41. Verräterische Taten

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Ubbes Blick sagte mir alles, er wollte Hvitserk nicht verdächtigen, dennoch tat er dies.

"Weißt du, wo unser Bruder ist, Tjara?", er sah mich ernst an.

Ich zuckte mit den Schultern, "Wenn er sie wirklich umgebracht haben soll, dann wird er natürlich geflohen sein, denn dann weiß er, dass sein Platz an Ivars Seite ist.", sagte ich provozierend.

Ubbe blieb die Ruhe selber, "Wenn dem so ist, wirst du ihm folgen wollen."

Seufzend sah ich über das Meer, "Wenn du wirklich dieses neue Land suchen möchtest, dann werde ich unserem Bruder gewiss aufsuchen, denn dann hält mich hier endgültig nichts mehr, Bruder."

"Ich kann dir das nicht verübeln, doch denke stets an Björns Worte, er kann dich sehr gut an seiner Seite gebrauchen.", er legte mir kurz eine Hand auf die Schulter und verließ mich.

Kaum war Ubbe verschwunden, machte ich mich auf den Weg zu Hvitserk.
Er lag in seiner Hütte im Bett.
Ich trat näher und setzte mich auf die Kante des Bettes, er schien zu schlafen.

"Hvitserk.", flüsterte ich, doch keine Reaktion meines Bruders.
"Bruder.", ich stieß ihn leicht an und vernahm ein Zucken seiner Augenbrauen.
Schließlich öffnete er seine Augen einen kleinen Spalt, doch sah mich nicht an.
"Sie ist tot, Bruder. Lagertha ist tot.", ich konnte ein Grinsen nicht unterdrücken.
Hvitserk schloss schwach die Augen und brachte ein leises ja heraus.
"Ich bin mir nicht ganz sicher, aber ich denke Ubbe verdächtigt dich es getan zu haben."

Er öffnete kurz die Augen, doch schnell zog er seine Decke weit über den Kopf, "Ich muss schlafen.", hauchte mein Bruder kaum hörbar.

"Du warst es, Hvitserk.", flüsterte ich feststellend, "Ivar würde stolz auf dich sein."

Hvitserk riss die Decke von sich und sah sich panisch um. Voller unerwarteter Kraft zog er mich am Kragen zu sich, "Erwähne niemals wieder diesen Namen!", schrie er mich an und drehte sich von mir weg.
"Ivar!", flüsterte ich ihm provozierend zu, woraufhin Hvitserk die Decke wieder weiter über seinen Kopf zog.

Ich lachte abwertend auf und erhob mich, "Und du willst ein Sohn Ragnars sein. Das ist einfach nur traurig."

"Ich wollte es nicht, ich dachte es wäre Ivar, den ich da ersteche.", er lugte unter der Decke hervor.
Seufzend blieb ich stehen und drehte mich breit grinsend zu ihm, "Alles der Wille der Götter, mein Bruder, alles der Wille der Götter.", flüsterte ich und öffnete die Tür, um ihn zu verlassen.

"Hier steckt ihr.", hörte ich eine Stimme. Erschrocken sah ich umher und erblickte einen Krieger, "Euer Bruder erwartet euch schon in der großen Halle."
Stumm folgte ich ihm. Was wollte Ubbe denn nun schon wieder von mir?

Er stand mit verschränkten Armen vor der Halle und sah mich an, "Wir alle wollen uns von Lagertha verabschieden."

Unverständlich zog ich eine Augenbraue hoch, "Was habe ich damit zu tun? Es erfüllt mein Herz mit Freude sie endlich tot zu sehen, Ubbe. Sie hat unsere Mutter kaltblütig ermordet. Von dem Tag an hat sie es verdient zu sterben. Ich hoffe nur, dass sie niemals nach Walhalla gelangt.", wütend atmete ich aus und betrat die große Halle.
Ich hörte die immer schneller und immer näherkommenden Schritte meines älteren Bruders, "Ich verbiete dir so etwas zu sagen!", rief er wütend.
Ich blieb stehen, es brachte mich zum Lachen.
"Was glaubst du, wird Björn machen, wenn er Heim kehrt? Er wird den Mörder umbringen wollen."

Ich wusste wer der Mörder war. Ich war mir sicher, dass es jeder im Dorf wusste, es nur nicht aussprechen wollte.
"Dann wird er Hvitserk töten.", sagte ich.

Ubbe ging um mich herum und blieb schließlich vor mir stehen. Interessiert legte er den Kopf zur Seite, "Du weißt also, dass er es war?"

Stumm blickte ich ihn an. Ich wollte niemals einen meiner Brüder tot sehen, nicht einmal Sigurd, doch es war meine Pflicht ihn zu verraten, denn er hatte Ivar verraten.
Nachdem ich tief Luft geholt hatte nickte ich, "Ja, ich weiß es, Ubbe."

Als ich den Satz aussprach, bereute ich schon, ihn überhaupt angefangen zu haben, doch nun war es zu spät.

Ubbe bemühte sich sehr, sich zu beherrschen, "Setz dich an das Feuer, bis ich zurück bin, ich werde mich von ihr verabschieden."
Ubbe verließ die Halle.

Ich setzte mich auf den Boden an das Feuer, "Verzeih mir, Hvitserk.", flüsterte ich in die Flammen, in der Hoffnung, dass meine Gedanken ihn erreichen würden.

Wie aus dem nichts erschien mir der Seher. Er saß auf der anderen Seite des Feuers, "Seit unserem letzten Gespräch, hast du sehr viel Mut bewiesen, Tjara Lothbrok. Du hast deine Entscheidungen getroffen, doch ich spüre, dass du mit deinen Gefühlen haderst."

"Seher.", flüsterte ich leise, "Ich weiß nicht, wo mein Platz ist. Mein Bruder Hvitserk ist vollkommen verrückt geworden, doch Ubbe möchte ich nicht mehr missen, er ist mein Bruder. Sage mir, was ich tun soll."

"Denk immer daran, was ich dir damals sagte, denn diese Worte werden deine Zukunft bestimmen, junge Kriegerin. Du wirst großes erreichen, doch du musst dafür an dem richtigen Platz sein."

Das Feuer flackerte auf und der Seher war verschwunden, als wäre er niemals da gewesen.

Stumm starrte ich in das Feuer. Dieses Gespräch hatte mich nun auch nicht viel weitergebracht, mein größter Wunsch war es immer noch meine Brüder wieder zu vereinen. Doch ich war erwachsen geworden, ich durfte nicht mehr wie ein kleines Kind denken, denn so wie es einmal war wird es niemals mehr sein.

Nervös ging ich auf und ab. Ich wusste nicht, ob Björn Hvitserk wirklich töten würde, doch es wäre sein gutes Recht.

Es war schon dunkel draußen, als die Tür laut aufgestoßen wurde und Björn, der Heim gekehrt war brüllend die Halle betrat, "Tjara!", ich hörte ihn schon fast rennend immer näher kommen.
Ich stand auf und sah ihn fragend an, als er das Hinterzimmer betrat.
"Ist es wahr, was du behauptest? War er es?", so zornig wie noch nie sah Björn mich an.

Musste ich Hvitserk nun verteidigen oder sollte er sterben? Was hätte Ivar in meiner Situation getan?
Ich versuchte auf meinen Kopf, der sagte, dass Hvitserk es verdient hätte zu sterben, doch mein Herz sagte mir, dass Hvitserk nicht wusste was er tat, denn er war krank und brauchte Hilfe.

Ruckartig wurde ich am Kragen gepackt und ein Stück hochgezogen, "Antworte mir!", schrie Björn mich an, als Ubbe mit verschränkten Armen auftauchte und mich wie Björn ansah.

Er ist mein BruderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt