gelegenheit genutzt haben, sich über mich auszutauschen und all die Punkte aufzuzählen, in denen ich versagt habe. Aber ich bin, wie ich bin und Katharina kennt mich nicht erst seit gestern. Sie hätte sich vor der Hochzeit überlegen sollen, was sie von einem Mann verlangt. Und dann hätte sie erkannt, dass ich ihr das nicht geben kann."
Ich will etwas erwidern, doch er schiebt sich an mir vorbei und flüchtet über den nächsten Gartenweg ins Gebüsch. Ich fluche innerlich und starre ihm böse hinterher.
„Edle Dame, ich muss zugeben, wenn Sie so schauen, möchte selbst ich nicht Gegenstand Ihrer Aufmerksamkeit sein", erklingt in meinem Rücken eine wohl vertraute Stimme. Ich wirbele herum und blicke in das verschmitzt lächelnde Gesicht von Fürst von Kroesus.
„Es ist schön, dass Sie so gute Laune haben, Durchlaucht, aber meine Stimmung ist nach diesem äußerst unerfreulichen Gespräch leider gekippt. Also entschuldigen Sie mich, wenn ich nicht die Muße besitze, mich heute mit Ihrem eigenwilligen Charme zu befassen." Meine Worte kommen giftiger heraus, als ich es beabsichtigt habe.
„Entschuldigung akzeptiert", sagt er unumwunden und mustert mich eingehend. „Wissen Sie, Baroness, ich finde es äußerst löblich, wie Sie sich für Ihre Freundin einsetzen." Ich blicke zu Boden und frage mich, wie viel er mitbekommen hat. „Bei Hofe hat man nicht viele Freundschaften", erkläre ich ihm. „Und die wenigen, die ich habe, sind mir jederzeit wert, mich einzusetzen."
Erst jetzt fällt mir auf, dass er zwei Gläser Wein in den Händen hält und ich bekomme ein schlechtes Gewissen, dass ich ihn so angeschnauzt habe. Aus irgendeinem Grund vergisst er nie, mir gegenüber aufmerksam zu sein.
„Bei allem Respekt für Ihren Einsatz", fährt er fort, „haben Sie jedoch einen entscheidenden Fehler gemacht." Ich schaue ihn fragend an. „Ach ja, und welchen?" Wieder tritt das verschmitzte Lächeln auf sein Gesicht. „Sie sind eine Frau, Edle Dame. Und ein Mann lässt sich ungern von einer Frau belehren, die schlauer ist als er."
Jetzt rolle ich mit den Augen, kann aber nicht verhindern, dass sich ein Lächeln auf mein Gesicht stielt. „Danke für den wohlgemeinten Hinweis. Unglücklicherweise ist das ein Umstand, den ich nicht in der Lage bin zu ändern."
Er schmunzelt. „Ich finde diesen Umstand überhaupt nicht unglücklich. Und damit Sie das auch so sehen, möchte ich Ihnen meine Hilfe anbieten." Auf meinen fragenden Blick offenbart er: „Ich könnte mit ihm reden."
Ich lache trocken auf und mustere ihn spöttisch. „Sie wollen mit Ihm reden? Ihr Ruf unter den Adligen ist nicht der Beste, wenn ich das mal so sagen darf, Durchlaucht. Und außerdem kennen Sie Baron von Lelac überhaupt nicht." Er zuckt mit den Schultern. „Na umso besser. Einen Freund kann man immer leichter abwimmeln als einen Fremden mit hohem Rang." Er lächelt verschmitzt. „Ich glaube, Sie sind bloß nicht von meiner einfühlsamen Seite überzeugt." Ich ziehe meine Augenbrauen hoch. „Sie besitzen eine einfühlsame Seite?"
Ein entschlossener Ausdruck tritt auf sein Gesicht. „Ich beweise es Ihnen." Er mustert die beiden Weingläser. „Eigentlich wollte ich Ihnen etwas zu trinken reichen, aber ich glaube, ich habe jetzt ein Männergespräch zu führen." Er verneigt sich und schiebt sich dann gut gelaunt an mir vorbei. Und wieder einmal weiß ich nicht, was ich davon halten soll.

Die FürstinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt