18. Leb wohl, Floki

540 17 0
                                    

Als ich bei meinen Brüdern ankam, schien Ivar zu versuchen zu erklären, dass ihn der Zorn gepackt hätte.
Harald und Halfdan waren auch da und sahen ihn nur abwertend an.

"Es tut mir sehr leid.", sagte Ivar.
Er schien mich nicht zu bemerkten.
Ich ging seitlich auf ihn zu und schlug ihm seinen Becher aus der Hand, "Und das bringt unseren Bruder wieder zurück, hm?", ich sah ihm das erste Mal wieder in die Augen.
Ivar schien dies sehr unangenehm zu sein.
Er schluckte und sah zu Boden bevor er sich schweigsam davon machte.

"Lass nicht zu, dass er unsere Streitmacht anführt.", Ubbe sah Björn besorgt an, als Ivar verschwunden war.

Ich setzte mich stumm auf einen Stuhl und sah zu Hvitserk, der vor sich hinstarrte.

"Du bist der Anführer, Ubbe, das ist deine Aufgabe, du bist sein älterer Bruder. Das geht mich alles nichts mehr an. Ich werde das Mittelmeer erkunden."

"Du bist der Älteste von uns, Björn, du musst Ivar Vernunft einreden.", sagte Hvitserk und stellte schwungvoll seinen Krug ab.

Björn schüttelte den Kopf, "Das kann ich nicht.", er verließ mit Halfdan und seinem Bruder Harald das Zelt.

"Ubbe?", ich sah ihn flehend an, "Ich will nicht, dass sich unsere Wege trennen."

Ubbe schluckte und setzte sich zu mir und Hvitserk, "Wir drei werden immer zusammenhalten.", er legte seine Hände auf unsere Köpfe.

"Du kannst Ivar nicht außen vorlassen.", entsetzt sah ich zu Ubbe, "Ja, er hat unseren Bruder umgebracht. Aber Ivar ist auch unser Bruder."

Ubbe stützte sich auf den Tisch, "Er hat unseren Bund verlassen."

Ubbe starrte noch einige Zeit vor sich hin und verließ Hvitserk und mich.

"Was tun wir nun, Bruder?", seufzend sah ich gegen unser Zelt.

"Ich bin hin und her gerissen, ich weiß nicht mehr was ich tu.", Hvitserk schien verwirrt. Er hatte sich immer auf unsere älteren Brüder verlassen, sie sollten alles regeln, doch nun hielt Björn sich raus und Ubbe schien seinen Entschluss getroffen zu haben.

"Der Seher hatte wieder einmal Recht.", murmelte ich leise.

An diesem Nachmittag verließ Björn uns mit seinen Männern, sie segelten in den Süden, zum Mittelmeer, wir waren nun wirklich auf uns alleine gestellt.

Ich legte mich auf das nasse Gras und sah in den Himmel. Gerade hatte ich die Augen geschlossen, da wurde mir kaltes Wasser ins Gesicht geschüttet.
Aus Reflex griff ich nach meiner Axt und setzte mich schnell auf.
Neben mir saß Ivar, ich hatte ihn gar nicht gehört.
Er sah immer noch sehr bedrückt aus. Ich wusste, dass er den Vorfall sehr bedauerte und er alles niemals gewollt hatte. Doch er sollte seinen Zorn in den Griff bekommen, ich konnte einfach nicht akzeptieren, was er getan hatte.
"Tjara...", flüsterte er leise.
Ich sah ihn nicht an, sondern starrte vor mich hin, so wie er es tat, "Du kannst mich hassen, du kannst mich auf immer und ewig hassen. Aber ich bin dein Bruder und ich sage dir, ich wollte Sigurd nicht umbringen. Der Zorn hat mich überwältigt."

Ich wusste nicht was ich antworten sollte oder ob ich überhaupt etwas antworten sollte. Doch schließlich nickte ich, "Ich weiß, Ivar.", ich legte eine Pause ein, "Doch du hast Sigurd umgebracht, das bedeutet, dass du vor niemanden halt machen würdest. Und ich will nicht...-"
Ivar unterbrach mich schnell, "So etwas wird gewiss nie wieder vorkommen. Es war nicht mein Wille."
Seine Stimme klang bedauernd.

Wir sahen lange auf den Fluss, bis Ivar wieder zu reden begann, "Floki wird uns verlassen. Er hat sich ein Schiff gebaut, ein Schiff nur für sich selbst."

Erschrocken sah ich Ivar an, "Warum? Wohin will er?"

"Ihn hält hier nichts mehr. Nicht einmal mehr wir. Er sagte er habe den Wunsch unserer Mutter erfüllt. Er hat uns alles über unsere Götter gelehrt, was er weiß."

Am Abend verließ er uns. Der Abschied fiel mir sehr schwer. Zwar war unser richtiger Vater nie da, doch Floki hat in meinen Augen seinen Platz eingenommen.

Floki drückte mich an sich, "Ich werde dich niemals vergessen, Floki."

Er ruderte fort und war schnell um die Kurven des Flusses verschwunden.

Der Verlust brachte mich und Ivar auf irgendeine Weise wieder zusammen. Ich habe mich niemals vor einen meiner Brüder so richtig gefürchtet, doch nun fürchtete ich mich vor Ivar, doch war das richtig? Ich wusste es nicht...

"Ich will den Krieg gegen die Sachsen fortführen, solange wir unsere Streitmacht haben, wir haben den Vorteil stärker zu sein. Wir sollten ein Lager in der Nähe der Christen aufschlagen, so können wir jeden überfallen.", Ivar war wieder ganz der Alte. Keine Reue mehr.

"Unser Vater wollte nicht, dass wir nur auf Raubzug gehen. Er wollte, dass wir anders leben.", Ubbe sah Ivar ernst an.

"Wir können eine uneinnehmbare Festung bauen.", widersprach Ivar, "Ich habe von einer Stadt gehört, die York heißt. Wir sollten sie einnehmen.", er grinste.

Ich dachte nach, während ich etwas aß, "Wir sollten in Küstennähe bleiben. York liegt an der Küste, richtig Ivar?"
Er nickte.
Ubbe sah zu Hvitserk.
"Ich stimme Ivar zu, wir sollten York angreifen."

Ubbe zwang sich ein Lächeln auf. Es ähnelte dem Lächeln unseres Vaters, "Gut.", er verließ das Zelt mit seinem Teller.

Am nächsten Morgen brachen meine Brüder auf, um sich York aus sicherer Entfernung anzusehen.
Ich sollte im Lager bleiben, sie übergaben mir die Verantwortung.

"In drei Tagen werden wir York einnehmen.", schrie Ivar, als sie von ihrer Erkundung zurückkamen, "In drei Tagen werden wir erneut Siegen."
Unsere Leute jubelten Ivar zu.

"Warum in drei Tagen?", fragte ich ihn, als wir beim Essen beieinandersaßen.

"Sie feiern für ihren Christengott.", sagte Ivar.

"An diesen Tagen kann man die Christen am besten angreifen, sie sind dann in ihren heiligen Hallen.", Ubbe sah mich an und tippte sich gegen die Stirn, um mir zu signalisieren, dass ich mir dies unbedingt merken sollte.

"Ich denke es wird nicht einfach werden diese Stadt einzunehmen.", warf Hvitserk ein, der an einem Stück Fleisch herumriss.

"Sie sind auf keinen Angriff vorbereitet, Hvitserk, die wissen nicht, dass wir hier sind.", Ivar sah Hvitserk belehrend an.

An dem darauffolgenden Tag bereitete ich mich auf den Kampf vor.
Hvitserk und ich erprobten im Kampf, ob unsere Waffen noch brauchbar waren.
Anschließend wurden die wichtigsten Sachen gepackt und wir brachen langsam in Richtung York auf.

Er ist mein BruderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt