Ich machte mich auf den Weg zu meinem Pferd, denn ich sagte Ubbe einst, dass mich hier nichts mehr halten würde, wenn er Kattegat tatsächlich verlassen würde.
Ich befestigte mein Schild an einer Satteltasche des Pferdes.
Plötzlich spürte ich eine Hand auf meiner Schulter. Ruckartig wurde ich umgedreht, "Ich verbiete dir Kattegat zu verlassen.", Ubbe stand außer Atem vor mir, "Ich werde für dich noch bis zum Frühling bleiben."
Misstrauisch sah ich ihn an und schüttelte mit dem Kopf, "Nein.", murmelte ich, "Geh ruhig, suche dein Land, ich werde diesen Ort verlassen und wenn ich je wieder zurückkehren sollte, dann als Feind.", flüsterte ich bedrohlich.Ubbe sah mich verwirrt an und zog mich vom Pferd, als ich gerade aufsteigen wollte.
Mit einer Hand hielt er mich am Kragen fest, mit der andern griff er nach meinem Schild und schob mich vor sich her.
Er brachte mich zurück in die große Halle, "Wenn du gehen willst, wenn Ubbe uns verlässt, werde ich dich gehen lassen, Tjara. Doch er hat sich umentschieden und wird erst im Frühling segeln. Solange bitte ich dich bei uns zu bleiben."Wie ein kleines, bockiges Kind setzte ich mich auf einen Hocker und verschränkte die Arme.
"Wo wolltest du hin reiten, Tjara?", Björn sah mich brüderlich an.
Trotzig sah ich zu Björn, der auf seinem Thron saß.
Ubbe stieß mir schmerzhaft seinen Ellenbogen in die Seite, "Sag schon, kleine Schwester.", zischte er."Ich wollte Ivar aufsuchen.", flüsterte ich leise.
"Ich konnte dich nicht hören, Tjara, was sagtest du?", Björn sprach in einem überlegenen Ton mit mir.
Wütend stand ich auf und sah ihn an, "Ich wollte unseren Bruder Ivar aufsuchen!", schrie ich."Du weißt, dass das der falsche Weg ist.", sagte Ubbe gelassen.
"Sag mir nicht immer, was richtig und was falsch ist Ubbe, du bist nicht Vater!"
"Wer soll es dir denn sonst sagen? Ivar?!", Ubbe lachte sarkastisch.
"Ubbe hat Recht, Tjara. Du musst zur Vernunft kommen, Ivar ist verrückt, er nutzt dich nur aus.", Björn mischte sich nun ein.
Mit jedem Tag, der ohne meinen Bruder Ivar an meiner Seite verging, merkte ich wie hilflos ich ohne ihn war. Er hat mich immer rausgeredet oder verteidigt.
Ich war so wütend wie noch nie. Ich war ja wohl alt genug, um auf mich selber aufzupassen, ich brauchte keine Beschützer an meiner Seite.
Wutgeladen atmete ich aus und sah zwischen Ubbe und Björn hin und her, "Ihr habt einfach keine Ahnung."
Ich ging auf Ubbe zu, um ihm mein Schild aus der Hand zu reißen, doch er ließ es nicht los, sondern sah mich nur herausfordernd an.
Er gab sich nicht einmal viel Mühe es festzuhalten.
"Gib mir mein Schild, Ubbe.", zischte ich und griff zu meinem Schwert, als er nicht lockerließ."Jetzt greifst du also deine Brüder an, nur weil du nicht kriegst, was du willst?", flüsterte er, so dass nur er und ich es hören konnten, "Ivars Verhalten hat wohl sehr viel Einfluss auf dich genommen."
"Nicht hier drinnen, macht das draußen.", sagte Björn seufzend, als er bemerkte, dass Ubbe ebenfalls zu seinem Schwert griff.
Wir funkelten uns wie wahre Feinde an, doch Ubbe ließ schließlich von mir ab und ließ das Schild auf den Boden fallen."Feigling.", flüsterte ich, während ich mein Schild an mich nahm.
"Wenn du mit mir kämpfen willst, dann komm in den Wald, heute Abend. Wenn du gewinnst, lasse ich dich gehen, wenn nicht...-", Ubbe stand inzwischen mit dem Rücken zu mir gewandt und verstummte.
Ich verließ die große Halle und bereitete mich auf den Kampf vor.Am späten Nachmittag machte ich mich bereits auf den Weg. Denn ich hatte von Ivar gelernt alles, was die Landschaft und Natur einem bot zu nutzen, ob im Zweikampf oder auf einem weiten Schlachtfeld.
Während ich die einzelnen Bäume abtastete, hörte ich ein Knacken hinter mir und drehte mich schnell um. Dort stand Ubbe, ganz ohne Begleitung, "Ich hatte dich nicht so früh hier erwartet.", sagte er ruhig, "Und du möchtest wirklich gegen mich kämpfen?"
Mit Stolz in den Augen nickte ich.
"Ich kann dir versichern, dass du gegen mich niemals siegen kannst.", sagte er gelassen, während er sein Schwert zog und sich mir gegenüberstellte.
Ich griff nach meinem Schild, welches an einem Baum lehnte und schlug einmal mit meinem Schwert dagegen, "Lass uns beginnen, großer Bruder.", sagte ich gehässig.
Kaum hatte ich es ausgesprochen, begannen wir auch schon zu kämpfen. Ich wusste, dass mein Bruder ein sehr guter Kämpfer war, doch es hielt mich nicht auf.
Auch wenn er ohne Schild kämpfte und ich mit, war er um Längen besser als ich.Ich wusste nicht, wie ich es geschafft hatte, doch auf einmal war die Spitze meines Schwertes an seinem Hals. Er stand gegen einen Baum gedrückt, doch er lachte nur, als wenn er es belustigend fand, was hier vor sich ging.
Blitzschnell zog er seine Axt, und schlug mir damit mein Schwert aus der Hand.
Es geschah alles so schnell, dass ich nicht mehr verfolgen konnte, was genau passiert war.
Ubbes Lachen verschwand, mit einem Ruck hatte er mich im Schwitzkasten. Ich spürte die kalte Klinge der Axt an meinem Hals und atmete wütend aus.Ubbe schubste mich achtlos auf den kalten Waldboden, "Ich würde dir niemals etwas antun, aber glaube niemals wieder, dass du es mit mir aufnehmen könntest."
Er zog mich grob auf die Beine und sah mir ernst in die Augen, "Und jetzt geh mir aus den Augen."Ich riss mich los und machte mich auf den Weg zurück ins Dorf.
Ich öffnete die Tür von Hvitserks ehemaligen Hütte und trat ein.
Dort traf ich auf leere Becher und Krüge, sie lagen sowohl auf den Tischen, als auch auf dem Boden herum.
Erschöpft ließ ich mich auf das Bett fallen und schloss kurze Zeit später die Augen.Ich träumte von Hvitserk, der ohne ein Ziel im schneebedeckten Wald herumirrte. Er schien kurz davor zu sein, sein Leben endgültig aufgeben zu wollen.
Im nächsten Moment erschien mir Ivar, der Hvitserk mit offenen Armen empfing.
Frierend schreckte ich hoch und sah durch die Gegend.
War das wieder so ein Traum, wie der damals?Ich stand auf, legte die Feuerstelle frei, um mir ein Feuer zu machen.
Es wärmte mein Gesicht, es fühlte sich sehr gut an.
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Er ist mein Bruder
FanfictionDer legendäre Ragnar Lothbrok ist ihr Vater, doch wer ist eigentlich dieser Mann, der sie und ihre Brüder verließ, als sie noch ein kleines Kind war? Trotz der Herausforderungen, sich alleine gegen ihre Brüder durchzusetzen, ist sie herangewachsen...