Mittlerweile war es Sonntag und somit nur noch eine Woche bis zu den Ferien. Eigentlich etwas, worauf ich mich hätte freuen können, doch für mich hieß es, dass ich meine Eltern anrufen musste und das war etwas, wovor ich ein wenig Angst hatte. Was ist, wenn sie gar nicht mit mir sprechen wollen? Ich saß nun bestimmt schon eine halbe Stunde auf meinem Bett im leeren Zimmer, mit meinem Handy in der Hand und traute mich nicht auf den Grünen Hörer zu drücken.
„Na komm schon, du schaffst das", probierte ich mich zu ermutigen, „so schlimm kann es doch gar nicht werden." Oh total ermutigend. Autosuggestion war schon immer total meine Stärke. Nicht. Aber leider konnte ich diesem Gespräch nicht ausweichen. Ich hatte schon so oft in den letzten paar Tagen nach einer anderen Option gesucht, aber hatte immer wieder am Ende festgestellt, dass nur diese Option möglich war.
Ich atmete noch einmal tief durch, dann drückte auf anrufen. Das Tuten Durchschnitt die Stille um mich herum, einmal, zweimal, dreimal. Vielleicht sind sie auch gar nicht zuhause. Viermal, fünfmal. Ich wollte gerade auflegen, da hörte ich die Stimme meiner Mutter: „Ja, Sommer." „Hi Mama, ich bin es", sagte ich und hatte unglaubliche Angst vor ihrer Antwort. „Lucas? Mein Schatz, wie geht es dir?", fragte sie. Huh? Was war denn hier los? Warum hörte sie sich glücklich darüber an, mich zu hören? „Ganz ok und dir?" „Das freut mich, mir auch. Hast du denn schon neue Freunde gefunden?" „Ja", ich hatte keinen blassen Schimmer, weshalb meine Mutter ganz normal mit mir sprach, bei meiner Abreise klang das noch ganz anders.
„Ich bin so stolz auf dich, dass du das alles schaffst", sagte sie und ich meinte einen kleinen Schluchzen zu vernehmen, „Ich vermisse dich." Ok damit hatte ich definitiv nicht gerechnet, aber das Wissen, dass ich meinen Eltern oder zumindest meiner Mutter nicht komplett egal bin brachte auch mir Tränen in die Augen. Wie lange es doch her war, dass sie mit mir vernünftig geredet hat und nun hat sie mir gesagt, dass sie stolz auf mich ist. Am liebsten würde ich ihr einfach um den Hals fallen. „Ich hab dich auch vermisst", kurz entstand eine Stille, „Wie geht es Papa?" Auf der anderen Seite des Telefons räusperte sich meine Mutter kurz: „Dem geht es soweit ganz gut" „Das freut mich", meinte ich und lächelte, „Ich wollte euch noch fragen, wie das mit den Herbstferien aussieht, ich kann doch bestimmt kommen, oder?"
Während des Telefonates hatte ich immer mehr die Hoffnung bekommen, dass meine Eltern mir langsam verzeihen, was ich getan habe. Vielleicht wird ja doch alles wieder halbwegs in Ordnung, vielleicht wird ihr Umgang mit mir wieder normaler. Ich hoffe es stark, denn ein Leben abgewandt von meinen Eltern möchte ich nicht führen. Auch wenn sie vielleicht nie die besten waren, sind sie trotzdem meine Eltern.
Eine kurze Zeit sagte meine Mutter gar nichts, erst nach ca. einer Minute fing sie wieder an zu sprechen: „Also Lucas, von mir aus steht dir da nichts im Weg, ich würde mich freuen, aber um ganz ehrlich mit dir zu sein, dein Vater sieht das glaube ich anders. Ich meine... dein Vater ist immer noch sehr wütend auf dich und wenn er wüsste, dass ich mit dir telefoniere, wäre er bestimmt nicht glücklich darüber. Ich meine du musst ihn verstehen, er wollte immer, dass du seine Firma übernimmst, aber jetzt, mit deiner Akte wird das schwierig, da würden die Kunden nachher abhauen", sie verstummte.
Meine Blase der Hoffnung zerplatzte innerhalb von Sekunden, wie von einer Nadel durchstochen. „Ihr könnt doch bestimmt im Internat bleiben, oder?", setzte sie vorsichtig fragend hinterher. Wie in Trance bejahe ich und beendete dann bald darauf das Gespräch. Als ich auflegte, liefen mir die Tränen über das Gesicht. Wie hatte ich auch daran glauben können, dass mein Vater mir etwas verzeiht? Ihm war seine Firma immer wichtiger als ich gewesen. Warum sollte sich das auch ändern? Wenn ich nicht perfekt bin, dann bin ich wertlos.
In meine Gedanken, merkte ich kaum wie die Tür aufging und Jonathan ins Zimmer eintrat. Erst, als er seine Hand auf meine Schulter legte, bemerkte ich ihn.„Hey, was ist denn los?", fragte er. Ich schaute ihm einfach nur verzweifelt in die Augen und schüttelte nur den Kopf, während mir ein Schluchzen entfuhr. Er schien zu verstehen, dass ich gerade nicht reden konnte und nahm mich deshalb einfach in den Arm. Sofort presste ich mein Gesicht an seinen Hals und fing nun hemmungslos an zu weinen.
Nach ein paar Minuten beruhigte ich mich etwas und kuschelte mich unauffällig ein wenig näher an Jonathan. So verblieb ich eine Weile, bis ich mir sicher war, dass ich nicht wieder sofort in Tränen ausbrechen würde, wenn ich über das, was gerade geschehen ist, reden würde. Langsam hob ich den Kopf und blickte somit direkt in seine Karamellfarbenden Augen, welche mich besorgt musterte. „Möchtest du drüber sprechen?", fragte er sanft und schenkte mir ein Lächeln, welches ich versuchte zu erwidern. Ich nickte und atmete einmal tief durch, um mich ein wenig zu beruhigen: „Weißt du noch, als wir letzte Woche über unsere Ferienpläne gesprochen haben?", Jonathan nickte, „Ich hab gelogen. Du weißt ja mittlerweile, dass ich nicht wegen etwas positiven hier bin", kurz machte ich ein kleine Pause, um zu gucken, wie Jonathan auf das, was ich gesagt habe reagiert, doch als nichts passierte redete ich weiter, „Meine Eltern haben danach in mir nur noch die Schande in Person gesehen und ich hatte mit keinen von ihnen Kontakt, seitdem ich hier bin. Naja und da jetzt die Ferien kommen musste ich sie anrufen, um das zu klären", die Erinnerungen kamen wieder in mir hoch und mir stiegen wieder die Tränen in die Augen, was Jonathan sofort bemerkte und mich wieder fester in den Arm nahm.
Sofort spürte ich, wie mich seine Nähe beruhigte, sodass ich ein wenig später wieder weitersprach: „Am Anfang lief alles gut, mein Mutter scheint mich tatsächlich vermisst zu haben und ich hatte schon die Hoffnung, dass ich relativ normale Herbstferien bei meiner Familie verbringen kann, doch als ich nach meinen Vater gefragt habe", für einen kurzen Moment brach meine Stimme weg, „Als ich nach ihm gefragt habe, meinte sie, dass er meinte ich sei eine Enttäuschung und somit kein würdiger Nachfolger für ihn und das es vermutlich besser sei, wenn ich nicht kommen würde."
Kurz herrschte Stille und ich presste mein Gesicht fest an Jonathans Brust. Er war gerade das einzige, was mir halt gab. Wäre er nicht gekommen, dann hätte ich mich vermutlich selbstversletzt. Der Gedanke allein, dass mein Vater so von mir dachte und sprach, schmerzte mir viel zu sehr. Auch wenn mich seit ich zehn Jahre alt bin mehr unsere Haushälterin, als meine Eltern großgezogen hat, habe ich doch zehn glückliche Jahre mit ihnen verbracht. Erst als die Firma meines Vaters plötzlich einen Wachstumsschub erhalten hat und er meinte, ich könnte mit zehn auch ein wenig alleine klar kommen, schließlich sollte ich später auch die Verantwortung über seine Firma übernehmen, und so lerne ich laut ihm am besten eigenständig zu sein. Doch ohne Berta, die Haushälterin, wäre ich vermutlich verhungert, ich meine wie soll ein Kind plötzlich von einem Tag auf den anderen gelernt haben zu kochen? Aber ich habe sie dennoch lieb, denn sie sind trotzdem noch meine Eltern.
Langsam hebe ich meinen Kopf von seiner Brust und schaue in seine Augen, die mich traurig und voller Mitgefühl ansahen. „Das tut mir total leid Lucas", fing Jonathan an zu sprechen, „Ich kenne solche Situationen leider auch und ich hatte immer gehofft, dass niemand den ich kenne je so etwas erleben muss." Kurz war ich verwundert, er kannte das auch? Doch dann viel mir die Situation in meiner ersten Woche hier ein, in der Jonathan mir über den Druck seiner Mutter erzählt hatte. Er hat recht, sowas wünscht man wirklich keinem.
„Dann hoffen wir mal, dass es nicht noch jemanden trifft", meinte ich und probierte die Unterhaltung mit einem schiefen Lächeln aufzuheitern, was mir leider missglückten, „Ich hab jetzt nur ein Problem, wohin gehe ich in den Ferien?" Kurz schien Jonathan über etwas nachzudenken, bevor er anfing zu sprechen: „Ich glaube ich hab da eine Idee."
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Hey,
Wieder ein neues Kapitel von mir :)
Armer Lucas :(
Was glaubt ihr ist die Idee, die Jonathan hat?Bis nächste Woche,
eure Lesekatze
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Auch wenn der Weg nicht immer leicht ist
Teen FictionNachdem der 15 jährige Lucas eine Straftat begangen hat, ändert sich sein Leben komplett. Er muss auf ein Ballettinternat in Berlin, um sich dort ein anderes soziales Umfeld aufzubauen. Weg von seinen Freunden und alles was er kennt. Besonders froh...