52. Tot und doch lebendig

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Am nächsten Tag sollte König Olaf hingerichtet werden.

Auch wenn ich nun wusste, dass die Götter großes mit mir vorhatten, dachte ich nicht mehr oft an mein Schicksal, denn die Götter werden mich führen. So wie sie es schon immer taten.

"Tjara.", rief Oleg mich zu sich, als ich mit meinen Brüdern in der großen Halle saß.

Zielstrebig stand ich auf und ging zu ihm herüber. Er musterte mich, so wie er es fast immer tat, bevor er mit mir sprach, "Ich will, dass Ihr König Olaf tötet.", sagte er kaum überhörbar.

"Warum denkt ihr, dass gerade ich es tun sollte, Prinz Oleg?", flüsterte ich, damit meine Brüder es nicht mitbekamen.
Oleg sah mich überrascht an und setzte sich ordentlich hin, "Ihr seid bei der Planung der Schlachten sehr still, ich dachte mir einfach, dass es euch gefallen würde. Wenn dem nicht so ist, werde ich euren Bruder Ivar fragen.", er zuckte mit den Schultern und sah zu meinen Brüdern.

"Ich werde es tun.", sagte ich schnell.
Er nickte mir kurz zu und ich ging wieder zurück zu meinen Brüdern.
Beide sahen mich neugierig an, "Ich soll König Olaf töten.", sagte ich ruhig und griff nach meinem Becher.

Später versammelten sich viele Menschen auf dem Marktplatz, wo König Olaf hingerichtet werden sollte.
Ivar reichte mir sein Messer, was er einst von unserem Vater bekommen hatte.
Ich nahm es in die rechte Hand und zog mit der linken mein Schwert. Es herrschte Stille unter den Leuten, als ich vortrat und schließlich auf König Olaf zuging.
Er schien keine Angst zu haben, er flehte nicht, dass wir ihn verschonen sollten. Ganz im Gegenteil, er lächelte mich an, als ich vor ihm stehen blieb.
Er war an einen Pfahl gefesselt und hatte schon einige Kratzer im Gesicht.
"Tu es, mein Kind.", flüsterte er lächelnd.
Ich atmete tief durch und schnitt ihm ohne zu zögern seine Kehle mit Ivars Messer durch. Das Blut strömte wie ein Wasserfall seinen Hals hinunter, doch König Olaf regte sich nicht, als wäre nichts passiert.
Schließlich bohrte ich noch zusätzlich mein Schwert durch ihn hindurch. Er ließ kurz Laute von sich und verstummte.

Ich zog das Schwert aus seinem leblosen Körper und stellte mich zurück neben Ivar, der mir seine Hand auf den Kopf legte.

Plötzlich stöhnte Prinz Oleg genervt auf und verließ die Menge.
Es schien ihm keinen Spaß zu machen, da König Olaf keinen Schmerz zeigte.

Die Menge löste sich langsam auf, bis nur noch meine Brüder und ich dort standen.

Hvitserk zog kurz dir Augenbrauen hoch und verließ uns ebenfalls. Er hatte wohl auch auf ein besseres Schauspiel gehofft.

"Bald ist es soweit.", sagte Ivar auf einmal, als er sich auf ein Fass setze, "Bald werden wir Kattegat zurückerobern.", flüsterte er, "Und dann werde ich König von ganz Norwegen sein."

"Was ist mit Oleg?", fragte ich zweifelnd.

Ivar setzte sein typisches Grinsen auf, welches sagte, dass er einen Plan habe.
Ich musste ebenfalls grinsen.

"Also, wann werden wir in die nächste Schlacht ziehen?", ich drehte sein Messer in meiner Hand und begutachtete es.

Ivar sah auf das Messer, "Morgen werden wir aufbrechen.", sagte er ernst und nahm mir sein Messer wieder ab. Er strich mit seinem Daumen über meinen Armreif und und klopfte mir schließlich auf die Schulter, bevor wir uns gemeinsam auf den Weg in die Halle machten.
Ich setzte mich an das Feuer zu Hvitserk und sah zum Prinzen, der sich mit zwei seiner Krieger unterhielt.

Plötzlich öffnete sich die Tür und ein Mann in Begleitung einer Wache trat herein, "Ich habe eine Nachricht zu überbringen.", sagte er ernst.
Oleg stand sofort auf und ging auf ihn zu.
Meine Brüder und ich taten es ihn gleich. Der Mann sag jeden von uns einzeln an, "Björn Eisenseite. Er ist tot."

Ich sah zu Ivar, der den Prinzen grinsend anblickte.
Unser Bruder war tatsächlich tot. Ivar hatte es also wirklich geschafft ihn zu töten.

Oleg ging auf ihn zu und musterte ihn, "Seid ihr euch da ganz sicher?", fragte er ihn.

Der Mann nickte, "Ja, ich habe ihn gesehen. In Kattegat herrscht große Trauer."

"Und warum seid ihr gekommen, um uns das zu sagen?", Hvitserk trat vor und sah den Mann an.

"Verschont mich und ich werde euch ein Leben lang dienen.", der Mann fiel auf die Knie.
Lachend sah ich zu Ivar, der spöttisch über den am Boden knienden Mann lachte.

"Kümmre dich um unseren Gast.", befahl Oleg seiner Wache.
Die Wache führte ihn in eine Ecke des Raumes.
Oleg gab mir und Hvitserk einen Becher mit Bier, während seine Wache unseren Gast erstach.

"Verkündet nun die frohe Botschaft. Björn Eisenseite ist tot.", sagte er zu seinen übrigen Wachen in der Halle, "Kattegat steht uns nun offen."

Am nächsten Morgen zogen wir los. Ich war voller Energie.
Als wir an dem Platz ankamen, an dem die Schlacht stattfinden sollte, sprang ich zu Ivar auf den Wagen und sah in die Ferne. Oleg tat in der Zwischenzeit etwas, was Christen anscheinend vor Schlachten machten. Ich wusste nicht was er dort tat, doch irgendwie sah es belustigend aus.
Ivar tippte mit den Fingerspitzen auf seinen Pferdewagen, "Wir hätten ein Opfer darbringen sollen.", murmelte er.

"Ich bin mir sicher es wurde bereits ein Opfer dargebracht.", sprach Hvitserk.

Ivar und Hvitserk sahen sich kurz an.

"Das ist nicht möglich. Björn.", flüsterte sich entsetzt.

Alle sahen auf den Hügel vor uns, wo ein Reiter auftauchte.
Mit offenen Mund sah ich zu Ivar.

Einer der Rus-Krieger, sprach auf seiner Sprache und ritt schließlich langsam auf den Reiter zu. Er holte Pfeil und Bogen heraus und schoss ihm in den Oberkörper.
Als Björn sich nicht regte, schoss der Krieger erneut und erneut einen Pfeil ab.

"Das ist eine Falle.", sagte Oleg.

Doch plötzlich zog Björn sein Schwert und richtete es in den Himmel.

"Ich habe doch gesagt man kann ihn nicht töten.", flüsterte mein Bruder Hvitserk.

Ivar schüttelte mit dem Kopf, ohne den Blick von Björn zu richten, "Er ist kein Gott."

"Das bist du ebenfalls nicht.", sagte Hvitserk ernst.

Ich griff nach meinem Schwert, als hinter ihm plötzlich das ganze Volk auftauchte.
Nicht nur hinter Björn tauchten sie auf, sondern auch neben und hinter uns.

"Ivar.", flüsterte ich schwer atmend und stieg vom Wagen herunter, um mir einen Überblick verschaffen zu können, doch Ivar packte mich im letzten Moment am Kragen.

"Rückzug!", schrie er laut, bevor wir die Flucht ergriffen.


Er ist mein BruderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt