Kapitel 2

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Endlich zuhause angekommen werfe ich mich auf mein Bett in vergrabe meinen Kopf in mein Kissen. Ich meine, ich muss erstmal darauf klar kommen, dass ich tatsächlich auf ein Internat gehen sollte. Dazu auch noch auf ein Ballettinternat. Tanzen kann ich doch überhaupt nicht. Und warum musste ich dahin? Weil ich dummes Kind mich mit den falschen Leuten getroffen habe beantwortet ich die rhetorische Frage in meinem Kopf. Warum hatte ich denn auch nicht bemerkt, dass diese beiden Vollidioten so einen schlechten Einfluss auf mich hatten? Warum, warum, warum?

Ohne es zu merken zog mich mein Gedankengang immer weiter runter, bis ich wieder in meinem schwarzen Loch war, aus dem ich nur schwer wieder rauskommen würde. Immer weiter machte ich mich klein in meinen Gedanken und immer größer wurde das Loch, das meine Seele in sich gefangen hielt.

Ohne es richtig zu merken ging ich wie ferngesteuert zu meiner Tür und schloss diese ab. Warum hatte ich das auch getan? Schnell ging ich zu meinem Nachttisch, öffnete die erste Schublade und nahm meine Klinge heraus. Wie in Trance schob ich meinen rechten Ärmel hoch und zog das Messer einmal quer über meinen Arm. Immer und immer wieder schnitt ich mit dem Messer in meinen Arm, während mir salzige Tränen über die Wangen liefen.

Nach ein paaren Schnitten vermischte das Blut mit meinen Tränen und tropfte auf mein Packet, doch ich bemerkte es nicht einmal. Erst als mein Dad an meine Tür klopfte und meinte es gäbe was zu essen, erwachte ich aus meinem tranceartigen Zustand. Kurz schüttelte ich meinem Kopf um ihn wieder klar zu bekommen, denn ich war von meinen negativen Gefühlen überwältigt, doch dann antwortete ich schnell meinem Vater, damit dieser keinen Verdacht schöpft und nachher noch reinkommen möchte. Mama und er hatten schon genug Sorgen wegen mir.

Langsam stand ich auf, holte Tücher, wischte das Blut vom Boden und säuberte die Klinge und meinen Arm, soweit es möglich war. Dann öffnete ich wieder meine Schublade legte die Klinge hinein und nahm ein paar Pflaster heraus. Damit versorgte ich notdürftig meinen Arm und zog danach einfach meinen Hoodie drüber.

Nachdem ich die Tür aufgeschlossen hatte ging ich schnell nach unten zum Essen. Wie erwartet saßen meine Eltern schon am Tisch und verstummten sofort als ich den Raum betrat. So ging es schon seit dem Vorfall, da sie nur das nötigste mit mir reden wollten. Leise setzte ich mich hin und nahm mir eine Scheibe Brot.

Nach dem Essen zog ich mich wieder zurück in mein Zimmer. Es war meine abendliche Routine seit dem Überfall. Schnell ging ich ins Bad und machte mich bettfertig.

*

6:30.Langsam richtete ich mich in meinem Bett auf und rieb mir über meine verschlafenen Augen. Heute ist Montag, der Tag nach dem Gerichtsbeschluss. Ich hatte gestern noch etwas über das Urteil nachgedacht und musste meinem Dad leider zustimmen, dass das Urteil mehr als fair ist. Und auch wenn ich nicht auf dieses Internat gehen wollte, so blieb mir wohl nichts Anderes übrig. Es ist und bleibt immer noch mein Eigenverdienst.

Etwas träge stand ich vom Bett auf und schlurfte in Richtung Bad. Dort wusch ich mich, richtete meine Haare, zog mich an und ging dann zum Essen runter. Wieder herrschte schweigen, als ich mich an den Tisch setzte.

Schnell aß ich eine Scheibe Toast mit Marmelade und ging wieder hoch ins Bad. Dann nahm ich mir meinen Rucksack und lief durch die Tür hinaus in die Freiheit. Es ist wirklich wie in einem Gefängnis Zuhause ich durfte nur zur Schule raus, ich hatte kein Handy, nur das Nötigste wurde mit mir geredet und nur zum Essen sah ich meine Eltern. Hier draußen hingegen konnte ich mich frei bewegen.

Ich setze mir meine Kopfhörer auf, stecke sie in meinen Mp3-Player und machte meine Playlist an. Wenigstens den hatten mir meine Eltern erlaubt zu nutzen. Mit Rapgod von Eminem im Ohr mache ich mich auf den Weg zur Schule.

Als ich auf dem Schulhof ankam hatte ich mühe die komischen Blicke der anderen Schüler zu ignorieren. Nach dem Überfall ist es wohl sofort durchgesickert, dass ich mitbeteiligt war und seit dem war ich zu einer Art Attraktion der Schule geworden. Ich zog mir meine Kapuze weiter ins Gesicht und schlenderte betont unauffällig zu Matteo rüber, welcher auf einer Bank saß.

„Hey", murmelte ich leise zur Begrüßung und setzte mich neben ihn. „Na", meinte er und sah mich fragend an: „ Wie geht es dir?" Ich seufzte: „Den Umständen entsprechend ganz gut." „Also nicht gut...", schloss er daraus. Es sah so aus als ob er noch etwas hinzufügen wollte, doch die Klingel unterbrach ihn und wir mussten uns trennen, da wir verschiedene Kurse hatten.

Im Französischraum angekommen setzte ich mich an einen freien Tisch und fing an meine Sachen rauszuholen. Es klingelte. Schnell füllte sich der Raum und sofort fingen meine Mitschüler an über mich zu tuscheln und mich zu beleidigen. Erst als die Lehrerin eintrat, hörten die Gespräche auf. „Bonjour" (Guten Tag). „ Bonjour Madam Fischer" (Guten Tag Frau Fischer).

Französisch ist eigentlich einer meiner Lieblingsfächer, aber in letzter Zeit traute ich mich nicht mehr richtig mich am Unterricht zu beteiligen und wenn ich es tat, dann wurde ich meistens nicht drangenommen. Das ging mir eigentlich in jedem Fach so, weshalb ich mich meistens einfach nicht melde.

Nach Französisch hatte ich Sport. Dauerlauf... Auch wenn man von mir vielleicht denken würde, dass ich total die gute Ausdauer hätte, da ich ja so gut Schwimme, habe ich immer noch Asthma. Im Wasser macht mir das komischerweise nichts aus, aber am Land kann ich so gut wie gar nichts. Schon nach den ersten zehn Metern fing ich an zu keuchen, obwohl ich mein Asthmaspray benutzt hatte.

Nach 100 Metern joggen, mit zwischenzeitlichem gehen konnte ich einfach nicht mehr und setzte mich an den Rand und guckte den anderen zu, wie sie eine Runde nach der anderen joggten. Ein Glück das mein Lehrer über mein Asthma Bescheid wusste, ansonsten wäre ich wohl in Schwierigkeiten, denn normalerweise durften wir nicht mehr als zwei Minuten Pause machen.

Ich genoss gerade meine Ruhe als ein wenig Wasser mein Gesicht traf. Paul, einer meiner ehemaligen Freunde stand vor mir und durchbohrte mich quasi mit seinem Blick. „Na muss der Schwerverbrecher eine Pause machen? Dabei hat er das doch gar nicht verdient. Das so etwas noch auf unsere Schule gehen darf ist mir echt rätselhaft.", jetzt schon fast angewidert versuchte er mich mit seinem Blick zu erdolchen. Ich versuchte ihn zu ignorieren, was ihn anscheinend noch wütender machte als ohne hin schon.

Doch bevor etwas passieren konnte, stand plötzlich Matteo neben Paul und tippte ihm auf die Schulter. „Ist irgendwas? ", fragte er. Paul schüttelte nur unsicher seinen Kopf. „Dann kannst du auch verschwinden", meinte mein Kumpel und sofort zog Paul ab. Manchmal war es doch zu etwas gut den 'Anführer' unserer früheren Clique als besten Freund zu haben.

„Alles ok bei dir?", fragte er. Ich nickte nur. In letzter waren manche unserer alten Freunde mir gegenüber handgreiflich geworden. Aber immer wenn Matteo dazwischen gegangen ist, sind sie abgezogen. Den genauen Grund kann ich nicht sagen, da er nicht mehr richtig zu unserer früheren Truppe hinzugehört aber ich vermute sehr stark das alle einfach immer noch auf ihn hören, wegen seiner früheren Position.

Auch wenn der Weg nicht immer leicht istWo Geschichten leben. Entdecke jetzt