9. Odin

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Es vergingen zwei Tage, an denen Sigurd, Ubbe und ich Lagertha und ihren Schildmaiden aus dem Weg gingen.
Ich war gerade aufgewacht. Die warmen Sonnenstrahlen blendeten mich. Ich setzte mich auf und bemerkte, dass ich alleine in der Hütte war. Ich griff nach meinen Waffen, die ich seit dem Angriff nun immer bei mir trug und ging zur Tür, die plötzlich aufgetreten wurde.

"Ivar!", schrie ich und fiel ihm um den Hals.
Sigurd und Ubbe setzten ihn auf einen Stuhl. Er sah ziemlich geschafft aus.
Ich war heilfroh meinen Bruder sicher und heil Zuhause willkommen heißen zu können.
Ich setzte mich ihm gegenüber auf den Boden.
Ubbe brachte ihm etwas zu trinken, "Wo ist unser Vater?", fragte er schließlich.
Ivar stellte seinen Krug weg und strich sich über sein Gesicht.
"König Egbert hat ihn an König Aelle ausgeliefert, er wusste, dass er ihn umbringen würde."

Ich griff nach seinem Krug und leerte ihn in einem Zug, "Warum?", warf ich ein, als ich den Krug in eine Ecke schmiss.

Ivar sah mich eine Weile an, "Das ist nicht mehr wichtig. Unser Vater lebt wahrscheinlich nicht mehr. Und wir werden ihn rächen müssen."
Ivar sah jeden von uns kurz an und flüsterte, "Das ist nun wichtig."

Wir tauschten kurz flüchtige Blicke aus, denn niemand von uns wusste, wie wir ihm sagen, dass Lagertha unsere Mutter getötet hat. Die Blicke von Sigurd und Ubbe blieben an mir hängen. Also lag es nun an mir es Ivar beizubringen.
Langsam stand ich vom Boden auf und setzte mich neben ihm auf den Tisch.

"Wir müssen dir etwas sagen.", begann ich.
Ivar sah auf und ahnte wohl schlimmes. Er sah zu Ubbe, "Ubbe?", Ubbe mied seinen Blick und ich fuhr fort.
"Unsere Mutter ist tot. Ermordet von Lagertha."
Ivar suchte entsetzt Ubbes Blick.
"Es ist wahr."

Ich spürte, wie sehr es Ivar traf und ich konnte ihn verstehen. Doch er ist nicht da gewesen und musste es nicht wie ich mit ansehen.
Ivar starrte ins Leere.
"Tjara hat gekämpft. Sie wollte unsere Mutter beschützen und hat sich sogar Lagertha in den Weg gestellt, sie war bereit zu kämpfen."

Ivar legte mir kurz seine Hand auf die Schulter. Ihm fehlten die Worte. Er sah zwischen uns dreien hin und her und schließlich wieder ins Leere.
Ubbe und Sigurd tauschten kurz Blicke aus und verließen daraufhin die Hütte.
Ich sah Ivar an, der es immer noch nicht zu fassen schien.
"Ich werde sie umbringen.", Wut stieg in ihm auf, "Ich werde Lagertha einfach umbringen.", Ivar sah mich an.
"Wo sind Ubbe und Sigurd hingegangen?"

"Ich vermute sie sind zur großen Halle gegangen, Ivar."

Er rutschte von seinem Stuhl hinunter, "Dann werden wir das nun auch tun."
Ich befestigte meine Waffen an mir und folgte meinem älteren Bruder zur großen Halle.

Lagertha hielt gerade eine Ansprache.
Ivar kroch durch die Menschenmenge und ich folgte ihm.
Entsetzt wurden wir von den Menschen angesehen.
Ubbe stellte Ivar einen Hocker bereit, an dem er sich hinaufzog und schließlich setzte.
Ich stellte mich mit verschränkten Armen hinter Ivar und sah Lagertha mit meinem kältesten Blick an.

"Willkommen, Ivar.", sagte sie und blickte auf meinen Bruder herab.

Nun stellten sich auch Sigurd und Ubbe hinter mich.

"Ich verlange Gerechtigkeit. Jeder weiß, dass der Grund, weshalb du meine Mutter umgebracht hast dein Streben nach Ruhm war. Und deshalb fordere ich Gerechtigkeit.", hasserfüllt sah er Lagertha an.

"Ivar.", Ubbe mischte sich ein und legte seine Hand auf Ivars Schulter.

"Fass mich nicht an, Feigling.", zischte dieser und schubste die Hand von seiner Schulter.
Ubbe trat zurück und Lagertha kam auf uns zu, "Er ist kein Feigling. Aber vielleicht hat er einige Dinge verstanden, die du nicht verstanden hast.", sie legte ebenfalls eine Hand auf Ivars Schulter und sah ihn mitleidig an.
Ihr Blick wechselte zu mir über und sie sah mich an.

"Wir verstehen alles, glaub mir, Lagertha.", zischte ich sie an.

"Du hast meine Mutter ermordet.", Ivar sah sie drohend an, "Herzlos und kaltblütig. Ich will Rache. Ich fordere dich heraus, ich will einen Zweikampf."

Lagertha zog ihre Hand zurück und beugte sich zu Ivar herunter, "Ich lehne ab."

"Du kannst nicht ablehnen."

"Ich werde nicht gegen dich kämpfen, Ivar Lothbrok, Sohn von Ragnar.", sie setzte sich zurück auf ihren Thron.

"Wieso? Weil ich ein Krüppel bin? Wie wäre es dann mit meiner Schwester?", er zog mich abrupt nach vorne.

Lagertha hielt seinem Blick stand und lehnte erneut ab.
"Ich will niemanden von euch töten."

"Gut. Ich will nur, dass du weißt, dass ich dich eines Tages töten werde. Dein Schicksal steht fest."

Ivar glitt vom Hocker hinunter und kroch aus der großen Halle. Ich ging ihm hinterher, dicht gefolgt von Ubbe und Sigurd.

"Was hast du nun vor, Ivar?"

Er begann seine Waffen zu untersuchen und zu verbessern.

"Du hättest gewiss gegen sie gekämpft oder Tjara?

Ich nickte, "Für Mutter hätte ich es getan."

"Ich werde sie töten, so etwas lass ich nicht auf mir beruhen.", er werkelte weiter an seinen Waffen herum.

Ich füllte uns Met in unsere Krüge und sah nach Ubbe und Sigurd, die vor der Hütte ihre Waffen ebenfalls bearbeiteten.

In der Ferne zog ein Sturm auf.

Es war nicht ungewöhnlich, dass es zu dieser Zeit stürmte, aber es fühlte sich anders an, als sonst.
Ich stellte mich neben Ubbe, der das selbe zu spüren schien.

Ich ging in Richtung Strand, irgendetwas zog mich dort hin.
Ich blickte über das Meer und hörte plötzlich eine Stimme.
"Tjara."
Ich kannte diese Stimme nicht und sah mich vorsichtig um.
Hinter mir stand ein Mann. Er trug einen schwarzen Umhang, einen Hut und hatte nur ein Auge.
Ich sah den Mann an und wusste sofort, dass es sich nur um Odin handeln konnte.
"Dein Vater ist tot. Von Schlangen vergiftet."
Ich drehte meinen Kopf und sah entsetzt in die Ferne. Entsetzt über den Tod meines Vaters? Entsetzt darüber, dass Odin persönlich mich besuchte, um mir diese Nachricht zu überbringen? Ich weiß es nicht.
"Dein Vater liegt starr an der kalten, nackten Erde."
Er verzog keine Miene, als er mir, wie mein Vater es einst tat seine Hände auf die Wangen legte.
Im nächsten Moment fing es an zu regnen und der Donner und die Blitze waren direkt über Kattegat.
Ich sah nach oben und hörte erneut eine Stimme zu mir sprechen.

Er ist mein BruderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt