32. Ivars Warnung

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Wir redeten viel, selbst Hvitserk beteiligte sich am Gespräch. Es schien, als wollten die Götter, dass wir drei für immer zusammenbleiben.

Plötzlich sprang die Tür auf und Ivars Wachen kamen mit drei Männern herein.

"König Ivar, diese Männer haben versucht Männer, für einen Aufstand zusammenzurufen, gegen eure Herrschaft. "

Unbeeindruckt stand Ivar auf und ging auf einen der Männer zu.
Ich stand ebenfalls auf und folgte Ivar ein paar Schritte.

Er blieb vor dem Mann stehen und sah zu ihm hinab. Als der Mann nach mehrfacher Ansprache nicht reagierte, schlug Ivar ihn auf die Wange.
"Ist es wahr, was ich da höre? Wieso?", fragte er enttäuscht, "Ich erwarte Jubel von dir, denn über dich herrscht kein normaler Mann, sondern ein Gott."

Ivar bot dem Mann an, dass er sich auf den Marktplatz stellen soll, er sich mit Asche bedecken soll und ihn um Vergebung bitten solle, im Gegenzug würde er ihn am Leben lassen.
Der Mann schien nachzudenken, doch im nächsten Moment spuckte er ihm ins Gesicht.

"Knüpft sie auf und lasst sie auf dem Marktplatz hängen, sie sollen für alle eine Warnung sein."

Die Männer wurden aus der Halle gezerrt. Unser Bruder drehte sich um, "Hass darf niemals den Platz der Liebe einnehmen.", er sah in unsere Richtung und verschwand im Hinterzimmer.
Ich wusste, dass er sich sehr zusammengerissen hatte.

Ich sah zu Hvitserk und stand auf, "Ich möchte es sehen.", sagte ich freudig und ging die Halle hinunter, zum Ausgang.

"Du hast so etwas noch nie mit angesehen, warum jetzt?", er sah mir hinterher und stand schließlich auf. Ich drehte mich grinsend um, "Weil diese Männer es wahrlich verdient haben, Bruder."

Ich ging auf den Marktplatz, wo Ivars Männer schon dabei waren, den ersten Mann aufzuschlitzen.
Fasziniert stellte ich mich zur Menschenmasse und sah dem Schauspiel zu.
Manche der Dorfbewohner schienen entsetzt, andere sahen mit ihren Kindern zu.
Ich spürte das Kribbeln in meinen Fingern und sehnte mich nach einem Kampf, ich wollte unbedingt wieder in die Schlacht ziehen.

Nach den Hinrichtungen stürmte ich in die Halle und zog Hvitserk übermütig auf die Beine, "Ich will kämpfen, Hvitserk, jetzt, hier, sofort."
Er dachte wohl, dass ich wahnsinnig geworden bin, doch ich zog meine Axt und richtete sie auf ihn.
Hvitserk zog seine Augenbrauen hoch.
"Ich vermisse den Kampf, Hvitserk.", zischte ich.

"Also gut, du kannst es ja sowieso nicht mit mir aufnehmen.", lachend zog nun auch er seine Waffen.

Ich musste grinsen, denn er wusste nicht, dass Ivar mir in den letzten Wochen viele Kampftechniken erklärt hatte, die er von unserem Vater hatte.

Ich schlug auf die Seite meiner Axt und setzte zum Angriff an.
Wir kämpften um die Tische und Bänke herum. Ich merkte, dass Hvitserk sich mehr anstrengte, als sonst, denn ich war besser geworden.
"Nicht schlecht, kleine Schwester.", rief er außer Atem, als er erneut einen Schlag abwehrte.

Schließlich hatte ich ihn an die Wand gedrängt und hielt die Spitze meiner Axt an seine Kehle.
Hvitserk sah entsetzt auf die Axt, daraufhin aber begeistert zu mir.
Ich ließ meine Axt sinken und mein Bruder klopfte mir auf die Schulter, "Wo hast du das gelernt?", lachend sah er mich an.

Außer Atem ließ ich mich auf einen Stuhl fallen. Da ertönte ein leises Klatschen.
Ivar stand am Durchgang zum Hinterzimmer. Er schien alles mit angesehen zu haben.
"Du bist sehr stark geworden, Tjara.", sagte er stolz, dann wendete er sich Hvitserk zu, "Na bei mir, wo denn sonst?", er verbeugte sich spöttisch.

"Du?", Hvitserk verzog das Gesicht und sah dann fragend zu mir, ich nickte stumm, denn es stimmte schließlich.

"Wann kämpfen wir wieder, Ivar?"

"Es freut mich sehr, zu sehen, dass du es nun schon mit Hvitserk aufnehmen kannst, doch deine Mordlust muss wohl noch ein wenig Geduld haben.", seine Mundwinkel zogen sich zu einem leichten Lächeln nach oben.

Einige Wochen später saßen Ivar, Hvitserk und ich beim Abendessen, als ein Mann hereintrat und Ivar etwas zuflüsterte. Sein Lächeln verließ schlagartig das Gesicht.
"König Harald wurde in England vom neuen König Alfred besiegt.", er atmete tief durch, "König Alfred hatte Hilfe von Lagertha, Ubbe und Björn."

Ich verschluckte mich an meinem Essen und trank schnell etwas, "Sie sind in England.", sagte ich feststellend.

"Was ist mit König Harald?", fragte Hvitserk.

"Er hat sich nach York zurückgezogen. Es ist wohl bald an der Zeit zurück nach England zu kehren. Harald wird nun gelernt haben, dass er ohne mich niemals siegen kann."

Ich nickte glücklich.

"Wir werden bald wieder in die Schlacht ziehen, freust du dich, Tjara?", Ivar sah mich an.

"Natürlich, Bruder."

"Wir sollten den Frühling abwarten.", ergänzte Ivar, "Wir haben also genug Zeit, um uns vorzubereiten."

Am nächsten Abend hielt Ivar dem Volk eine große Ansprache.
Daraufhin jubelte das Volk.
Hvitserk jedoch schien seine Rede nicht zu gefallen, er sah ihn wutgeladen an. Vielleicht war Hvitserks Entscheidung doch nicht die richtige? Vielleicht wurde er nicht von den Göttern geschubst, wie es Ivar so gerne behauptet.
Nach der Ansprache verließ Hvitserk mit den anderen die Halle.

"Wo ist unser Bruder?", fragte ich Ivar, der sich in das Hinterzimmer zurückgezogen hatte. Er lag in seinem Bett und starrte vor sich hin.

"Er wird in seiner Hütte sein.", murmelte er leise, "Er hasst mich.", fügte er noch hinzu.
Er starrte weiter an die Wand.

"Er hasst dich nicht, er weiß einfach nicht mehr, ob seine Entscheidung die richtige war. Du musst ihm zeigen, dass alles was er tat richtig war."

"Nein, ich hätte ihn töten lassen sollen. Dann würde niemand mehr wagen sich gegen mich zu stellen."

"Nein, Ivar. An so etwas darfst du nicht einmal denken. Du hast schon großen Einfluss, du hast Macht, was willst du mehr?"

Er setzte sich auf und sah mich an.
"Du musst nicht gefürchtet sein, das Volk muss dich lieben und immer hinter dir stehen."

"Ich weiß nicht, ob ich geliebt werden will.", er starrte wieder vor sich hin.

Ich setze mich in meine Ecke und wartete, ob mein Bruder noch etwas zu sagen hatte.

"Du stehst immer hinter mir oder?", flüsterte er leise.

"Mich kann nichts davon abbringen.", flüsterte ich ebenso leise.

"Leg dich schlafen.", sagte er fast liebevoll und verließ das Hinterzimmer.

Er ist mein BruderWo Geschichten leben. Entdecke jetzt