Das kleine GROSSE Wunder

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Lea konnte und wollte nicht glauben, was sie dort hörte. Ganz besonders nicht, da sich ihre Wehen immerzu verstärkten und die Abstände in immer kürzeren Abständen kamen. Und sie sagte immer wieder, daß sie das Baby auf der Fahrt in die Klinik noch gespürt hatte. Dort hatte es sich noch bewegt. Sie sah Mario an, flehentlich, fordernd. Man entschied sich, den Geburtsverlauf nun zu unterstützen.
Im Kreißsaal lag sie in dem großen Bett, trug ein Shirt von Mario und eine Hand streichelte immer wieder über den Bauch. Mario bewunderte sie für ihre Kraft, die sie gerade aufbrachte, denn seine Frau war überzeugt davon, das ihr Baby lebte. Sie sagte ihm das immer wieder wie ihr eigenes Mantra, während er die aufsteigenden Tränen immer wieder unterdrückte. Er wollte nicht weinen. Wenn sie stark sein konnte, dann schaffte er das auch.
Man hatte ihr einen Wehentreiber in den Tropf gegeben, da man unter keinen Umständen wollte, das der Geburtsvorgang unvorhergesehen stoppte.

Ina versuchte diese Situation so angenehm wie möglich zu machen.
Im Hintergrund hielt sich die Gynäkologin auf, die für alle Fälle dabei blieb.
Durch das medikamentöse vorantreiben der Geburt, blieb Lea bald keine Atempause mehr. Sie atmete sich durch die schnell aufeinanderfolgenden Wehen, während Mario ihr immer wieder gut zuredete. Sie konzentrierte sich auf ihn, auf sein Gesicht und den Gedanken an ihr Baby. Sie wollte nicht, das alle glaubten ihr Baby sei tot. Sie wusste, das alles gut würde.
Die erste Presswehe war derart heftig, das Lea glaubte sie würde innerlich zerrissen werden. Ihr Schmerzensschrei ließ Mario blass werden. Doch sie wollte Mario noch näher bei sich haben. Sie wollte ihn dabei haben, ganz nah, wenn ihr Baby auf die Welt kam.
Die Hebamme gab ihr Okay, das er sich hinter sie kniete, ihr Rücken an seine Brust gelehnt, ihre Hände, die seine hielten. Wange an Wange dem Ende der Geburt entgegen fiebern. Sie folgte dem was die Hebamme sagte. Sie hörte Mario der aufmunternd murmelte, sie immer wieder küsste.

Es war ein Bruchteil einer Wehe, als der Bauch plötzlich viel weniger wurde, die Kugel fast völlig verschwand und Lea erschöpft gegen Mario sackte.
Es war still im Kreißsaal, bis Ina plötzlich sagte: „Verdammt, holt die Kinderärztin her!“ Die Gynäkologin griff zu ihrem Telefon, als ein feines Stimmchen protestierte in diese kühle Welt geboren worden zu sein.
Mit jedem Schrei und jedem Atemzug wurde das Stimmchen kräftiger, wenn auch nicht lauter. Lea hörte das Murmeln ihres Mannes: „Oh Gott!“, und entgegnete matt: „Ich habe es euch doch gesagt!“
Ina hatte Mund und Nase des Babys abgesaugt und wickelte es in ein vorgewärmtes Handtuch. Dann reichte sie es an Lea weiter. Das zarte Menschlein suchte an der Brust und Mario, der völlig paralysiert war, half seinem Kind die Brust zu finden, wo es instinktiv zu saugen begann.
Lea lächelte, erschöpft, glücklich.

Wenig später kam die Kinderärztin dazu, die das Baby zu einer ausführlichen Untersuchung entführte, zu welcher der frischgebackene Vater sie begleitete.
Die Gynäkologin untersuchte dann die Mutter und wartete mit der Hebamme die Nachgeburt ab.
Nach dieser wurde Lea in das Familienzimmer gebracht. Sie halfen der jungen Mutter sich auf dem Duschstuhl sitzend zu duschen, wobei die frischgebackene Mutter den Tränen freien Lauf ließ. Sie weinte die letzten Stunden von sich, den Verdacht, das ihr Baby tot war.
In ihrer Leggings und einem Shirt lag sie eine halbe Stunde später auf dem Bett und schlummerte umgehend ein.
Erst als die Tür laut aufgestoßen wurde, wachte sie auf. Der Blick zur Uhr verriet ihr, das sie anderthalb Stunden geschlafen hatte.
Ihr nächster Blick ging zur Tür, wo sie zunächst das herein geschobene Babybettchen sah. Direkt dahinter tauchte Mario auf, der ein in rosa gehülltes Bündel an der Schulter hielt. Als er sah, das Lea wach war, strahlte er sie an. In seinen Augen Tränen, derer er sich hier in keinster Weise schämte. Umgehend kam er zu seiner Frau, der er das Baby in den Arm legte.
Sie betrachtete ihr lebendiges kleines Babymädchen, fuhr ihr mit der Nase über die Wange. Dann sah sie auf. „Ein Mädchen! Auch wenn es etwas sehr heftig war, das war ihre Rache, das ihr sie alle für einen Jungen gehalten habt!“, witzelte Lea mit gebrochener Stimme. Mario nahm ihr  Gesicht in seine Hände und küsste sie.

Dann bemerkte sie die suchenden Bewegungen des kleinen Mädchen. Sie zog ihr Shirt hoch und öffnete den Still BH um sie zu Stillen, was sehr gut klappte. Mario kam zu ihr auf das Familienbett und beobachtete seine Frau, die ihre Tochter stillte, als hätte sie nie etwas anderes getan. Beide sahen sie dem kleinen Mädchen zu, wie es trank.
„Was hat der Kinderarzt gesagt?“, wollte Lea wissen.
„Es geht ihr ganz hervorragend, alles ist in bester Ordnung. Und sie hat alle Untersuchungen sehr gut über sich ergehen lassen. Warum keine Herztöne zu finden waren, das vermag niemand klar sagen zu können, aber mit ihr ist alles gut.“, erklärte er.
Er beugte sich über sie zu dem Babybett und holte das Namensschild hinaus.
„Die kleine Prinzessin braucht noch einen Namen.“, sagte er leise.
Lea blickte lange auf das kleine Mädchen ehe sie aufsah.
„Das alles hier ist doch ein Wunder. Du und ich, mein Unfall, das Baby. Nennen wir sie Nessa, das bedeutet Wunder im jüdischen. Geben wir ihr den Namen eines Wunders!“, erklärte sie ihm und er stimmte umgehend zu. Er drückte ihr einen Kuss auf die Lippen und ging raus. Bei den Schwestern wurden die Papiere fertig gemacht und er bestellte online die Geburtsurkunde. Gleichzeitig machte eine Schwester die Armbändchen für die Familie fertig. Alle drei erhielten sie ein Perlenbändchen aus weißen und rosa Perlen, die ihren Namen darstellten.

An diesem Tag und in der Nacht gab es für sie zunächst nur den Vorrang zu genießen, was dort geschehen war. Auf den größten aller Schreckmomente geschah das größte Wunder.
Sie hatten sie nicht im Bettchen liegen in der Nacht.
Ihre kleine Nessa lag zwischen ihnen und sie schliefen so in ihrer kleinen Blase.

In der Nacht wurde Nessa zweimal wach und zweimal stillte Lea das Baby. Mario hingegen übernahm den Part des Wickelns.
Früh am Samstag morgen kam dann auch schon die Hebamme um noch einmal bei Lea nach dem rechten zu sehen. Es gab keine Risse und nichts deutete auf innere Verletzungen hin, da sie die Geburt durch Medikamente forciert hatten.
Der Bauch erinnerte nur noch mit einer kleinen Wölbung darauf hin, das dort ein Baby auf seine Geburt gewartet hatte.
Die Kinderärztin besah sich noch einmal das kleine Mädchen und dann durften sich am Samstag vormittag nach Hause.

Puh... Da gab es doch die Wendung.
Erfreulich sie glücklich zu sehen!

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