Kapitel 1 - Theodora

805 67 7
                                    

„Ich verstehe ja, dass du heiraten willst, Katharina. Aber muss es denn so bald sein?" Selbst ich höre den mauligen Unterton in meiner Stimme und merke, wie sinnlos diese Frage ist. Es ist alles beschlossen, die Einladungen sind verschickt und die Feierlichkeiten beginnen heute Abend. Ein bisschen spät, um zu intervenieren. Und doch, verteidige ich mich selbst, habe ich auch erst kurzfristig davon erfahren. Nicht, dass Katharina heiratet. Aber dass es so schnell sein würde.

Ich bin sonst nicht so. Ich bin eine Frau mit Prinzipen – zumindest bilde ich mir ein, es zu sein – und normalerweise wage ich es nicht, die Entscheidungen anderer infrage zu stellen. Ich glaube daran, dass jeder Mensch selbst am besten weiß, was er will. Genauso wenig, wie ich mir gerne etwas vorschreiben lasse, schreibe ich anderen gerne vor, was sie zu tun oder zu lassen haben. Doch dieses Mal ist es anders. Dieses Mal geht es nicht darum, ein grünes oder ein blaues Kleid zu tragen oder darum, ähnlich belanglose Entscheidungen zu treffen, die in der Summe nicht viel Gewicht haben werden, wie es normalerweise bei uns Frauen üblich ist. Sondern es geht darum, eine Freundin zu verlieren.

Katharina dreht sich vor dem Spiegel hin und her, um sich in ihrem halbfertigen Hochzeitskleid zu betrachten. Es ist ein recht schlichtes Modell, das ihr sehr gut steht. Dennoch, wenn ich es mit Louisas Kleid vergleiche, sehe ich den Unterschied deutlich. Doch in einer Woche ist eben nicht mehr möglich, als ein klassischer Schnitt mit ein paar Accessoires.

„Was denkst du, Theodora? Noch eine Schleife, oder soll ich lieber auf Perlen setzen?", fragt meine Freundin, ohne auf mein Gejammer einzugehen. Es ist ihre Art, mir zu sagen, dass ich mich zusammenreißen soll.

Katharina Mollock und ich kennen uns schon lange. Vor etwa fünf Jahren begannen wir zeitgleich unseren Dienst als Hofdame und das schweißte uns zusammen. Wir stießen zu Louisa de Marc dazu, einer eitlen, sehr schönen jungen Frau, die dieses Amt vorher allein ausgefüllt hatte. Unter ihren kritischen und wenig wohlwollenden Augen war es gut, eine Freundin zu haben und so meisterten wir es beide, zu großer Beliebtheit zu gelangen, die Louisa in ihrer einfältigen Art tatsächlich in den Schatten stellte. Vor einem Jahr heiratete Louisa schließlich. Zeitgleich begann das Werben um Katharina, sowie das Einlernen unserer neuen Hofdame Ernestine.

Katharina und ich haben einige prägende Jahre unseres Lebens miteinander verbracht. Unsere Freundschaft ist tief und das, obwohl wir so unterschiedlich sind. Während ich eine eher anspruchsvolle Person bin, die sich nicht so leicht auf der Nase herumtanzen lässt, besitzt Katharina ein sanftes Wesen und schafft es immer wieder, die Dinge positiver darzustellen, als sie zunächst erscheinen. Wir sind immer offen miteinander gewesen und ich konnte meistens nachvollziehen, warum sie so denkt, wie sie denkt. Doch dieses Mal bin ich absolut ratlos. Oder, schleicht sich der Gedanke in meinen Kopf, ich will sie einfach nicht verstehen.

„Perlen", sage ich und gebe meiner Stimme einen patzigen Unterton. Katharina nickt und lässt sich hinter einem Raumteiler von ihrer Zofe aus dem Kleid helfen. Die Schneiderin und der Rest an Bediensteten, die in der letzten halben Stunde um die zukünftige Braut herumgeschwirrt sind wie ein Bienenschwarm, lassen uns allein.

Wieder angezogen, setzt sich Katharina zu mir auf das cremefarbene Sofa in ihrem Salon.

„Sieh mal, Theodora. Wir alle wussten, dass dieser Tag kommen würde. Schon als Louisa geheiratet hat, wurde deutlich, dass ich schon sehr bald die nächste sein würde. Es ist schwierig, diesen Moment abzupassen, an dem eine Hofdame auf dem Höhepunkt ihres Einflusses ist. Bei Louisa ist dieser Punkt verpasst worden und du weißt, wie schwierig es für sie war, eine geeignete Partie zu finden, mit der sie zufrieden sein konnte und die auch ihrem Stand entsprach. Ich spüre, dass es für mich auch an der Zeit ist. Ich bin nicht du, Theodora. Ich bin nie so ein schillerndes Vorbild gewesen und ich würde, wenn ich weiter Hofdame bliebe, in meinem Leben auf der Stelle treten. Es war Zeit, um mich werben zu lassen. Und ich habe mich darauf gefreut. Mir hat es gefallen, all die Werber näher kennenzulernen und mich für einen entscheiden zu dürfen. Mich hat es gefreut, dass der König und meine Eltern uns den Segen gegeben haben. Ich weiß, dass du dir eine Ehe für dich selbst noch nicht vorstellen kannst, aber versuche zu verstehen, dass es bei mir anders ist."

Die FürstinWo Geschichten leben. Entdecke jetzt