60. Schicksal

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Am nächsten Morgen, als ich aufwachte, war Ivar fort.
Hvitserk schlief tief und fest auf seinem Bett, es würde nicht mehr lange dauern, bis er auf den Boden fallen würde.

Ich wusch mir mein Gesicht und sah mich in der Hütte um, als Hvitserk, wie vorher geahnt zu Boden fiel.
Sofort saß er gerade und sah verwirrt und ängstlich durch den Raum.

"Ich habe von Vater geträumt.", flüsterte er schlaftrunken und stand auf, um hinauszusehen.

Fragend beobachtete ich ihn, doch er schien nicht reden zu wollen.
"Es mag kalt sein, doch lass uns heute baden gehen.", sagte mein Bruder noch müde.

"Wo ist Ivar?", fragte ich Hvitserk, der nur mit den Schultern zuckte.

"Und danach werden wir ein wenig kämpfen, hm?", er legte seine Hand auf meinen Kopf und zerzausten mir die Haare.

Wir aßen gemeinsam ein wenig und brachen einige Zeit später zum See auf.
Der kalte Wind pfiff uns um die Ohren.
Wir waren lange nicht mehr an dem See, zuletzt mit Ubbe und Sigurd, als unsere Mutter noch lebte.
Seufzend atmete ich bei dem Gedanken aus.

"Ivar hat keine Ahnung, was wir als nächstes tun sollen. Doch er sieht sein Schicksal auch nicht hier.", flüsterte ich Hvitserk zu, als wir die Berge hinaufstiegen.

Mein Bruder nickte, "Das gleiche sagte er auch mir, doch ihm wird etwas einfallen, vertrau mir. Vertraue Ivar. Die Götter haben ihn schon immer durch das Leben geführt, da werden sie ihn nun nicht verlassen."

Ich nickte Hvitserk zu, als wir schließlich den See erreichten.
Die Wasseroberfläche glänzte leicht und kleine Wellen waren zu sehen.

Am Ufer legten wir unsere Waffen, die wir später noch brauchen würden, neben eine große Fichte.
Ich legte meine Kleidung gleich daneben, in den Sand und ging schließlich mit Hvitserk in den See.

Er strahlte überglücklich und war schon fast komplett mit Wasser bedeckt, "Es muss wahrlich Jahre her sein, als wir das letzte Mal hier waren.", er wusch sein Gesicht und schüttelte den Kopf, um das Wasser wieder loszuwerden.
Das Wasser war kalt, doch es war ebenso erfrischend.

"Also.", sagte Hvitserk, nachdem wir uns an die Temperatur des Wassers gewöhnt haben, "Wo warst du gestern Abend so plötzlich?", er sah mich an und wusch sein Haar.

Ich musste leicht lächeln, "Erinnerst du dich an Nels?"

Hvitserk dachte nach und drückte seine Haare aus, "Ja, ich denke schon.", er nickte, "Das war doch der Junge, den Ivar nicht ausstehen konnte."

"Genau der. Ich wollte gestern Abend nur an die Luft, und plötzlich tauchte er auf.", ich begann ebenfalls meine Haare zu waschen, "Es ist merkwürdig, denn immer, wenn ich es am wenigsten erwarte taucht er auf. Und so wie er auftaucht verschwindet er auch wieder.", flüsterte ich nachdenklich.

"Denkst du er ist ein Gott?", mein Bruder zog die Augenbrauen hoch.

"Nein, gewiss nicht, doch merkwürdig ist es schon. Als würde er mich beobachten und den passenden Moment nutzen.", ich tauchte kurz unter, um mein Gesicht zu waschen, "Jeden Falls sagte er mir, dass er an Ivars Seite kämpfen möchte, sollte er wieder in die Schlacht ziehen wollen."

Hvitserk sah mich an und wartete wieder langsam aus dem Wasser, "Ist er denn ein guter Kämpfer?", fragte er mich, während er seine Kleidung aufhob.

"Ich weiß es nicht.", sagte ich knapp, "Er hat wohl erst mit dem kämpfen angefangen, als seine Eltern an Fieber starben."

"Also ist er auch eine Waise.", stellte Hvitserk fest, als er sich wieder anzog.

Ich kam aus dem Wasser heraus. Der Wind war eiskalt und ich zog schnell meine Kleidung an und flocht mir meine Haare schlicht zusammen.
Hvitserk warf mir sein Fell über und klopfte mir brüderlich auf die Schulter, bevor er nach seinen Waffen griff und sie an seiner Kleidung befestigte.

Ich richtete das Fell, damit es mich schön wärmte und nahm ebenfalls meine Waffen.

Gekonnt wirbelte ich mit meiner Axt herum und sah ihn herausfordernd an.
Doch bevor er sein Schwert zog, kam er auf mich zu und blieb unmittelbar vor mir stehen.
Er nahm meinen Kopf in beide Hände und strich mit dem Daumen über meine Narbe unter dem linken Auge und vermittelte mir somit, dass dies nie wieder passieren durfte.

Schließlich zog er sein Schwert und unser Kampf konnte beginnen.
Es machte riesigen Spaß mal wieder mit ihm zu kämpfen, denn auch, wenn ich fast so gut war, wie er, konnte ich noch vieles von ihm lernen.

Nach unserem Kampf setzten wir uns außer Atem gegen einen Baum.

"Vermisst du Ubbe manchmal?", fragte ich ihn.

Hvitserk saß breitbeinig und mit angewinkelten Beinen neben mir, seine Arme hatte er auf die Knie gestützt.
Er lachte kurz, als ich meine Frage stellte, "Jeden einzelnen Tag der vergeht.", flüsterte er, "Doch ich bin ein verlorener Mann. Von uns allen bin ich der, den die Götter niemals in Walhalla sehen wollen.", er klang bedrückt.
Ich rückte dichter zu ihm und sah ihn prüfend an, "Warum denkst du das, Hvitserk?", fragte ich ihn kopfschüttelnd.

Er sah mich kurz an und blickte dann wieder in die Ferne, "Was habe ich erreicht, hm?"

Ich setzte mich gerade hin, "Du warst mit dem berühmten Björn Eisenseite am Mittelmeer, du hast mit uns York erobert. Du hast vieles erreicht und wirst noch mehr erreichen, du darfst nur den Glauben in die Göttern nicht verlieren, mein Bruder.", flüsterte ich, doch Hvitserk lachte nur spöttisch.

"Fast mein ganzes Leben lang bin ich Ubbe wie ein treues Hündchen hinterhergelaufen. Ich bereue es gewiss nicht, doch ich habe niemals meinen ganz eigenen Willen gehabt. Ich habe immer getan, was Ivar oder Ubbe verlangt haben, soll das mein Schicksal sein, Tjara?", verzweifelt sah mein älterer Bruder mich an.

"Wenn es dich nicht erfüllt, gewiss nicht. Meines ist es für immer an Ivars Seite zu bleiben, komme was wolle und es erfüllt mich mit Freude.", ich legte meinen Kopf gegen Hvitserk Schulter und hakte mich in seinen Arm ein.
Mein Bruder legte schützend seine Hand auf meine Wange.

Wir saßen so noch einige Zeit lang nebeneinander, bis wir schließlich zurück nach Kattegat kehrten, wo Ivar schon auf uns wartete.

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