Kapitel 7 - Theodora

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Ich atme tief durch und versuche, in dem engen Korsett genug Luft zu bekommen. Ich liebe das Tanzen, doch die höfische Mode macht es uns Damen nicht gerade leicht.
Katharina scheint es ähnlich zu gehen, doch trotzdem strahlt sie vor Glück.
„Ich bin so überwältigt, wie alles zusammengekommen ist, trotz der kurzen Planungsphase. Ist es nicht wunderschön? Lelac hat so reizende Worte gefunden und alle Gäste sind so freundlich in ihren Glückwünschen. Ich kann kaum glauben, dass dies erst die Verlobung ist. Wie wird dann wohl die Hochzeit werden?"
Ich erwidere das Lächeln meiner Freundin, obwohl mir beim Gedanken an ihre Hochzeit immer noch ein wenig wehmütig zumute ist. Doch ich habe nicht dafür gekämpft, dass Fürst von Kroesus sich zurückhält, nur um ihr diesen Abend höchstpersönlich zu verderben.
„Ich freue mich, dass alles zu deiner Zufriedenheit ist. Du hast es verdient. Obwohl ich mir wünschen würde, dass einige junge Herren deine Verlobung nicht zum Anlass nehmen würden, um mich unverblümt zu fragen, wann ich denn an der Reihe sein werde. Der König hat schließlich noch kein Sterbenswörtchen darüber verlauten lassen, ob er in der nächsten Zeit um mich werben lassen will. Und ich weiß nicht, ob es dem königlichen Hof so zuträglich wäre, drei Hofdamen so schnell nacheinander zu verlieren."
Katharina runzelt die Stirn. „Ich sehe das nicht so. Vielmehr wäre es eine Chance für Ernestine, sich zu beweisen. Solange du hier bist, wird sie immer an zweiter Stelle stehen, aber ich würde ihr gönnen, ein wenig mehr aufzublühen. Womöglich würde sie dadurch ihre Verbissenheit und Ernsthaftigkeit ein Stück ablegen. Nicht dass du mich falsch verstehst – ich möchte natürlich auch das Beste für dich."
Ihr Blick fokussiert sich auf etwas hinter meinem Rücken. „Ist das etwa Fürst von Kroesus? Was macht er denn auf meinem Ball?"
Ich wende mich ungläubig um. Eigentlich habe ich ihm geglaubt, dass er Katharina zuliebe keinen Ärger machen wird. Doch tatsächlich kommt er mit einem weiteren jungen Mann im Schlepptau geradewegs auf uns zu. Ich verziehe mein Gesicht. Ich sollte mich daran gewöhnen, dass dem Adel nicht zu trauen ist.
„Ja, was macht er auf deinem Ball?", wiederhole ich ungehalten. „Ich dachte, er würde in seinem Zimmer bleiben und darauf verzichten, Unruhe zu stiften."
Katharina zieht eine Augenbraue fragend gen Haaransatz. „Du wusstest, dass er im Palast ist? Seit wann? Und woher?" „Seit heute. Und ich bin ihm zufällig begegnet", entgegne ich vage.
Katharina will noch etwas hinzufügen, doch da haben die Herren sich schon ihren Weg zu uns gebahnt und verneigen sich formvollendet. Zu meiner Überraschung wendet sich Fürst von Kroesus zunächst freundlich an Katharina.
„Edle Dame, meinen aufrichtigen Glückwunsch zu Ihrer Verlobung. Ich wünsche Ihnen Geborgenheit und eine freudige Zukunft und beglückwünsche Sie zu der Wahl Ihres Gatten und zu diesem wunderschönen Fest."
Katharina neigt dankend ihren Kopf und versucht, ihre Überraschung zu verbergen. Auch ich hätte solch einen charmanten Glückwunsch nicht von ihm erwartet.
Fürst von Kroesus wendet sich nun an mich. „Welch Freude, Sie wiederzusehen, Baroness von Mühlen." Ich knickse leicht als Erwiderung und bin ein bisschen enttäuscht, dass er meinen Namen herausgefunden hat. Obwohl mir natürlich klar gewesen ist, dass es früher oder später dazu kommen würde.
„Gleichfalls, Durchlaucht. Wie ich feststelle, haben Sie sich kundig gemacht." Er schmunzelt. „Schande über mich, dass ich mich überhaupt nach Ihnen erkundigen musste. Ihrer Prominenz nach hätte ich Sie auf den ersten Blick erkennen müssen." Ich betrachte ihn spöttisch. „Dass Sie mich nicht erkannt haben, wird meinem Ruf vielleicht nicht gerecht, aber Ihrem doch auf jeden Fall. Apropos, ich hatte Sie hier nicht erwartet. Glaubt man dem, was man so hört, lehnen Sie solche Feierlichkeiten eher ab."
Er lächelt gelöst. „Nicht grundsätzlich, Edle Dame. Ich glaube, ein Herr kann stets etwas finden, was seine Anwesenheit auf einem Ball lohnenswert macht. Und bevor Sie mich weiterhin so wachsam mustern – ich habe mich den ganzen Abend über vorbildlich verhalten. Mein Freund hier kann das bestätigen."
Der zweite Herr tritt einen Schritt nach vorn und verbeugt sich noch einmal.
„Darf ich vorstellen: Mein guter Freund Santos Melatoni." Der Name kommt mir bekannt vor. Doch bevor ich fassen kann, woher, wirft Katharina ein: „Sie schreiben für den Adels-Kurier, nicht wahr?" Herr Melatoni nickt, doch ich sehe weder die Überheblichkeit noch Blasiertheit in seinem Blick, die Personen mit seiner Arbeitsstellung gewöhnlich zur Schau tragen. Im Gegenteil, er wirkt eher gleichgültig. Als wäre es im Grunde egal, ob er der beste Schreiber der meistverlegten Zeitung ist.
„Das ist korrekt, Edle Dame." Katharina strahlt. „Ich bin begeistert von dem, was Sie schreiben. Zwar neigen Sie gehörig zu Übertreibungen, aber Ihre kurzweiligen Artikel haben mir schon den ein oder anderen langweiligen Nachmittag vertrieben."
Im Gegensatz zu meiner Freundin lese ich nur die Texte von ihm, auf die Katharina mich aufmerksam macht und halte mich sonst an seriösere Berichte. Doch ein kürzlich erschienener Artikel ist mir noch überraschend präsent.
„Ich weiß nicht, ob das Wort ‚Übertreibung' Ihren Stil ausreichend beschreibt, Herr Melatoni. Sie haben ein Talent dafür, die Personen, über die Sie schreiben, auf charmante Weise lächerlich zu machen und bewegen sich auf dem schmalen Grat zur Unhöflichkeit. Ich meine, mich zu erinnern, dass Sie auch neulich ihren Mund wieder sehr voll genommen haben, sprichwörtlich gesehen", bemerke ich mit einem schnippischen Unterton.
Seine Augen funkeln amüsiert, als er erwidert: „Ich schätze, das müssen Sie weiter ausführen, Baroness."
Ich sinne einen Augenblick über die genaue Wortwahl nach, dann rezitiere ich: „Katharina Mollock besitzt das Talent, die adlige Gesellschaft zu verhöhnen, ohne die Grenzen des Schicklichen zu überschreiten. Sie dürfte mehr als einem jungen Herrn das Herz gebrochen und den Stolz zerschmettert haben durch die feurigen Worte, mit denen sie den farblosen Baron Terence von Lelac all jenen Junggesellen der feinen Gesellschaft vorzog. Der Titel des Artikels, soweit ich mich erinnere, nannte sich: Wie die Hofdamen den Adel verhöhnen. In diesem Punkt werden Sie mir verzeihen müssen, dass ich Ihnen eine fundierte Recherche abspreche. Die zukünftige Braut lebt für den Adel und unterstützt das Königshaus, wie jede in unserer Position es gehalten ist zu tun. Ich bezweifle, dass Katharina ihren Zukünftigen wählte, um den Adel zu verspotten, vielmehr sucht sie wohl wie jede junge Frau nach ihrer eigenen Definition von Glück."
Herr Melatoni wird ein wenig rot, was Katharina zum Kichern bringt. „Sei nicht so streng, Theodora. Ich wette, es gehört zum erfolgreichen Geschäft, bisweilen die Wahrheit zu verdrehen. Herr Melatoni, ich fühle mich geehrt, Teil Ihrer literarischen Darstellung zu sein und fasse Ihre Wortwahl in keiner Weise als Affront gegen mich auf."
Er neigt dankend den Kopf und bemerkt verschmitzt: „Untertänigsten Dank, Fräulein Mollock, Sie haben mir soeben den Abend gerettet. Und Sie, Baroness von Mühlen", wendet er sich mit zurückgewonnenem Selbstbewusstsein an mich, „haben mir soeben genug Material für ein weiteres Charakterportrait über Sie geliefert."
Fürst von Kroesus verschränkt sichtlich gut gelaunt die Arme vor der Brust. „Das heißt, es existieren auch Artikel über Sie, Baroness?" Ich rolle mit den Augen. „Ich weiß nicht, was ich von Ihnen halten soll, Durchlaucht. Wenn Sie sich schon nicht für das Höfische interessieren, so sollten Sie doch immerhin Interesse an der Arbeit Ihres Freundes zeigen." Der Fürst lacht. „Das würde ich auch, aber Santos wechselt seine Arbeit wie sein Hemd. Doch vielleicht wäre es mir jetzt zugute gekommen, seine Zeitung zu lesen. Womöglich sind Sie nur so streng mit meinem Freund, weil er ebenso kritisch über Sie geschrieben hat."
„Oh ja, das stimmt", meldet sich Katharina wieder zu Wort. „Die Passagen über Theodora sind immer besonders kreativ und enthalten trotzdem den Funken Wahrheit, den man in der Klatschpresse lesen möchte." Offenbar sieht sie nun ihre Chance gekommen, ebenfalls etwas zu rezitieren. „Da war ein Teil dieses Artikels, der dir gar nicht gefallen hat, Dora. Ich glaube, er ging in etwa so: Eine weit größere Hürde dürfte es für seine Majestät jedoch bedeuten, Theodora von Mühlen unter die Haube zu bekommen. Sie ist eine Göttin unter den Damen des Landes – wir ehren und fürchten Sie gleichermaßen. Doch wer dies als ihr natürliches Wesen interpretiert, gibt sich wohl Illusionen hin. In Wahrheit handelt es sich um mühsame Anstrengung und harte Arbeit, mit der sie danach strebt, sich all die Herren vom Leibe zu halten, die ihrer Hofdamen-Gefährtin den Hof machten. Denn obwohl wir sie alle bewundern – heiraten wird diese anspruchsvolle Frau wohl keiner wollen."
Herr Melatoni verneigt sich unterwürfig. „Ich hoffe, ich habe damit nicht Ihre Gefühle verletzt, Edle Dame. Die Zeitung ist ein Geschäft. Und jeder muss dafür sorgen, dass sein Geschäft gut läuft. Auch mein Vorgesetzter. Und ich lebe von dem Geld, das er mir zueignet."
Ich bedenke ihn mit einem milden Lächeln. „Würden Sie so Konversation betreiben, wie Sie schreiben, würde Sie wohl kein Mensch mehr mögen. Doch Sie beherrschen es vorzüglich, unterwürfige Unterhaltungen zu führen und all die spitzen Gedanken für Ihre Artikel aufzusparen. Und damit bewirken Sie nicht nur, dass die Menschen Sie mögen, nein, wir lieben Sie dafür."
Er lacht. „Ich danke für Ihre Milde mir gegenüber. Dennoch habe ich das Gefühl, dass Sie mir nicht gänzlich wohlgesonnen sind. Vielleicht besitzt Fräulein Mollock die Güte, mich auf die Tanzfläche zu begleiten und mich vor Ihrem tödlichen Blick zu retten."
Katharina lacht und ergreift den Arm, den er ihr anbietet. Die beiden schreiten davon und ich bleibe zurück mit dem Fürsten von Kroesus.
„Einen interessanten Freund haben Sie, Durchlaucht. Ich hätte in Ihrer Gegenwart etwas ernstere Menschen erwartet. Wobei... Wenn ich es mir recht überlege, passt er zu Ihnen. Er legt ein genauso unverschämtes Verhalten an den Tag, wie man es Ihnen nachsagt, nur verurteilt ihn keiner dafür." Er lächelt. „Santos braucht die Anerkennung der Menschen, auch wenn er es nicht zeigt. Dementsprechend paart er seine spitze Feder mit seinem Charme. Mir hingegen ist nicht daran gelegen, einen guten Eindruck zu erwecken. Ich sehe es als meine Aufgabe, das Leben all denen unbequem zu machen, die es ohnehin viel zu bequem haben. Aber wo wir von Freundschaft reden – ich bin überrascht, dass Fräulein Mollocks sanftmütiges Wesen Ihre gefestigte Meinung erträgt. Geben Sie es zu, wir sind beide keine einfachen Persönlichkeiten. Obwohl ich nicht so weit gehen würde, Sie als Männer-Schreck zu betiteln."
Ich stemme wenig elegant meine Hände in die Hüften. „Sie scheine ich auf jeden Fall nicht verschreckt zu haben, Durchlaucht. Was wiederum bedeutet, dass ich mich nun mit Ihrem äußerst komplizierten Wesen auseinandersetzen muss."
„Vielleicht können wir diese schwierige Aufgabe mit etwas Angenehmem verbinden. Darf ich Sie um den nächsten Tanz bitten?"
Er bietet mir seinen Arm an, wie Herr Melatoni eben noch Katharina. Ich werde aus diesem Menschen nicht schlau. Sicher ist, dass ich ihn mit Vorsicht genießen muss. Ich fühle mich nicht bereit, mich mit ihm der Öffentlichkeit zu präsentieren. Also lehne ich ab: „Ich bedaure, Durchlaucht. Mir ist nicht nach Tanzen. Aber vielleicht möchten Sie mich an die frische Luft begleiten."
Ich hake mich bei ihm unter – ein seltsames Gefühl. Er ist ein großer, stolzer Mann, der sich um niemanden schert und den ich noch nicht einmal einen Tag lang kenne. Und doch begleitet er mich wie ein feiner Herr auf die Terrasse vor dem Ballsaal und nimmt es kommentarlos hin, dass ich ihm gegenüber schnippisch und kompliziert bin. Irgendetwas stimmt doch an der Sache nicht. Vielleicht genießt er die Gesellschaft einer Person, die ihm ähnlich ist. Vielleicht diene ich ihm als Ablenkung oder Herausforderung. Sehr wahrscheinlich ist jedoch, dass ich keine Ahnung habe, warum er so ist, wie er ist.

Ihr Lieben,
da ich die kommenden zwei Wochen in meinem lang ersehnten Urlaub bin und diese Zeit auch nutzen möchte, um meinen Medienkonsum mal herunterzufahren, gibt es heute vorab die Kapitel für die beiden kommenden Sonntage.
Genießt auch ihr den Sommer und, wenn ihr sie noch habt, eure Ferien oder freie Zeit.
Eure MissOpenBook

Die FürstinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt