Kapitel 28

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„Sagen wir es den anderen?", fragte ich Jonathan ein wenig unsicher auf dem Weg zur Mensa. „Nur wenn du dazu bereit bist", meinte er und schenkte mir ein aufmunterndes Lächeln. Kurz überlegte ich, sollte ich diesen Schritt gehen? Doch ich bin es satt mich immer vor anderen zu verstellen. Hier hätte ich endlich die Chance ein Leben aufzubauen, in dem ich nicht lügen musste, um den 'Voraussetzungen' zu entsprechen.

„Ok, dann machen wir das", meinte ich und bekräftigte meine Worte, indem ich seine Hand nahm und mit meiner verschränkte.

So liefen wir das letzte Stück zur Mensa und betraten sie gemeinsam durch die geöffnete Tür. Drinnen herrschte wie immer reges Treiben. Und so blieben wir erstmal unbemerkt. Wen interessierte auch schon ein paar Erstklässler? Die einzigen, die auf uns reagieren werden, ist unsere Clique, doch ich glaube nicht, dass diese irgendetwas gegen uns hat. Wieso auch?

In dieser Hinsicht war ich eigentlich nur positiv gestimmt, was bestimmt an den Endorphinen lag, die immer noch durch mein Blut schossen und meinen Verstand ein klein wenig vernebelten. Doch vielleicht war dies bei meiner sonst eher negativen Stimmung gar nicht so schlecht.

Dankend nahm ich der Köchin mein Tablet ab und ging zu Jonathan, welcher schon auf mich wartete, damit wir gemeinsam zum Tisch gehen konnten. Unsere Truppe saß am selben Tisch wie immer. Irgendwie war der Tisch, in der hintersten Ecke der Mensa, zu unserem Stammplatz geworden, den uns auch niemand mehr streitig machte.

Vermutlich, weil er so weit hinten war und man bis dahin einen weiten Weg zur Tür hatte. Denn auch wenn man es vielleicht nicht vermutete, waren wir hier auch nur Teenager, von denen keiner Lust hatte, unnötig viel zu tun. Mal abgesehen vom Ballett tanzen.

Generell war ich manchmal erstaunt, wie 'normal' hier alle waren. Irgendwie waren in meinem Gehirn wohl zu viele Clichés verankert, die sich nun nicht bestätigen. Nur weil man sich für eine Sache stark interessiert und sie in sein Leben stark einbindet, heißt das nicht, dass man nicht ein normaler Teenager sein kann, der mit seinen Freunden Dinge unternimmt.

Gut mal abgesehen davon, dass man als normaler Jugendlicher nicht unbedingt täglich mehrere Stunden trainiert, um später Wort wörtlich durch die Welt zu tanzen.

Doch das alles hatte ich wohl in der Zeit meiner Selbstisolation vergessen, denn früher war ich durch das Schwimmen ja nicht anders gewesen.

Mittlerweile waren wir an unserem Stammplatz angekommen. Alle anderen saßen schon dort in ein Gespräch vertieft und bemerkten uns erst, als Jonathan sich räusperte. „Ach, euch zwei gibt es auch noch?", fragte Isa grinsend, „Wir hatten schon überlegt eine Vermisstenmeldung aufzugeben oder euer Zimmer zu stürmen, aber ich schätze eure Abwesenheit hatte einen Grund, oder?", beendete sie und wackelte alles sagend mit ihren Augenbrauen. Alle anderen fingen an zu lachen.

„Was gibt es denn da zu lachen?", fragte ich mit einer hochgezogenen Augenbraue. „Man kann doch sehen, dass ihr euch am liebsten die Kleider vom Leib reißen würdet, wenn ihr hier am Tisch sitz. Da fragt man sich natürlich was ihr heute Morgen so gemacht habt", meinte Isa und grinste mich schelmisch an.

Verdutz guckte ich zu Jonathan rüber. Wie hatten denn die anderen bitte gemerkt, dass wir beide etwas füreinander empfinden, währenddessen wir total im Dunkeln getappt sind? Liebe macht wohl wirklich blind.

„Na dann habt ihr ja mehr gewusst als wir", stellte Jonathan fest und erwiderte meinen Blick mit einem Lächeln. „Naja, jedenfalls sind wir jetzt zusammen", verkündete ich, damit die Diskussion fallen gelassen wird. Der Hunger hatte sich bei mir breit gemacht und das Tablett vor meiner Nase machte diesen Umstand nicht besser.

Schnell legte ich mein Tablett auf dem Tisch an und setzte mich auf einen freien Platz. Dann griff ich zu Messer und Gabel und fing an das Essen in mich reinzuschaufeln. Nur wenige Augenblicke später setzte sich Jonathan neben mich und tat mir gleich.

Erst als der Hunger ein wenig eingedämmt war, guckte ich von meinem Essen auf, nur um festzustellen, dass die meisten uns belustigt musterte. „Na da haben ja welche Hunger", meinte Amelie, bevor sie anfing zu kichern. „Tschuldigung, aber das sah gerade zu komisch aus." Nun stieg auch Isa mit ein.

„Was habe ich verpasst?", erkundigte sich Colin interessiert, welcher kurz davor in ein Gespräch mit Mia vertieft gewesen war. „Die zwei Turteltauben haben wohl in der Zeit von gestern Abend auf heute ihre Essmanieren verloren und sahen dabei für die beiden Kichererbsen zu komisch aus", bemerkte Jonas trocken, konnte sich jedoch ein Grinsen nicht verkneifen, als Elias ihm in die Seite stupste: „Die lachen ja auch über alles."

„Aufpassen, die Pärchen verschwören sich noch gegen uns, wenn wir nicht aufpassen. Sie sind in der Überzahl", flüsterte Amelie spielerisch zu Isa in einer Lautstärke, die für alle verständlich war. „Scheiße, du hast recht, was machen wir jetzt?", meinte Isa gespielt schockiert. „Wir entfernen uns so schnell wie möglich vom kontaminierten Bereich, so können wir eine feindliche Übernahme verhindern." „Aye Aye Captain!"

Bis jetzt hatten wir alle ruhig zugehört, doch nun war es um uns geschehen. Der ganze Tisch brach in Gelächter aus und wurde von den umliegenden Tischen mit komischen Blicken geachtet. Doch das ignorierten wir gekonnt, erst als uns die Lehrer mehrere böse Blicke zugeworfen hatten und sich einer von ihnen zu uns auf den Weg machte, verstummten wir schnell und warfen uns verschwörerische Blicke zu.

Wenn ich in letzter Zeit für einen Moment die Zeit anhalten wollen würde, dann wäre es wohl jetzt. Ich fühlte mich rundum wohl und akzeptiert und hatte endlich wirkliche Freunde gefunden, die zu mir hielten und mit mir lachen konnten. Zudem hatte der süßeste Junge, welcher sich um mich sorgt und mich so akzeptiert, wie ich bin, mit all meinen Ecken und Kanten, gefragt, ob ich sein Freund sein will.

Es war einer dieser Momente, in denen man durchatmen konnte und vielleicht sogar ein Stück der Wunden heilte, die sich über meine Seele verteilten. Auch wenn dieser Prozess vermutlich noch eine Weile dauern wird, wurde mir bewusst, dass der Heilungsprozess nicht unmöglich war, sondern dass die Zeit auch innerliche Wunden heilen und Schmerzen lindern konnte.

Lächelnd sah ich mich in meiner Truppe um, wie lieb ich sie mit all ihren Eigenarten nach so kurzer Zeit gewonnen hatte. Nie würde ich mein altes Leben dafür eintauschen, auch wenn mir es lieber wäre, wenn ich dafür nicht solche Fehler hätte machen müssen.

Letztendlich blieb mein Blick an Jonathan hängen, welcher es nach kurzer Zeit bemerkte und mein Lächeln erwiderte.
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Hey,

Welcome back to another chapter! I hope you liked it :)

Ist jemand von euch genauso pissed auf das Wetter wie ich? Jeden Tag wird gutes Wetter vorher gesagt und letztendlich regnet es ununterbrochen... 

Aber wenigstens sinken bei mir die Inzidenzen immer weiter, sodass ein paar Lockerungen eintreten. Auch wenn ich mich ein wenig komisch fühle in einer vollen Klasse zu sitzen, wo ein Teil keine Masken mehr trägt. Aber wenigstens haben die meisten Lehrer bei mir durchs B-Modell die Arbeiten gecancelt, sodass ich fast mit allen durch bin :D

Bis nächste Woche, 

eure Lesekatze

Auch wenn der Weg nicht immer leicht istWo Geschichten leben. Entdecke jetzt