Ich war nicht gerade motiviert, als ich mich mal wieder zu einem meiner Extra Trainings aufmachte. Auch wenn ich Ballett mittlerweile gar nicht mehr so schlimm fand wie am Anfang, ist es leider sehr anstrengend, da mir schlicht und einfach die Übung fehlte. Falls es überhaupt je leichter wird. In meinem Kopf schwirren mittlerweile mehrere Dutzend französische Begriffe herum, die ich mit den verschiedensten Bewegungen verbinden musste, obwohl ich vorher nicht mal Französisch sprechen konnte. Das heißt für mich, dass ich den Begriff verstehen und umsetzten muss und dabei auch noch eine schöne Figur machen muss. Beim Ballett ging es nicht nur um die Ausführung, die Figur musste so aussehen, als ob es dir keine Mühe bereiten würde diese zu machen. Soviel hatte ich bis jetzt verstanden. Doch von diesem Punkt war ich noch weit entfernt. Ich meine, beim Schwimmen ging es immer nur um die Schnelligkeit und die Präzision beim Ausführen eines Zuges. Es war nie wichtig, ob die Bewegung elegant war, sondern ob sie einem dazu verhalf zu siegen.
Doch bestimmt mit genug Training hätte ich geschafft dies zu erreichen. Denn alle anderen die hier sind können es doch auch. Aber leider hatte ich nicht dieselbe Zeit wie sie. Ich soll das schaffen, was sie innerhalb Jahrelangen Training erreicht haben. Es klingt nahezu unmöglich und ich schätze, dass ich früher in Köln sofort aufgegeben hätte. Klar war ich ehrgeizig, aber nur wenn ich wusste, dass etwas realistisch gesehen möglich war. Doch ich wusste, dass wenn ich es nicht schafft bis zum Ende dieses Halbjahres halbwegs Anschluss an das Niveau der anderen zu finden, dann wäre für mich die Chance auf „Freiheit" vorbei. Dann müsste ich zurück nach Köln und dort Sozialstunden ableisten oder vielleicht sogar in Jugendarrest.
Seufzend stoße ich die Tür zum Studio auf, in dem Micha schon auf mich wartet. „Hallo Lucas", meinte er, als ich das Studio betrat. „Hallo", erwiderte ich und ließ meine Tasche am Rand fallen. Ich setzte mich in der Mitte auf den Boden und fing an mich aufzuwärmen, während Micha irgendetwas an der Stereoanlage machte. Mittlerweile hatte ich das Gefühl, dass ich nicht mehr wie der letzte Depp aussah, wenn ich eine der Übungen machte und merkte, dass ich besser gedehnt war als früher. Als ich noch geschwommen bin, musste ich mich zwar auch dehnen, doch für einen Spagat musste es nie reichen. Doch nun saß ich hier auf dem Boden und war stolz darauf, dass ich mit meinen Händen meine Zehenspitzen erreichen konnte.Irgendwie schon verrückt, wenn ich so drüber nachdachte.
Nach etwa zehn Minuten war ich fertig und stand auf, um das Training zu beginnen. Ich stellte mich zu der Stange in der Mitte des Raumes und blickte zu Micha hinüber, welcher mir zu nickte.
„Ok, zum Anfang gehst du jetzt in die Ausgangsstellung." Ich nickte und tat, was er von mir verlangte. „Gut, dann in die erste Position, in die zweite, in die dritte... ", zwischen jeder Forderung nickte er einmal kurz, oder korrigierte mich an manchen Stellen.Doch langsam merkte ich eine gewisse Verbesserung in den Grundlagen. Ganz am Anfang musste er jede einzelne Haltung von mir verbessern. Mal da das Kinn nach oben, dort den Rücken gerader, da das Bein gestreckter. Doch umso öfter ich die Dinge wiederholte, umso mehr hatte ich das Gefühl, dass ich nicht mehr ganz so stark darüber nachdenken musste, wie ich mich bewegen sollte. Es geschah viel mehr automatisch.
Das war es, was ich am Schwimmen auch so gemocht hatte. Wenn man etwas sehr gut kann, dann muss man nicht mehr so viel darüber nachdenken was man gerade tut, man ist in seiner Welt, im Tunnelblick und keiner konnte einen stören. Alle Probleme schienen wie vergessen und es gab nur noch das Ziel die Bahnen zu ziehen, egal ob die Lunge schon wehtat oder die Augen vom Chlor brannten. Doch bis ich so weit im Ballett bin, könnte noch eine Weile dauern. Falls ich es je bis dahin schaffe.
Bei Jonathan hatte ich es gesehen. Als er dort alleine im Studio getanzt hat, war er in seiner eigenen Welt gewesen. Ich beneide ihn dafür, dass er den Sport ausüben darf, der ihm dieses Gefühl gibt. Aber ich hatte es mir ja verbockt. Kurz schüttelte ich den Kopf, um nicht wieder in meinen Gedanken zu versinken und probierte mich weiter auf meine Unterrichtsstunde zu konzentrieren.
*
Als ich nach dem Training in mein Zimmer zurückkehrte, sah ich Jonathan auf seinem Bett sitzen, welcher tief in einem Buch versunken war. Um ihn nicht zu stören ging ich leise zu meinem Schrank, holte frische Klamotten heraus und ging in unser Badezimmer um zu duschen. Nach dem ich dies getan hatte und nun wieder vollkommen eingekleidet war, ging ich wieder zurück in das Zimmer um Jonathan bescheid zu sagen, dass wir los mussten zum Essen. Seufzend legte dieser sein Buch zur Seite und folgte mir zur Mensa.Seit dem Pizzaessen, saßen Jonathan und ich nun immer mit der Clique an einem Tisch und ich fühlte mich echt wohl dort. Es war schön zu sehen, dass man einfach Zusammensein konnte, sich Stichen durfte und nicht Angst haben musste schnell verurteilt zu werden. Ich war nun schon seit fünf Wochen in dieser Schule und ich fühlte mich in meinem Sozialen Umfeld viel wohler, als in Köln.
Als wir uns an den Tisch setzten, diskutierten Colin und Mia über irgendetwas, doch stoppten, als wir uns setzten. „Was ist denn hier schon wieder los?", fragte Jonathan lachend, woraufhin Colin grinsend meinte: „Ich probiere gerade Mia zu überzeugen, dass sie mich in den Ferien besucht, aber sie hat zu große Angst vor meinen Eltern." „Das stimmt doch gar nicht!", meinte diese daraufhin beleidigt, worauf Colin ihr einen alles sagenden Blick zu warf und Isa anfing laut loszulachen.
Kopfschüttelnd fing ich an zu essen, während die anderen versuchten Mia zu überreden, welche am Ende dann nachgab und meinte sie würde nochmal darüber nachdenken. Nun fing Isa an zu erzählen, dass ihre Eltern mit ihr irgendeine tolle Reise geplant hatten, woraufhin auch Jonathan erzählte, dass seine Eltern mit ihm in ihr Ferienhaus fahren würden. Während sie also eifrig darüber redeten, was sie alles machen würde, drängte sich bei mir ein Frage in den Vordergrund, die ich lange verdrängt hatte, was machte ich eigentlich in den Ferien?
Am liebsten wäre es mir, wenn ich einfach hier bleiben dürfte, doch leider war es den Schülern nicht erlaubt. Das heißt für mich, dass mir keine andere Möglichkeit bleibt, als Kontakt zu meinen Eltern aufzunehmen. Und davor hatte ich wahnsinnige Angst. Ich hatte keine Ahnung wie ich mit ihnen sprechen sollte, geschweige denn zwei Wochen lang wieder bei ihnen zu sein, das wäre fast so schlimm wie in Harry Potter. Na gut vielleicht übertreibe ich ein wenig, denn im Gegensatz zu Harry, ist es meine Schuld, dass ich nicht bei meinen Eltern erwünscht bin.
Da ich gerade in meinen Gedanken gefangen war, merkte ich nicht, wie Amelie mich etwas fragte. Erst, als Jonathan an meiner Schulter rüttelte blickte ich auf und schaute sie entschuldigend an: „Tschuldigung, was hattest du gefragt?" Lächelnd blickt sie mich an: „Wie kann man nur immer so in Gedanken sein wie du?", kurz schüttelte sie ihren Kopf, „Aber egal, ich hatte gefragt, was du in den Ferien machst."
Kurz war ich überfordert. Warum musste sie das fragen? „Ich äh", stotterte ich. Mensch reiß dich zusammen. „Ich werde mit meinen Eltern in einen Überraschungsurlaub fahren", log ich und probierte mich an einem Lächeln.
Bald darauf löste sich unsere Gruppe auf und wir gingen wieder zurück auf unsere Zimmer.
------------Hey,
I'm back again XD
Der liebe Lucas muss seine Eltern anrufen... Wie das wohl ausgeht?
Ich hoffe ihr habt an eurem Sonntag nicht so viel zu tun wie ich und könnt ihn genießen :)
Bis nächste Woche
eure Lesekatze
PS: Kleiner Funfact am Rande.... Ich schreibe meine Kapitel meistens Abends bevor ich schlafe, weil ich da irgendwie am Besten kreativ werden kann. Das einzige Problem... Ich bin müde und schreibe dummes Zeugt... Ich hatte für dieses Kapitel einen ganzen Absatz mit ca. hundert Wörtern verfasst, in dem ich darüber geschrieben habe, weshalb Käse mit Tomaten oder Gurke auf Brot besser schmeckt als Fleisch... Don't know why... Vielleicht hatte ich hunger auf ein Käsebrot XD
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Auch wenn der Weg nicht immer leicht ist
Teen FictionNachdem der 15 jährige Lucas eine Straftat begangen hat, ändert sich sein Leben komplett. Er muss auf ein Ballettinternat in Berlin, um sich dort ein anderes soziales Umfeld aufzubauen. Weg von seinen Freunden und alles was er kennt. Besonders froh...